Was ist ein schlechtes Buch?

  • Hallo Licht,


    Begriffen wie "gut" und "schlecht" sind nie absolut. Alles, was wir bewerten, ist in irgendeiner Form von unserer Wahrnehmung bestimmt. So etwas wie absolute Objektivität gibt es nicht. Soviel zur Philosophie.


    Trotzdem gibt es Kriterien, an denen Bücher bewertet werden.
    Jeder Lektor/Verlag/Agent macht das.


    Für einen Verlag ist gut vermutlich gleichbedeutend mit "läßt sich massenhaft verkaufen".
    Trotzdem glaube ich fest daran, dass auch die großen Verlage gewisse Qualitätsmerkmale an einen Roman legen.


    So wie ich es als Leser.




    Erstens:
    Ich traue mir durchaus zu, auch hochkomplexe Plots halbwegs zu verstehen. Ich merke, ob ich überfordert bin, weil mir irgendein Fachwissen fehlt oder ob der Autor geschlampt hat.
    Zweitens:
    Es ist die Aufgabe des Autors, komplizierte Dinge dem Leser verständlich darzustellen (der Leser hier als "Mehrheit derjenigen, die das Buch lesen").
    Schafft er es nicht, hat er an dieser Stelle versagt.
    Daraus folgt:
    Der Plot eines Buches bleibt es ein Qualitätsmerkmal, denn entweder hat der Autor geschlampt, weil der Plot unlogisch ist oder der Autor hat geschlampt, weil ihn niemand durchschaut.


    Zitat

    Original von licht
    "- schlampige Recherche des Autors (besonders bei historischen Romanen)"


    Es ist ja auch möglich, dass die Recherche schon OK ist, und ich einfach selbst über nicht genug Ahnung verfüge, das zu beurteilen, oder?


    Klar, aber wenn ich mit meinem Schul-Geschichtswissen beim ersten Lesen SOFORT 100 Fehler finde, dann hat der Autor in der Recherche geschlampt.
    Die Recherche ist niemals zu unterschätzen, denn hier steht die Glaubwürdigkeit eines Autors auf der Waage.
    Und auch hier gibt es durchaus den einen oder anderen Bereich, in dem ich mir zutraue, eine schlampige Recherche zu erkennen.
    Also bleibt auch die Recherche als Qualitätsmerkmal stehen.



    Zitat

    Original von licht
    "- mangelndes Ausdrucksvermögen des Autors, eintönige Beschreibungen, unnötige Wortwiederholungen, unpassende Bilder und derlei schöne Dinge"


    Es ist ja auch möglich, dass, was mir als mangelndes Ausdrucksvermögen erscheint, ein Stilmittel ist, das mir nicht gefällt, oder?


    Entschuldigung, aber wenn ich mangendes Ausdrucksvermögen schreibe, dann meine ich, dass der Autor Begriffe/Bilder falsch verwendet. Das sind dann die Stellen im Aufsatz, wo die Deutschlehrer dann immer ein großes rotes A (=Ausdruck) hinschreiben.
    Ich behaupte, dass ein Leser sofort merkt, ob die Ausdrucksschwäche in Stilmittel ist, weil z.B. aus Sicht einer Figur geschrieben wird, die halt eine Ausdrucksschwäche hat, oder ob die Ausdrucksschwäche eher beim Autor zu verorten ist.
    Wenn bestimmte Situationen immer mit den selben Worten beschrieben werden, die ausgelutschtesten Bilder verwendet werden oder vollkommen schräge Vergleiche, die einfach nicht stimmig sind, dann stört das beim Lesen.
    Auch hier bleibe ich dabei: auch das ist ein Qualitätsmerkmal.



    Zitat

    Original von licht
    Ähnliches gilt für die zeichnung von Figuren und möglicherweise vermeintliche Klischees.
    Es könnte auch sein, dass das, was als überflüssig empfinde anderen gerade besonders gefällt...


    Klischees sind Klischees, die erkennt jeder. Das ist nichts, was ich persönlich so empfinde. Klischees sind allgemeingütlig.
    Und Überflüssig ist, was weder die Geschichte, noch die Figuren weiterbringt. Wenn ich also in einem Buch minutiös nachlesen kann, wie eine Figur den Abwasch macht, aber damit weder die Figur charakterisiert wird noch der Abwasch später noch mal irgendeine Rolle spielt, dann ist das völlig wurscht, ob da nun gelbe Tassen oder rote Teller abgespült werden und es interessiert mich auch nicht, ob mit Bürste oder Schwamm.
    Anderes Beispiel: in einem Thriller ist seitenweise aufgelisten, welche Klicks in einem Bibliothekskatalog gemacht werden => ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass diese Aufzählung besonders viele Fans hat ... :-)



    Zitat

    Original von licht
    Bis auf die Frage nach der Recherche, die wenigstens weitgehend nachprüfbar ist, sind alle diese Kriterien sind doch ganz persönliche Kriterien, die mir mißfallen können, andere wiederum besonders gelungen finden. Darum das Prädikat "schlecht" zu wählen, halte ich für unklug. Oft fällt ein solches Urteil auf den zurück, der es ausstellt.


    Sicher gibt es auch Leute, die einfach nicht schreiben können, weil ihnen das Handwerkszeig dazu fehlt. Jedoch ist selbst dann das pauschale Urteil "schlecht" wenigstens unpassend und wenig hilfreich, was ich mir selbst schon kritisch sagen lassen mußte. Es gibt immer noch die Möglichkeit, differenziert Stärken und Schwächen eines Textes zu benennen.


    Wie ich schon geschrieben habe, heißt ein Patzer für mich nicht automatisch, dass ein Buch schlecht ist. Und natürlich wird jedes Buch in seinem Rahmen gesehen, d.h. bei einer Liebesschnulze ist die Gewichtung der einzelnen Punkte anders als beim Krimi.
    Wenn aber 3 oder 4 eklatante Schwächen im Buch drin sind, dann verleidet mir das meinen Lesegenuß und dann ist das Buch schlecht. Ich habe kein Problem damit, das dann auch so zu sagen. Warum sollte es auf mich zurückfallen, wenn ich als mündiger Leser mein Urteil fälle und es anhand des vorliegenden Textes auch begründen kann? Ich stelle mich ja nicht hin und sage: "Das Buch ist schlecht, weil's mir nicht gefallen hat." Ich begründe. Immer.


    Natürlich hast du recht, wenn du sagst, Leuten, die nicht schreiben können, hilft ein pauschales "Schlecht" nicht weiter, aber hier ging es um die Frage, was ist ein schlechtes Buch, d.h. wir reden hier nicht von Fanfiction oder den ersten Texten werdender Autoren, sondern von bereits fertigen und veröffentlichten Texten. Und wie gesagt, ich urteile nie pauschal, sondern begründe mein Urteil. Dann kann jeder selbst entscheiden, ob er/sie vielleicht ganz anders denkt. Jedem ist etwas anderes am Text wichtig.


    Liebe Grüße,
    Monika

  • Zitat

    Original von Bell


    Gibt es denn ein Buch, dass Du als objektiv schlecht bezeichnen würdest, denn es klingt ja nun doch so, als wäre es so? Und ich habe ja auch nie gesagt, dass es etliche schlechte Bücher gäbe.


    Hm, das ist schwierig, denn so spontan fällt mir da wirklich kein Buch ein (dafür hab ich aber auch möglicherweise zu wenig gelesen). Die meisten Bücher, die ich bis jetzt als schlecht empfand, haben mir einfach nicht zugesagt. Da lag es sicher nicht nur am schlechten Schreibstil. Das zweite Buch von Paul Cleave (Die Stunde des Todes, glaub ich) käme da vielleicht noch in Frage. Aber da kann ich auch schlecht objektiv etwas sagen, weil ich den Schreibstil so unterirdisch und die Geschichte so schlecht konstruiert fand, dass ich ab der Hälfte nur noch quergelesen habe :gruebel

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  • Zitat

    Original von Gummibärchen


    Hm, das ist schwierig, denn so spontan fällt mir da wirklich kein Buch ein (dafür hab ich aber auch möglicherweise zu wenig gelesen). Die meisten Bücher, die ich bis jetzt als schlecht empfand, haben mir einfach nicht zugesagt. Da lag es sicher nicht nur am schlechten Schreibstil.


    Hm. :gruebel Du bist ja sicher einige Jährchen jünger als ich.
    Ob man wohl als Leseratte "mit den Jahren" automatisch kritischer wird?
    Es geht mir ja beim Betrachten von Bildern und beim Restaurantbesuch ebenso.
    Manches, was mich früher noch begeistert hat, sehe ich da auch differenzierter.
    Das wird doch nicht etwa das Einsetzen der "Altersbissigkeit" sein? :gruebel :grin


    Andererseits wird die Zeit ab fünfzig einfach kostbarer, da möchte man keine Zeit mehr darauf verwenden, ein "schwaches" Buch fertigzulesen.

  • Ich weiß nicht, wie alt du bist, aber 50 bin ich noch nicht. Außerdem hab ich 10 Jahre kaum gelesen ;-)
    Natürlich wird man, denke ich, mit den Jahren kritischer. Das ist auch gut so. Aber ich glaub auch nicht, dass jeder genauso kritisch wird. Auch das bleibt unterschiedlich, denk ich. Und ich habe halt viele durchschnittliche Bücher gelesen, aber kaum eines, das wirklich unterirdisch war.

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  • Zitat

    Original von bertrande
    Andererseits wird die Zeit ab fünfzig einfach kostbarer, da möchte man keine Zeit mehr darauf verwenden, ein "schwaches" Buch fertigzulesen.


    Ist die Zeit nicht immer kostbar? :zwinker


    Ich denke auch, dass man kritischer wird, je mehr und je länger man liest. Aber (ohne persönlich werden zu wollen) ich vermute auch, dass manche Menschen gar nicht kritischer werden, sondern sich nur einfach in einer Spur festfahren - anders formuliert: Der Geschmack, welche Genre man gerne liest, bildet sich bei vielen Leuten ja erst mit der Zeit heraus, denke ich mir. Und irgendwann gelangt man dann vielleicht an einen Punkt, wo nur noch bestimmte Bücher gelesen werden (eben solche, die auf den herausgebildeten Geschmack zutreffen), und alle anderen Bücher entweder gar nicht gelesen oder abgebrochen werden, weil man sie als "schlecht" empfindet - oder eben vielleicht einfach nur "nicht gut genug für den eigenen Geschmack".


    Ich weiß nicht so ganz, wie ich das erklären soll ... Man entwickelt ja Vorlieben - der eine mag kurze Sätze, die nur das Wichtigste aussagen, der andere liebt es detailreich und ausschweifend - und was für den einen wunderbar ist, findet der andere furchtbar, also schlecht.


    Aber vielleicht könnt ihr mir ja trotzdem folgen ... :gruebel


    P. S.: Ich habe jetzt übrigens nur eure beiden letzten Beiträge gelesen, bertrande und Gummibärchen!

  • Iszlá : Ich glaub, ich kann dir folgen ;-) Ich denke, ich bin nicht sooo kritisch. Erstens, weil ich einfach eben noch nicht soviel gelesen habe, würd ich sagen (man kann sich doch erst eine Meinung bilden, wenn man einen Überblick hat und den hab ich in meinen Augen noch nicht, zumindest nicht in dem Ausmaß, in dem ich ihn haben möchte). Zweitens bin ich relativ offen, was Genres angeht. Gut, historische Romane sind nicht so mein Ding und Vampirzeug auch nicht. Aber da geh ich auch nicht dran und kann somit ja weder loben noch kritisieren. Ich würde jetzt aber nicht hingehen und sagen "Buch XY ist schlecht, weil da Vampire spielen". Ich mag sie nicht, aber das ist auch alles.


    Was die Vorlieben für Stil angeht, hast du recht.


    Und ohne jemanden bestimmten zu meinen - es könnte ja auch sein, dass man als Mensch von natur aus "kritischer" (oder unzufriedener) ist und auch mehr Bücher abbricht als der Durchschnitt :grin

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  • Für mich ist das Buch definitiv schlecht, wenn ich mich nicht hineinversetzen kann und wenn das Buch nach ein paar gelesenen Seiten dann erst mal weggelegt wird und ich dann keine Lust habe, weiterzulesen...


    Das ist dann für mich ein schlechtes Buch.

    Wenn man von dem getötet wird, den man liebt, hat man keine Wahl.Wie kann man fliehen,wie kämpfen, wenn man damit dem Liebsten wehtun würde? Wenn das eigene Leben das Einzige ist, was man dem Liebsten geben kann, wie kann man es ihm dann verweigern?

  • Hallo,
    wenn ich nachdenke, habe ich eigentlich noch nie ein Buch gelesen, dass ich mit
    schlecht bewerten würde (kann sein, weil ich zu wenig Bücher gelsesen habe).
    Es gibt sicher Bücher, die ich als etwas langweilig empfinde, z.B. wenn die
    Handlung nicht so richtig vorran geht. Aber ich würde das Buch dann nicht direkt
    als schlecht bezeichnen. Dafür könnte es dann einen gelungen Einstieg oder
    Ausgang haben.
    Also so richtig definieren könnte ich das jetzt nicht.
    bis dann :wave
    fantasy

    wer nicht liest, ist nicht besser dran,
    als jemand, der nicht lesen kann

    Herrmann Simon, dt. Wirtschaftswissenschaftler, 1947