Sind Vielleser unkritischer?

  • Sind Vielleser unkritischer?


      Angestoßen durch den Thread Welche Bücher habt Ihr im August gelesen? und den von mir gemachten Beobachtungen, daß nicht wenige Vielleser den Großteil der gelesenen Literatur gut (+) bis sehr gut (+) bewerteten, möchte ich euch folgende Frage stellen: Gehen Vielleser unkritischer mit dem Lesestoff um? Sind sie womöglich anspruchsloser?


      Ich möchte mich nicht als Vielleser bezeichnen, schließlich lese ich im Monat allerhöchstens sechs sorgfältig ausgewählte Bücher, dennoch finden sich darunter nur sehr wenige (meine Biblithek umfasst mittlerweile rund dreihundert Exemplare), welche ich als »sehr gut« weiterempfehlen würde.

    »Wer die Dummköpfe gegen sich hat, verdient Vertrauen.«
    Sartre

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  • sechst bücher reichen doch um als vielleser zu gelten. ich les sogar weniger...



    also mit einem sehr gut ++ geht ich eher sparsam um. die meitsen bücher haben es nicht verdient. vielleicht ein gut + wenn es nicht so schlecht war. ein neutral o jedoch zu vergeben fällt mir schwer.
    ich finde bücher eher sehr gut, gut, naja, oder schlecht. das ist wenn dann meine einteilung.
    vielleicht vergibt man wirklich zu schnell ein gut.
    harry potter... ich kann irgendwie nicht 100%ig sagen wie ich die bücher nun finde. ob sie nun gut sind oder nicht. naja? sind sie jedoch auch nicht so ganz. das wäre wohl eher neutral? :)
    naja...
    irgendwie stimmt es schon das vielleser unkritischer sind. bei einigen büchern vielleicht.

  • Zitat

    Original von RATTENTOD
    sechst bücher reichen doch um als vielleser zu gelten. ich les sogar weniger...


    Momentan hat sich die Zahl bei zwei bis drei eingependelt. Bei seichterer Lektüre dürften trotzdem sechs Bücher im annehmbaren Bereich liegen, auch wenn das schon etwas länger her sein müsste.

    »Wer die Dummköpfe gegen sich hat, verdient Vertrauen.«
    Sartre

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  • Hi!


    Ich kann nur aus eigener Erfahrung berichten, aber seit ich mich zur Vielleserin entwickelt habe bin ich bei der Auswahl meiner Bücher viel vorsichtiger als früher, wo ich schon mal wochenlang an einem herumgekiefelt habe. Klingt vielleicht unlogisch, aber wenn ich 10 Seiten am Tag lese, ist es für mich nicht so tragisch, wenn das Buch Schwächen hat. Aber um mehr Seiten am Stück lesen zu können ohne ungeduldig zu werden, müssen meine Bücher das gewisse Etwas haben.
    Außerdem habe ich vor allem in letzter Zeit ein recht glückliches Händchen bei der Auswahl entwickelt, so daß die wirklich schwachen Bücher tatsächlich erfreulicherweise selten geworden sind.
    Klar, Geschmack etc, mein Highlight des Monats ist für jemand anderen vielleicht der Schwachsinn des Jahrtausends :-), aber ich habe eben an mir die Beobachtung gemacht, daß ich durch das Viellesen anspruchsvoller geworden bin.


    Bye,


    Grisel

  • Hmm, gute Frage. Ich könnte eigentlich nicht sagen, daß ich unkritischer bin, nur weil ich viel lese. Ich achte sehr auf Schwachstellen in den Büchern, die ich lese. Und wenn dann eines zuviel hat, landet es gleich wieder unten im Regal. Solche Bücher bewerte ich dann auch nicht mit einem + oder gar mit ++.


    Auch ist es eben Geschmackssache. Der Eine bewertet ein Buch mit gut oder sehr gut, während der Andere das Buch einfach nur schei** fand. Wär ja schlimm, wenn wir alle den gleichen Geschmack hätten :-)

  • Es ist halt schwierig den Begriff "Vielleser" überhaupt vernünftig zu definieren. Wo für den Einen schon 2 Bücher im Monat viel sind, fängt es bei dem Anderen erst bei 5 oder 6 an herausfordernd zu werden sein persönliches Pensum zu schaffen.


    Ich vermute eher, dass "Vielleser" (wie man das auch immer definieren mag) mehr zu Kritik neigen. Wenn ich mich sehr intensiv mit etwas beschäftige, dann sammle ich dadurch Erfahrung auf dem Gebiet und werde mit der Zeit sehr viel besser wissen, was ich persönlich als gut bzw. schlecht empfinde.


    Das kann man ja auch recht gut im Alltagsleben feststellen. Wenn sich schon mal jemand hier eine neue Küche angeschafft hat, der weiß, dass nach dem fünften Besuch in diversen Möbelhäusern und Fachgeschäften man schon sehr viel schlauer ist über mögliche Features, als beim ersten Besuch. Oder beim Gebrauchtwagenkauf genauso. Da weiss ich auch, wenn ich mir die zehnte Karre angeguckt habe, worauf ich besser achten sollte. Meiner Meinung nach kann man das auch ohne Weiteres auf's Lesen übertragen.


    Wer nur ein Buch kennt, wird sich schwertun einen Vergleich zu ziehen. Wer viele Bücher kennt, wird sehr wohl besser beurteilen können, was subjektiv besser gefällt.


    Gruss,


    Doc

  • Da möchte ich mich Doc anschließen. Vielleser entwickeln mit der Zeit einen Geschmack, der sich ausgeprägter bemerkbar macht und wählen ihre Lektüre danach aus. Da aber jeder Mensch einen eigenen Geschmack hat, wird sich das auch in seinem Buchkonsum äußern. Wie Doc schon sagt: es ist halt subjektiv. Welch ein Glück, wenn es anders wäre, käme ja Langeweile auf. :lache

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

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  • Ich glaube nicht, daß man das pauschal beantworten kann. Es gibt Vielleser, die aus ihrer reichhaltigen Lektüre Gewinn ziehen, wählerischer werden etc.
    Aber ich kenne eine Menge Leute, die irre viel und irre schnell lesen, aber nur Schmonzes -- wenn ich das mal salopp ausdrücken darf. :grin
    Eine Bekannte von mir, eine gestandene Juristin, verschlingt Berge von Liebesromanen aller Art, und das völlig unkritisch. Sie kann sich nicht hinsetzen und etwas Anspruchsvolleres genießen, bei Murakami würde sie an der ersten Seite scheitern.
    Dann kenne ich Leute, die lesen massenweise Triviales (Krimis, Verschwörungstheorien, Thriller, "Historisches") und nehmen alles für bare Münze, obwohl sie im täglichen Leben wirklich clevere Leute sind.
    Wenn Dan Brown die "Freimaurer" zur großen Weltverschwörung hochstilisiert, dann sei das auch so. Das könne man doch nicht erfinden! Und einer verstieg sich sogar mal dazu, zu behaupten, hinter den Freimaurern stünde noch eine internationale jüdische (!) Organisation, die von Alan Greenspan geführt würde ----- aber hallo! :wow


    Alles Vielleser.


    Wie gesagt: die einen lesen und lernen dabei für sich, die anderen konsumieren bloß und verlieren die Differenz zwischen Realität und Fiktion aus den Augen. Es gibt beides.

  • Hallo,


    ich denke, Menschen lesen aus unterschiedlichen Gründen: um zu lernen, um Impulse zu bekommen, zur Unterhaltung und ich finde, man sollte nicht verurteilen, wenn jemand "Triviales" liest bzw. das, was man selbst als trivial bezeichnet. Das sagt weder was über Intelligenz noch Geschmack aus, sondern einfach, daß jeder Mensch anderes ist. Und wenn Menschen eben gerne Liebesromane lesen, ist das völlig okay. Es gibt gute und schlechte Liebesromane, aber auch das ist wieder Ansichtssache. Viele hochintelligente Menschen gucken sich RTL an oder Big Brother (gut, das verstehe ich nicht :grin, aber man muß auch das tolerieren).


    Ich denke, daß Vielleser oft auch Schnellleser vom Tempo her sind, daher auch sehr viel mehr Bücher bewältigen können. Verallgemeinern ob Vielleser weniger kritisch sind, kann man nicht. Auch Menschen, die wenig lesen, können unkritisch sein, wobei das eine Frage doch eher des Charakters und der Ansprüche ist.


    Weniger Ansprüche an ein Buch zu haben ist oft für viele schon negativ und viele pflegen gerne eine kritische Haltung zu Büchern und sind sehr schwer zufriedenzustellen. Das würde ich dann aber nicht automatisch mit kritisch gleichsetzen, sondern vielleicht manchmal mit übertrieben anspruchsvoll oder mäklerisch :grin. Manchmal sind aber Leser, die weniger Ansprüche habe auch flexibler in ihren Leseerwartungen und weniger festgefahren als Leute, die zuviel erwarten und sich dann nicht umstellen können (das passiert mir manchmal auch so, daß meine Erwartungen an ein Buch mich blockieren, dem Buch die Chance zu geben, sich anders zu entwickeln).


    Fazit: alles ist relativ :wave

  • Ich bin eher ein Schwall-Leser, das heißt, ich lese, wenn ich einen Leseanfall bekomme, und dann zwischen vier und zehn Romane innerhalb kürzester Zeit. Meistens handelt es sich um Romane ähnlichen Themas, sprich einer Serie oder wenigstens das gleiche Genre.
    Allerdings glaube ich nicht, dass ich durch diese Schnell-Leseanfälle unkritischer geworden bin, eher im Gegenteil. Ich muss manchmal bewusst die berühmte Fliege an der Wand übersehen, um ein Buch, das mich sonst interessiert, nicht aus der Hand zu legen.
    Passt mir jedoch eine längere Textpassage nicht, ist es mit diesem Buch rasch aus und ich suche mir etwas anderes. Auswahl habe ich zum Glück genug, allerdings bin ich dabei auch sehr heikel geworden.


    Liebe Grüße
    Gheron :wave

  • Grizzly , so ganz verstehe ich deine Frage nicht, muß ich zugeben.


    Unkritischer gegenüber was ? Allgemein, nur gegenüber neuen/anderen Büchern, Genres...was meinst Du genau? :gruebel


    Ansonsten: da ich, wie Gheron hier, manchmal regelrechte Leseanfälle habe und nach einem sehr guten oder sehr schlechten Buch manchmal wirklich pausieren will, weiß ich noch nicht mal, ob ich mich als Vielleser bezeichnen kann.


    Gruß
    baumbart

  • Hm.... ich glaube, wenn ich die meisten Bücher, die ich lese, nicht als gut einschätzen würde (d.h. "es war ein positives Leseerlebnis"), dann wäre ich die längste Zeit eine Vielleserin gewesen, ich bin doch nicht masochistisch...


    Die Frage ist halt, was für jemanden ein positives Leseerlebnis ist. Es kommt ja ganz drauf an, was ich von einem Buch erwarte. Sei das Unterhaltung, Ablenkung, Lerneffekt, geistige Anregung, ... Das dürfte bei jedem Leser anders aussehen, und ich würde das nicht werten wollen. Ein gutes Buch ist für mich ein Buch, das ICH gut finde.


    Ich hab zum Beispiel Hera Lind gelesen im August, und ich fand es "gut", weil es mir ein paar kurzweilige Stunden beschert hat. Jemand anders würde das Buch ebenso legitimerweise anders bewerten. Aber hier geht es doch gerade um das persönliche Leseerlebnis und nicht um den literarischen Wert eines Buches "an sich" - dafür sind wir hier ein LeserInnenforum, kein literaturwissenschaftliches.


    Die Ausgangsfrage und manche Antworten gehen mir zu sehr in die Richtung "Zwei-Klassen-Lesegesellschaft" und die Prämisse, nur ein "wertvolles", "anspruchsvolles" Buch sei ein gutes Buch.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    Original von MaryRead
    Die Ausgangsfrage und manche Antworten gehen mir zu sehr in die Richtung "Zwei-Klassen-Lesegesellschaft" und die Prämisse, nur ein "wertvolles", "anspruchsvolles" Buch sei ein gutes Buch.


    Möglicherweise habe ich mich mißverständlich ausgedrückt ...


    Ich denke, daß es viele Arten von Viellesers gibt, habe stellvertretend dafür quasi zwei Extreme (?) geschildert. Wahrscheinlich hängt es einfach von vielen Voraussetzungen ab, die ein Leser einfach mitbringt, denn - was für Autoren eine extrem interessante Erfahrung in Leserunden ist - in jedem Leser entsteht der Inhalt des Textes neu und keine zwei Leser machen mit demselben Text dieselben Erfahrungen.


    Insofern ist die Frage an sich eigentlich zu pauschal. :grin


    Außerdem hatten wir sie hier.schon mal. :grin


    Liebe Grüße,


    Iris :wave

  • Ich stütze mich auf die von mir gemachte Beobachtung (u.a. in besagtem Thread), daß ein guter Teil der Vielleser (ganz pauschal diejenigen, die ein schier übermenschliches, genreübergreifendes Pensum an Büchern in einem Monat vertilgen) den meisten dieser Bücher die Höchstwertung (in diesem Fall ++) geben. Deswegen richtete ich die Frage an euch, ob Vielleser (nicht pauschal, siehe vorgenommene Def.) mitunter weniger kritisch mit dem Gelesenen umgehen. Schließlich handelt es sich beim Schreiben auch um ein Handwerk, daß sich ebenso meiner Bewertung unterziehen möchte, wie das Sofa im nächsten Möbelhaus. Gefällt mir der Überzug nicht, ist die Qualität nicht bestechend oder stimmt es von den Maßen nicht, stelle ich mir das Sofa eben nicht ins Wohnzimmer, so sieht es doch aus.


    Die Frage ist daher keine Kritik am subjektiven Empfinden, sondern am kritiklosen Konsum. Ein Buch soll unterhalten, das steht nicht zur Debatte, sollte Unterhaltung allein jedoch hinreichend sein, ein Buch für gut oder, wie geschehen, sehr gut zu bezeichnen, dann bezeichne ich das gemeinhin als anspruchslos. Sehr gute Literatur ist, gemessen an objektiven (!) Normen und Maßstäben (subjektives Empfinden führt zur Verzerrung der objektiv wahrnehmbaren Realität), nunmal mehr als bloße Unterhaltung. Mir geht es hier gar nicht um das Heraufbeschwören einer zweiklassigen Leserschaft - wer das behauptet, ist ein Heuchler: interessanter ist die doch die Frage, nach welchen Kriterien wir heutzutage bestimmen, was gut und was weniger gut ist, angesichts eines überschwemmten Buchmarktes.


    Haben wir noch diesen Blick für das Wesentliche oder sind wir nunmehr so überfüttert, daß wir Kunst nicht mehr vom Handwerk unterscheiden können?

    »Wer die Dummköpfe gegen sich hat, verdient Vertrauen.«
    Sartre

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  • Grizzly , aber bevor ich für ein Sofa Geld ausgebe, überlege ich mir doch, was für ein Sofa ich möchte (basierend vielleicht auch auf schlechten Erfahrungen mit bisherigen Sofas, z.B. Leder, Schaumstoff etc.), und gucke mir genau an, was ich kaufe. Dann ist die Chance doch recht hoch, dass ich nachher ein Sofa in meinem Wohnzimmer habe, das mir gefällt.


    (Und ich weiss, der Vergleich mit dem Sofa hinkt, weil ein Sofa meistens eine grössere Anschaffung ist als ein Buch - aber er war nun mal von dir. ;-) )

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)