Kurzbeschreibung des Buches - Klappentext
Istanbul in den siebziger Jahren: Kurz vor seiner Verlobung trifft Kemal, ein verwöhntes Mitglied der jeunesse dorée, zufällig eine entfernte arme Verwandte als Verkäuferin in einem schicken Laden wieder. Seine Familie hat vor Jahren den Kontakt abgebrochen, weil sie sich an einem Schönheitswettbewerb beteiligte. Füsun ist blutjung, naiv, wunderschön, und ziert sich nicht lange, als Kemal sie in seine Junggesellenwohnung lockt. Was als Affäre begonnen hat, wächst sich bald zu einer Obsession aus, doch das hindert Kemal nicht daran, das Verhältnis mit Sibel, seiner Verlobten aus besseren Kreisen, fortzuführen. Nach dem rauschenden Fest, das aus Anlass der Verlobung gegeben wird und zu dem er auch Füsun eingeladen hat, lässt sie sich nicht mehr blicken. Völlig verzweifelt erkennt Kemal, dass er Füsun über alles liebt. Doch es ist zu spät: Sie hat einen anderen Mann geheiratet, und Kemal besucht sie und ihre Familie jahrelang unter fadenscheinigen Vorwänden, versucht, sie zurückzugewinnen. Bei seinen Besuchen entwendet er systematisch kleine, wertlose Gegenstände, die er bei sich hortet. Und der Roman, den wir lesen, ist der kommentierte Katalog eines Museums, das ebendiesen Namen trägt: Das Museum der Unschuld.
Orhan Pamuk portraitiert in seinem neuen Roman eine Gesellschaftsschicht, die in vielem, nicht zuletzt in ihren sexuellen Anschauungen und Gewohnheiten, ganz und gar westlich schein und doch noch traditionelle Züge trägt - ein Kontrast, der subtile Ironie erzeugt. Darüber hinaus erzählt das Buch die ungewöhnliche LIebesgeschichte eines ungewöhnlichen Paares.
Über den Autor
Orhan Pamuk, 1952 in Istanbul geboren, studierte Architektur und Journalismus. Er erhielt u. a. den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und den Nobelpreis für Literatur 2006.
Meine Meinung
Zugegeben, die Geschichte hört sich kitschig an - eine Liebe, zu der der Mann aus mangelndem Mut und Bequemlichkeit erst nicht stehen wollte - und der er dann über 8 Jahre hinterherläuft.
Die Stärke dieses Buches liegt aber darin, wie der Ich-Erzähler seine Liebe zu Füsun beschreibt. Er ist sich früh seiner absurden Verhaltensweise bewusst, er ist sich früh bewusst, dass er sich zum Gespött macht. Dadurch, dass er all das durchschaut, aber (aus Liebe?) unfähig ist, sich aus der Situation zu befreien, wird das Buch zu einer wirklich ergreifenden Geschichte um Liebe, verlorene Chancen und Zeit. Es wird auch nie peinlich, wenn er z. B. beschreibt, wie er Dinge berührt, nur weil Füsun sie mal berührt hat, weil er sich gleichzeitig immer kopfschüttelnd zu beobachten scheint und damit dem Leser das Gefühl des Voyeurismus nimmt. Und Pamuk beschreibt wahrscheinlich so jede Absurdität, die unglücklich Verliebte machen können in Gedenken an den nicht zu erreichenden Menschen.
Mich persönlich hat dabei vor allem die ironische Distanz, die der Ich-Erzähler zu sich selbst hat, wie er sich gnadenlos analysiert, beeindruckt.
Dabei streut Pamuk immer wieder Details aus dem Istanbul der 1970er und 1980er Jahre ein, die die Spannungen innerhalb dieser Gesellschaft, der Familien, und jedes einzelnen darstellen.
Insgesamt ein tolles Buch, dass in der zweiten Hälfte vielleicht etwas hätte gestrafft werden können, dass ich aber trotzdem ohne Einschränkungen empfehlen würde. Ich freue mich umso mehr, als mit "Museum der Unschuld" Pamuk auch nach seinem Nobelpreis ein phantastischer Roman gelungen ist.