Meine Meinung
»Somnia« unterteilt sich in drei Bücher, Solitaire, Scarlet und einen dritten, kürzeren Teil, dem das Buch seinen Titel verdankt. Unterbrochen werden diese von Zwischenspielen, die zur Auflockerung des Textes beitragen. Der Bezug zu den Vorgängerbänden wird erst spät deutlich, denn Scarlet kann sich an nichts erinnern. Dies bietet für Leser, die die ersten drei Bände nicht kennen, eine perfekte Chance zum Quereinstieg und macht gleichermaßen das Wiedereinfinden in Marzis Welt nach längerer Lesepause möglich. Alle fremden Begrifflichkeiten werden erläutert und auch für diejenigen, die noch nie die uralte Metropole betreten haben, wird ihre Pracht deutlich. Leser der Vorgängertitel hingegen sehen sich im ersten Drittel lange auf der Suche nach einem Mysterium, das sie eigentlich schon in »Lumen« ergründet haben. Die eine oder andere Geschichte ist daher schon bekannt. Im zweiten Buch relativiert sich dies dann.
Emily Laing, Mortimer Wittgenstein und ihre Freunde spielen im neuen Teil nur Nebenrollen, die Menschen, die innerhalb der Erzählung begleitet werden, sind andere. Besonders Wittgenstein habe ich vermisst, da diese Person klar die übrigen Titel der Reihe dominiert hat und mit ihrem seltsamen Humor zur Qualität des Textes beigetragen hat. Anthea oder Scarlet sind dagegen Figuren, denen diese Kraft fehlt. Sie haben andere Qualitäten und Freunde – beispielsweise Buster, der eine ähnliche Rolle einnimmt wie die Ratten in London und dabei ebenso amüsant sein kann.
Faszinierend ist erneut, wie bekannte Lieder und geschichtlich dokumentierte Ereignisse wie die Hexenverfolgung oder die Geschichten um Rattenfänger in einem ganz neuen Licht betrachtet werden. Mit den vergangenen zehn Jahren finden leider keine genaueren Auseinandersetzungen statt. Nur sehr knapp, wie im Zeitraffer, werden die Ereignisse in London umrissen und klingen dabei doch so interessant, dass sie meiner Meinung nach mehr Beachtung verdient hätten.
Der Schreibstil verortet sich vollkommen innerhalb der Vorgängerbände und hat dadurch für die Reihe einen enormen Wiedererkennungswert. Einzig ‚Fragen Sie nicht’ fehlt.
Die Spannung kann Christoph Marzi gewohnt gut halten, so dass man die Zwischenspiele mit angehaltenem Atem liest, in der Hoffnung, dass die eigentliche Handlung bald weitergehe.
Fazit
Eine gelungen fantastische Erzählung, die die alte Metropole in der Neuen Welt wieder auferstehen lässt. Zwar mit neuen Hauptdarstellern, an die man sich erst einmal gewöhnen muss, aber mit gleich bleibender Qualität und Mystik. Nur Wittgensteins Art hat mir enorm gefehlt!
Wertung
8/10 Punkten