Der Brautmaler - Helle Stangerup

  • Kurzbeschreibung von amazon.de:
    London 1537: Hans Holbein der Jüngere ist Hofmaler Heinrichs VIII., des berüchtigten englischen Monarchen. Und er wird auf eine heikle Mission entsandt: Holbein soll europäische Prinzessinnen porträtieren, unter denen der König dann seine neue Gemahlin wählen will. Doch was, wenn sie sich nicht unbedingt durch Schönheit auszeichnen?


    Kurz nachdem sie Heinrich dem Achten endlich den ersehnten Thronfolger geboren hat, stirbt Jane Seymour, seine dritte Gattin, am Kindbettfieber. Doch es sind unsichere Zeiten, und ob mit der Geburt nur eines Sohnes der Thron bereits gesichert ist, ist ungewiss. Darum will Heinrich erneut heiraten, und so soll Hans Holbein, der berühmte Maler, in Europa umherreisen, um mögliche Heiratskandidatinnen zu porträtieren. Auf politischen Druck einflussreicher Kreise soll er manche Porträts schönen. Doch schönt er zu sehr, riskiert Holbein den Zorn des Königs.


    Meine Meinung:
    Ein historischer Roman muss, je nachdem in welche Richtung er gehen möchte, den Spagat zwischen präziser Recherche und mitreißender Geschichte wagen. Die Fakten scheinen auf den zweiten Blick dabei manchmal nicht ganz so spannend. Doch selten habe ich ein Buch gelesen, dass diese beiden Punkte so hervorragend zusammenfügt.


    Inhalt ist das Leben des berühmten Malers Hans Holbein der Jüngere. Geboren im Winter 1497/98 in Augsburg und gestorben zwischen am 29.11.1543 in London, vermutlich an der Pest. Ein kurzer Blick in das Thieme/Becker Lexikon zeigt, dass der Name von Reisegefährten auf seinen Reisen genauso historisch exakt ist, wie vieles andere, das ich stichprobenartig nachschlug. Die Geschichte spielt meist in London, Holbein wirkte dort von Mitte 1526 bis 1528 und von Ende 1532 bis 1543. Als Hofmaler Heinrichs des VIII. besitzt er ein üppiges und gesichertes Einkommen.


    Sein Platz scheint unersetzlich. „Dem König war es gleichgültig, denn er konnte jederzeit aus sechs Bauern sechs Earls machen, aber niemals aus sechs Earls einen Holbein“ (Seite 290) trifft den Nagel auf den Kopf. Als Hofmaler genießt Hans Holbein einen Ruf, der ihm nicht nur zahlreiche Aufträge zukommen lässt, sondern auch in eine prekäre Lage bringt. Als die dritte Gattin Heinrichs des VIII., Jane Seymour, verstirbt muss eine neue Dame an der Seite des Königs her. Doch einer solchen Heirat haftet Kalkül, politischer Berechnung und eine unsichere Note an.


    Die „Angebetete“ möchte man doch einmal vor der Vermählung gern sehen. Holbein wird auf mehrere Reisen nach Europa geschickt um mögliche Kandidatinnen zu porträtieren. So auch Anna von Kleve. Als Spielball der intriganten Mächte hinter dem König wird Holbein gezwungen ihr Bild zu schönen. Anna selbst gilt nicht unbedingt als hässlich, doch kann auch keineswegs als Schönheit bezeichnet werden. Als sie dem König, der seine Entscheidung auch aufgrund Holbeins Porträts traf, vorgeführt wird, ist dieser höchst erbost, die Hochzeit wird abgesagt.


    Übrigens, wer besagtes Bild einmal in natura sehen möchte, muss einen Abstecher nach Paris ins Louvre unternehmen. Holbein bleibt nach dieser Misere Hofmaler, ein Mitglied der königlichen Familie bannt er mit seinem Pinsel jedoch nie mehr auf die Leinwand. Besonders erfreut vor allem den Freund historischer Romane die saubere und sehr gewissenhaft ausgeführte Recherche des Buches. Viele kleine Nebengeschichten sollen zur Auflockerung beitragen, führen aber an manchen Stellen zu weit und lenken so vom Hauptstrang ab. Hier wäre weniger manchmal mehr gewesen.


    Dennoch schafft es die 1939 geborene und in Dänemark aufgewachsene Autorin Helle Stangerup ein lebendiges, ein spannendes und fesselndes Bild vom London des 16. Jahrhunderts niederzuschreiben und schafft dabei ein Werk, dass sich auf dem Feld der historischen Romane ganz und gar nicht verstecken muss.

  • Zitat

    ein Mitglied der königlichen Familie bannt er mit seinem Pinsel jedoch nie mehr auf die Leinwand.


    Dass es dazu nicht mehr kam, lag offenbar an Holbeins plötzlichem Tod. Wenn man dem Roman glauben darf, war Holbein doch noch mit einem Bildnis des Königs (allerdings ohne dessen Kinder) beschäftigt.


    Ich habe dieses Buch ebenfalls heute beendet.
    Meine Meinung:


    Dieses Buch zur Tudorzeit beschäftigt sich nur indirekt mit Heinrich VIII. Die Hauptfigur ist der Maler Hans Holbein der Jüngere, den interessierte Leser bereits im Buch "Bildnis einer jungen Frau" von Vanora Bennett näher kennengelernt haben. Als Hofmaler des Königs wird Holbein vom mächtigen Lordsiegelbewahrer Thomas Cromwell mehrfach auf den Kontinent entsandt, um mögliche hochadelige Ehekandidatinnen für den verwitweten König zu porträtieren. Nachdem sich eine Eheanbahnung mit Christina von Dänemark zerschlagen hat, setzt Cromwell sich eine Verheiratung des Königs mit Anna von Kleve in den Kopf. Er setzt Holbein mit erpresserischen Methoden unter Druck, die nicht sehr anziehende Prinzessin eher beschönigt als wahrheitsgetreu darzustellen, damit der König sie heiratet. Holbein fürchtet Cromwell, noch mehr aber fürchtet er den unberechenbaren König, der Menschen, von denen er sich getäuscht fühlt, gern einen Kopf kürzer machen lässt...
    Holbein wird als Charakter mit allen Facetten differenziert dargestellt mit seinen negativen Eigenschaften (Frauen gegenüber war er offenbar ein unzuverlässiger Weiberheld), aber auch den guten Seiten (Loyalität, besonders gegenüber der Familie von Thomas More).
    Der Roman ist sehr interessant und gibt einen guten Einblick in die Lebensumstände und Gefahren des täglichen Lebens jener Zeit. Mit dem Erzählstil hatte ich zunächst meine Schwierigkeiten. Die Sprache ist anspruchsvoll und angenehm zu lesen, aber die Autorin macht teilweise Gedankensprünge in der Erzählung, denen zu folgen vor allem für Leser, die in der Geschichte der Tudors unbewandert sind, etwas schwierig sein dürfte.
    Beispiel:





    Jedenfalls ist es ratsam, das Buch aufmerksam und konzentriert zu lesen, für die Lektüre nebenher ist es inhaltlich zu anspruchsvoll. ;)


    Im Nachwort erläutert die Autorin das spätere Schicksal der wichtigsten Personen. Ich hätte gern auch noch Abdrücke der zahllosen im Buch genannten Gemälde Holbeins gehabt, wenn das auch bei Romanen unüblich ist, so hätte es sich hier auf alle Fälle gelohnt.


    ---> Empfehlenswert, wenn man Zeit und Ruhe zum Lesen hat.

  • Zu dessen Tod war er, laut Buch, mit einem Bild beschäftigt, dass den König zwar zeigte, jedoch zusammen mit Apothekern, Barbieren und Ärzten, die sich zu einer Art Zunft zusammenschlossen. Hierzu mussten sie die "Erlaubnis" von Heinrich des VIII. einholen. Daher auch ein Bild zusammen mit dem König.


    Auftraggeber war diese "Zunft", und nicht der König.


    [EDIT]: Wer sich die Bilder Holbeins mal anschauen möchte, findet eine Auswahl von Standorten seiner Werke auf http://artfacts.net (einfach nach Holbein suchen) sowie im Thieme/Becker Lexikon.

  • Zitat

    Du hast natürlich insofern Recht, dass Holbein nach seinem "Gesichtsverlust" bei Hofe noch ein Mitglied der könglichen Familie malte. Ich weiß allerdings nicht, ob Heinrich VIII. für das angesprochene Bild noch Modell stand.


    Ich habe es mir so vorgestellt, dass er noch Modell stand, bzw. saß, weil Holbein überlegte, wie er das geschwürige Bein überspielen könnte. Also muss der König ziemlich zeitnah für das Sammelporträt gesessen haben, als das Bein schon so dick war, dass man die Schwellung durch den Strumpf sehen konnte. :gruebel

  • Zitat

    Original von smog
    ...
    Viele kleine Nebengeschichten sollen zur Auflockerung beitragen, führen aber an manchen Stellen zu weit und lenken so vom Hauptstrang ab. Hier wäre weniger manchmal mehr gewesen.
    ...


    "die Autorin macht teilweise Gedankensprünge in der Erzählung, denen zu folgen vor allem für Leser, die in der Geschichte der Tudors unbewandert sind, etwas schwierig sein dürfte.
    ...
    Jedenfalls ist es ratsam, das Buch aufmerksam und konzentriert zu lesen, für die Lektüre nebenher ist es inhaltlich zu anspruchsvoll."(enigma)


    beides kann ich voll :write
    ich weiß nicht, wie weit ich mich in der geschichte der tudors für bewandert einstufen würde, habe aber - wenn auch schon vor so vielen jahren, dass mir die buchtitel gerade nicht einfallen wollen - mindestens 2 bücher über holbeins aufenthalt gerade im hause more gelesen und die stellen, die auf diesen seinen aufenthalt bezug nehmen, sind meine highlights.
    alles andere ist zT so "weit geschwiffen" und "hüpfig", dass es wirklich seeehr viel konzentration und geduld erfordert.

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

  • Ein etwas ungewöhnlicher Roman, der nicht ganz einfach zu lesen ist.
    Vor allem, wenn man die geschichtlichen Hintergründer dieser Zeit nicht kennt.
    Ich habe das Buch vor allem deswegen gekauft, weil ich einerseits ein alter Englandfan bin und über die vierte Gattin von Heinrich VIII Anna von Kleve etwas mehr erfahren wollte.
    Natürlich handelt dieses Buch nicht nur von Anna und dem Gemälde, welches von ihr für Heinrich VIII gemalt werden soll, sondern auch über den Maler selbst, über seine familiären Verhältnisse und seine Zeit.
    Auch davon, wie gefährlich es sein kann, um Umfeld von Heinrich VIII tätig zu sein.
    Es ist ein etwas außergewöhnliches Buch und hat mich sehr angesprochen.
    LG Hedwig :wave

  • Das Buch wandert gleich auf meine Wunschliste. Ich kenne von der Autorin noch nichts. Doch da ich auch ein alter England-Fan bin, fällt das Buch genau in mein Beuteschema. Über Anna von Kleve würde ich auch gerne mehr erfahren.


    LG Carina

  • Hallo Carina, nun melde ich mich endlich mit Bild - Walhai..... :knuddel


    Wenn Du Dich für die Anna von Kleve interessierst kann ich Dir dahingehend von Philippa Gregory "Das Erbe der Königin" empfehlen.
    Hat mir sehr gut gefallen, es geht in dem Buch um Anna von Kleve, die arme Katharina Howard und deren Kammerfrau.
    Meine Rezi findest Du bei Amazon.
    LG Hedwig - Walhaischwimmerin :wave

  • Hallo Hedwig,


    tolles Bild. Muss mir auch endlich mal eines hochladen.
    Danke für den Tipp, habe deine Rezension bei amazon gelesen. Das klingt sehr vielversprechend. Wo soll ich nur die Zeit hernehmen die ganzen interessanten Bücher zu lesen?


    LG Carina

  • Liebe Carina, ich kann Dir auch nur Bücher empfehlen, welche mir gut gefallen haben, zum Zeitproblem habe ich leider so gar keine verwertbaren Ideen, habe ja das gleiche Problem, aber als echter Sammler muss ich einfach alle neuen interessanten Bücher haben und ja, dann fehlt mir die Zeit zum Lesen, nur wenige schaffen es also, von mir gelesen zu werden, der Rest wartet geduldig im Regal. :-)
    Das Hochladen des Bildes war gar nicht so einfach, weil man darf nur sehr kleine Formate verwenden, den (unseren) Walhai so zu verkleinern, war also gar nicht so einfach. :pille


    LG, Deine Hedwig :wave