Pieper, November 2007 als Taschenbuch, 256 Seiten
Originaltitel: A negy evszak, költmenyk prozaban
Aus dem Ungarischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Erno Zeltner
Kurzbeschreibung
»Was aber ist das Geheimnis der großen, lebendigen Prosa? Bisweilen glaube ich fast, nur die Wahrheit.« - Geschliffen formulierte Selbstgespräche über die Kunst und das Leben, Reflexionen über die Natur und die Vergänglichkeit, über das Schreiben und das Leben mit Büchern: Der große ungarische Romancier Sándor Márai glänzt auch in diesen impressionistisch leichten Miniaturen. Vor dem historischen Hintergrund des mondänen Budapest der Dreißigerjahre folgen Márais tagebuchartige Aufzeichnungen dem Rhythmus der Jahreszeiten und halten dabei kunstvoll die Balance zwischen Intellekt und Gefühl. Erneut zeigt sich Sándor Márai, der große Erzähler, als Meister der kleinen Form.
Über den Autor
Sándor Márai, 1900 in Kaschau (Kosice, heute Slowakei) geboren, lebte und studierte in verschiedenen europäischen Ländern, ehe er 1928 als Journalist nach Budapest zurückkehrte. Er verließ Ungarn 1948 aus politischen Gründen und ging 1952 in die USA, wo er bis zu seinem Freitod 1989 lebte. Nach der Wiederentdeckung seines Romans »Die Glut« (1999) erschienen von ihm auf Deutsch zahlreiche Bücher, die alle bei Piper vorliegen.
Meine Meinung:
Viele dieser kleinen Miniaturen aus dem Jahr 1938 von Sandor Marai sind umwerfend, tiefsinnig, aber nicht abgehoben, voller Komik oder auch Trauer.
Sie sind den 12 Monaten des Jahres zugeordnet.
Sandor Marai hat eine große Wahrnehmungsfähigkeit und erzeugt durch seine tagebuchartigen Aphorismen ein Bild von Ungarn aus dem Jahr 1938.
Die politische Situation, also die Vorkriegsstimmung in Europa ist zwischendurch, wie beiläufig, spürbar, wenn Marai zum Beispiel erwähnt, dass der spanische Bürgerkrieg schon 3 Jahre andauert.
Oft schreibt er über das Schreiben: „Seufzen – Beim Schreiben eines Romans“
Über literarische Vorbilder und Anleihen.
Oder über Schriftsteller und das vergnügen sie zu lesen, ausführlich zu Tschechow, Proust, Thomas Mann, Tolstoi, Virginia Wolfe, Gide oder Hamsun und zu vielen ungarischen Autoren der damaligen Zeit, die einen heutzutage meist nicht mehr viel sagen. Dann spielt auch das Theater eine Rolle, auch die ungarische Sprache. Er schreibt über die Aufregung, als er zufällig eine Leserin eines seiner Bücher auf der Promenade sieht, das lässt ihn Resümee über den beruf des Schriftsteller ziehen, eiligen Schrittes zieht er weiter.
Hinzu kommt manchmal ein lyrischer Ton von Marai:
Bleifarbener Morgen mit Möwen und dröhnenden Nebelhorn … (aus Der Auswanderer)
Es liegt etwas in der Luft; als ob die Welt sich schmollend zieren würde. (aus Schmelze)
Der Wind ist so wild und hart wie die Attacke einer Horde von Marodeuren … (Aus Eisbrecher)
Das Wasser, die Erde, die Sonne, die Wolken!
Der Wein, das Blut, der Kuss und die Träume!
(Aus Hymne)
Dieses Buch ist deshalb so gelungen, weil Sandor Marai den Leser an seinen Eindrücken und Schlussfolgerungen teilnehmen lässt, ohne jemals zu belehren.