Wittgensteins Neffe - Thomas Bernhard

  • Kurzbeschreibung:


    "Ich dachte, dass ich m”glicherweise in meinem ganzen Leben keinen besseren Freund gehabt habe."
    Der gemeinsame Aufenthalt im Sanatorium ist Anlass für Thomas Bernhard, sich an vergangene Zeiten mit seinem Freund Paul Wittgenstein zu erinnern an Gespräche über Musik, an gemeinsame Ausflüge durch österreichische Kleinstädte, an Besuche im Cafe Sacher oder die skandalöse Verleihung des österreichischen Staatspreises. Das liebevolle Protokoll einer Freundschaft, einer Leidens- und Sterbensgeschichte.


    Autorenporträt:


    Thomas Bernhard, am 9. Februar 1931 in Heerlen/Niederlande geboren, starb am 12. Februar 1989 in Gmunden/Oberösterreich.



    Eigene Meinung:


    Doch so typisch und doch so anders, als Bernhard sonst schreibt. Thomas Bernhard porträtiert in diesem Buch Paul Wittgenstein, Neffe des berühmten Philosophen Ludwig Wittgenstein, der scheinbar selbst eine Berühmtheit in Wien war und der ein Freund Bernhards war. Es beginnt mit einer Szene, in der sich die beiden an ihrem Schicksalsberg befinden, den Whilhelminenberg in Wien. Bernhard befindet sich im Pavillon Hermann, wo die Lungenkranken untergebracht sind und Wittgenstein im Pavillon Ludwig, wo die Nervenkranken untergebracht sind.


    Bernhard beschäftigt sich mit den letzten zwölf Jahren im Leben Pauls, von ihrem Kennenlernen, der gemeinsamen Leidenschaft der Musik bis zum Tod Pauls. Auch wenn die Person Pauls dabei im Zentrum steht und vor allem auch die Berührungspunkte mit der Biographie Bernhards, so handelt es sich thematisch doch um ein für Bernhard typisches Werk, wenn auch in Hinblick auf die Würdigung Wittgensteins sehr offen. Dieses Wort trifft es zwar auch nicht wirklich, mir fällt aber dazu fast kein besseres ein, vor allem seit ich auf dem Buchrücken die Einschätzung Marcel Reich-Ranickis gelesen habe, der mit dem Satz „Nie hat Bernhard menschenfreundlicher, nie zärtlicher geschrieben.“ dort zitiert wird, sind meine eigenen Worte dafür teilweise wie weggelöscht. Man erkennt jedenfalls die tiefe Verbundenheit Bernhards zu Paul Wittgenstein, der diesen deswegen aber nicht schönfärbt – glaub ich halt, ich habe von ihm zuvor noch nichts gehört und Wikipedia ist auch nicht allzu ergiebig – und auch seine eigene Freundschaft zu Paul schonungslos - in bezug auf mögliche eigene Fehler – darstellt.


    Es handelt vom kranken Menschen, der Krankheit, dem Sterben, dem Verfall, der Vereinsamung, der Musik, der Stadt- und dem Landleben, der Literatur, Wien und auch von Bernhard selbst, insofern ist auch die Beschreibung des Verlags zutreffend, dass es sich hierbei gewissermaßen um eine Fortführung der autobiographischen Schriften Bernhards handelt, womit die Jahre 1967 – 1979 abgedeckt werden. Dabei spielen vor allem auch immer wieder die Reaktionen auf seine Literatur eine große Rolle, von einer Schwester in der Lungenheilanstalt, die ihm gewissermaßen tadelnd sein neuestes Buch „Verstörung“ aufs Bett legte, bis zur Verleihung des Staatspreises für Literatur samt Eklat oder seiner Einstellung zu Preisen an sich, oder der Uraufführung eines seiner Stücke am Burgtheater.


    Sprachlich ist es wieder ein typischer Bernhard. Keine Kapitel. Sehr oft kommen sich refrainhaft wiederholende Stellen vor. Sehr oft werden wieder einzelne Wörter und Wendungen durch kursiv Schreibung hervorgehoben und besonders betont. Wie immer auch sehr lange und verschachtelte Sätze, die wie Butter runtergehen. Also einfach traumhaft zu lesen.




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  • Bei solchen Empfehlungen tue ich mir immer schwer, aber bei Bernhard hat mir bis jetzt - bis auf eine Kurzgeschichtensammlung - alles gefallen. Ich habe damals mit dem Drama "Heldenplatz" begonnen, als wir in Deutsch die Burgtheatervorführung auf Video anschauten (gibt es mittlerweile auf DVD). Das Stück hat mir sehr gut gefallen, darin findet sich auch sehr viel typisches von Bernhard, thematisch als auch sprachlich. Inhaltlich geht es um den Antisemitismus in Österreich in den 80'gern. Das Stück verursachte auch einen großen öffentlichen Eklat. Auch die Inszenierung vom Burgtheater ist perfekt gelungen.


    Als einen Prosaeinstieg würde sich glaub ich "Holzfällen" gut eignen. Ich finde auch seine autobiographischen Schriften (Die Ursache, Der Keller, Der Atem, Die Kälte, Ein Kind) sehr empfehlenswert. In den Amazonrezensionen wird auch "Wittgensteins Neffe" als Einstieg empfohlen. Bis zu seinen Werken, die als schwer zugänglich bezeichnet werden, bin ich aber selbst noch nicht vorgedrungen.


    Sprachlich sind im Grunde alle sehr ähnlich. Thematisch begegnen sich auch alle immer wieder. Ich finde auch keines der bisher gelesenen schwer zugänglich.

  • Danke für deine Empfehlung, taciturus! :wave


    Zitat

    Original von taciturus


    Als einen Prosaeinstieg würde sich glaub ich "Holzfällen" gut eignen.


    Dann werde ich hiermit wohl auch beginnen und ich bin schon gespannt, wie mir Thomas Bernhard gefallen wird. Ich hatte bisher eben auch häufig gehört, dass seine Texte eher "schwer zugänglich" sind und das hatte mich bisher abgeschreckt. Jetzt werde ich aber zumindest mal einen Versuch wagen.

  • Zu meinen Lieblingen gehört er zwar nicht, der Thomas Bernhard. Aber das klingt so interessant, dass ich es fast werde lesen müssen.
    Danke für die schöne Rezi.

  • Titel: Wittgensteins Neffe

    Autor: Thomas Bernhard

    Verlag: Bibliothek Suhrkamp

    Erschienen: Dezember 1982

    Seitenzahl: 163

    ISBN-10: 3518017888

    ISBN-13: 978-3518017883

    Preis: 12.80 EUR


    Mit diesem Buch führt Thomas Bernhard seine Autobiographie fort, es ist die Geschichte von Paul Wittgenstein, dem Neffen Ludwig Wittgensteins. Aber dieses Buch ist mehr als Autobiographie, es ist nicht nur die Geschichte einer Freundschaft, es ist auch eine Selbstreflexion.


    Wittgenstein stammt aus einer der reichsten Familien Österreichs und leidet seit seinem 35. Lebensjahr an einer Nervenkrankheit. Er verschenkt sein Vermögen, bis er irgendwann selbst verarmt und mittellos dasteht. Wittgenstein vereinsamt – und nur Thomas Bernhard hält zu ihm regelmäßigen Kontakt.


    Mit großer Intensität schildert Thomas Bernhard seine Freundschaft zu Paul Wittgenstein – aber es ist auch eine Reise zu sich selbst. Mit großer Offenheit lässt uns Thomas Bernhard an seinem Denken und Fühlen teilhaben, dabei aber immer die große Empathie gegenüber seinem Freund Paul Wittgenstein. Ein Buch über einen Freund, ein Buch über sich selbst – ein Buch das aber weder „Ich-bezogen“ noch unkritisch ist.

    Leicht resignativ, manchmal auch ein wenig depressiv – und trotzdem immer auf das Licht am Ende des Tunnels blickend, so beschreibt Thomas Bernhard diese Freundschaft.


    Thomas Bernhard (1931-1989) war einer der bekanntesten österreichischen Erzähler des zwanzigsten Jahrhunderts. Er wuchs in Wien und in Seekirchen am Wallersee auf, wurde für kurze Zeit in ein Heim für schwer Erziehbare geschickt, brach seine Schulausbildung ab und wurde Kaufmannsgehilfe. Von 1947 bis 1948 arbeitete er als Lehrling. Dabei zog er sich eine Lungenentzündung zu, die sich zur Tuberkulose ausweitete. 1970 wurde Thomas Bernhard mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.


    Ein sehr lesenswertes Buch, viel mehr als eine Autobiographie. 8 Punkte

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.