Nachdem ich "Die englische Erbin" (Schauplatz der Handlung: England, 19. Jahrhundert) nochmals gelesen habe, ist mir zum zweiten Mal etwas aufgefallen, das sich auch durch zahlreiche historische Romane zieht, und das ich nun hier anbringen möchte.
Und zwar geht es um die korrekte Anrede von Charaktere, die britische Adelstitel tragen. Schon seit Längerem setze ich mich mit dieser Thematik auseinander und stelle immer wieder fest, dass in Romanen falsche Anreden verwendet werden. Das ist - insbesondere, da es sich um ausländische Titel handelt - an und für sich nicht verwunderlich, zumal die Titulierung äußerst komplex ist.
Im Folgenden möchte ich kurz ein paar Anredenfehler aufzeigen, die mir in der "Erbin" aufgefallen sind und die sich vielleicht dadurch in künftigen Ausgaben dieses Buches als auch anderer vermeiden lassen:
1. Lord Arthur Ashington wird stets als "Lord Ashington" tituliert. Er ist jedoch ein Earl Darking. Earls werden grundsätzlich nicht mit dem Familiennamen angeredet, sondern mit ihrem Titel.
Korrekt wäre demnach: "Lord Darking".
2. Ebenso verhält es sich mit William Vanderley, Viscount von Claremont. Die korrekte Anrede ist nicht "Lord Vanderley", sondern "Lord Claremont".
Sein Sohn ist übrigens auch nicht als "Lord Vanderley" anzureden, sondern als "Mr Vanderley"(zumal er 'nur' der Sohn eines Viscounts ist). Nachdem er den Titel des Vaters nach dessen Tod erhält, wird er zu "Lord Claremont". Seine Kinder Susannah und Clayton sind "Miss Vanderley" und "Mr Vanderley", nicht Lord oder Lady.
3. Helena ist unverheiratet "Lady Helena (Ashington)". Nach ihrer Heirat mit dem Viscount of Claremont, macht sie dies jedoch weder zu "Lady Vanderley" noch zu "Lady Claremont", sondern zu "The honourable Mrs Matthew Vanderley". Grund hierfür ist, dass sie unter ihrem Stand geheiratet hat (ein Earl steht eine Stufe über einem Viscount). Das "The" steht nur höheren Adelsschichten zu (Baronet und Knight z.B. nicht).
Helena kann allerdings auch nach ihrer Heirat ihren früheren Titel "Lady Helena" weiterführen.
4. Anrede mit dem Vornamen: in Adelskreisen grundsätzlich eher nicht. Männer reden sich mit dem Titel (z.B.: Darking) oder bestenfalls mit dem Familiennamen (z.B.: Ashington) an. Ehepartner siezten sich früher für gewöhnlich und verwendeten nicht die Vornamen: die Ehefrau nannte den Mann My Lord oder ebenfalls bei seinem Titel (z.B.: Claremont) oder verwendet eine Verkleinerungsform davon (z.B.: Clare). Der Ehemann sprach seine Frau häufig mit My Lady an. Der Umgang miteinander war in jedem Fall erheblich förmlicher als heute oder wie es in den meisten historischen Romanen dargestellt wird.
Es gibt zu dieser Thematik noch viele Beispiele in zig Büchern, aber ich möchte nicht zu weitschweifig werden.
Ich denke, ein Buch, das historisch authentisch wirken möchte, sollte sich um eine möglichst korrekte Verwendung der Anreden bemühen. Einerseits, um diese Fehler nicht immer weiter zu tragen und andererseits, weil es Freude macht, Bücher zu lesen, die auch in diesen Details stimmig sind. Bezogen auf die "Erbin" würde ich mich freuen, wenn mein Beitrag nicht als kleinliche Kritik, sondern als positives Input aufgefasst wird.
Ansonsten bin ich darauf gespannt, ob andere Leser oder Autoren vergleichbare Erfahrungen gemacht haben.
edit: Inhalte ergänzt und sprachlich angepasst.