Gedichte 1965 – 1971
Amman Verlag
Gebundene Ausgabe: 205 Seiten
Aus dem Arabischen übersetzt und herausgegeben von Stefan Weidner
Buchvorstellung und erster Eindruck:
Kurzbeschreibung
Adonis zeigt, daß der Orient sich durchaus für eine Moderne aussprechen kann, ohne seine kulturelle Identität preiszugeben, wie es die reaktionären Kräfte stets behaupten. Die alte arabische Tradition des Wortes und des Hörens, eines Wortes, das auch der Muezzin vom Minarett herab verkündet, will er bewahren und verteidigen. Anstatt die Kultur des Westens zu übernehmen, gilt es, dem Westen abzuschauen, wie man die eigene Kultur von innen heraus kritisiert. Und so sind denn seine Verse eine poetische Kampfansage an das religiöse Establishment, die rückwärtsgewandten Kräfte und die Vertreter der rein äußerlichen, technischen Rezeption westlicher Errungenschaften. Der zweite Band der groß angelegten Werkausgabe Adonis' enthält seine frühen Gedichte, die bereits den großen Meister zeigen. Der 1930 geborene Adonis gilt der bedeutendste arabische Dichter unserer Zeit - ein moderner Klassiker, der es wie kein zweiter versteht, eine Synthese zu schaffen zwischen der großen Tradition der arabischen Dichtung und der modernen westlichen Lyrik. Gerade diese Polyphonie ist die Lesern verschiedener Herkunft den Zugang zu seinem Werk ermöglicht.
Über den Autor
Adonis, 1930 unter dem Namen Ali Ahmed Said Esber in Syrien geboren. Als junger Poet schickt er seine Gedichte an eine Zeitschrift. Ohne Erfolg. Erst als er ein zuvor abgelehntes Gedicht unter dem Pseudonym Adonis nochmals einreicht, wird es angenommen und veröffentlicht. Und er behält dieses Pseudonym bei. Adonis lebt heute als libanesischer Staatsbürger in Beirut und Paris. Mit Joseph Brodsky, Derek Walcott und Seamus Heaney gehört er zu den großen Dichtern unserer Zeit.
Erster Eindruck:
Adonis Gedichte sind im ersten Moment so rätselhaft, dass man auch gleich die arabischsprachige Fassung lesen könnte. Die arabische Version der Gedichte befindet sich übrigens sehr schön kalligraphisiert auch gleich links der deutschen Texte, die sich mal wie Prosa mal in freier Versform lesen lassen.
Dass Adonis Vortragsweise auch ohne arabische Sprachkenntnisse beeindruckend ist, konnte ich vor ein paar Jahren live bei einem Lyrikfestival erleben.
Das Titelgedicht aus dem Jahr 1971 ist fast reine Prosa und meint nicht direkt den 11.September 2001, wenn es ihn vielleicht auch vorausahnt. Adonis begegnete damals einem Amerika mit großem Einsatz des Kapitalismus, Rassenproblemen und der Aktualität des Vietnamkriegs.
Adonis Lyrik ist weniger üppig als man von arabischen Werken erwartet, trotzdem sind einige Gedichte sehr lang und gehaltvoll. Dabei sind sie deutlich modern gehalten.
Eine religiöse Komponente ist in Adonis Gedichten enthalten, aber mehr im Sinne eines mythischen Ansatzes. So sind auch die Odyssee und andere Einflüsse vorhanden.
„Ein Grab für New York“ schließt unmittelbar an das erste Gedichtband Die Gesänge Mihyârs des Damaszeners an.
Mihyars, so nennt der der Dichter sein altes Ego in den Gedichten, der lyrische Protagonist, wie ihn der Herausgeber und Übersetzer vom lyrischen Ich abgrenzt.
Stefan Weidner hat ein interessantes und informatives Nachwort angehangen, das einen aber zunächst erschlägt mit Heidegger- und Nietzsche-Bezügen sowie einen Hölderlin-Einfluß auf Adonis.
Das Werk Adonis ist so gehaltvoll, dass Stefan Weidner ein eigenständiges Buch „Und sehnten uns nach einen neuen Gott" - über Poesie und Religion im Werk von Adonis herausbrachte.
Mir gefällt an diesem Gedichtband die unverkennbare Energie des Dichters und dass eine Eleganz mit großer Kraft im Einklang steht.
Abschließend möchte ich noch kurz einen Überblick über den Inhalt des Buches geben:
Das Theater und die Spiegel
Die zerbrochene Zeit
Vier Lieder für eine Garbe Schilf
Vier Lieder für Timur
Spiegel und Träume um eine zerbrochene Zeit
Zaubersprüche für die Städte Al-Ghazalis
Das Kapitel der Spiegel
Spiegel für Khalida
Spiegel für den Weg und die Geschichte der Zweige
Das Antlitz des Meeres
Dies ist mein Name
Ein Grab für New York