Das Spiel des Engels - Carlos Ruiz Zafon

  • Ich habe Anfang des Jahres den "Schatten des Windes" gelesen und jetzt vor wenigen Tagen "Spiel des Engels" beendet. Ich fand beide Bücher gleich stark. Ich empfand die Erzählstruktur eigentlich relativ linear, d.h. ich meinte der Geschichte gut folgen zu können. Die Dinge, die unklar blieben, empfand ich nicht als Tricks um den Leser zu verwirren, sondern sie dienten der Plotentwicklung. David Martin war genauso überrascht von bestimmten Wendungen wie der Leser und die gut 700 Seiten habe ich wie im Rausch verschlungen.


    Es kann ja sein, dass Zafon bestimmte Komponenten aus "Schatten des Windes" wiederverwendet und nicht den überraschend "anderen Nachfolger" geschrieben hat. Wieder stehen mysteriöse Gegegebenheiten im Zusammenhang mit obskuren Büchern im Mittelpunkt. Wieder verschmelzen Fiktion und Realität und wieder wird Barcelona als Schauplatz zelebriert. Vielleicht ist das ein Markenzeichen. Vielleicht eine Masche. Wenn es eine Masche ist um bereits angefixte Leser mit mehr Zafon-Stoff zu bedienen und mehr Geld zu scheffeln dann habe ich kein Problem damit. Mehr davon, Señor Zafón! Und viel Vergnügen mit dem verdienten Drogengeld.

  • "Schatten des Windes" fand ich auch klasse. In das "Spiel des Engels" habe ich in der Buchhandlung ausgiebig hineingelesen (die haben da aber auch gemütliche Stühle :grin), aber es konnte mich schon beim anlesen nicht überzeugen. Nach Euren Rezis ist mir klar, daß ich auf jeden Fall auf die TB-Ausgabe warten werde.

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

  • Ich habe gestern „Das Spiel des Engels“ zu ende gelesen. Die letzten 150 Seiten habe ich förmlich verschlungen. Aber nun zu meinem Gesamteindruck – als jemand der „Der Schatten des Windes“ gelesen hat – und Bücher mag die viel Raum zum nachdenken und spekulieren geben.


    Das Spiel des Engels ist wie der erste Titel von Zafon hervorragend geschrieben. Damit meine ich nicht einfach nur gut – sondern dass sich der Schreibstil des Autor enorm von denen anderer Autoren positiv abhebt. Ich denke mal er gehört eher zu den besten 5% der Autoren. (Wie gesagt – erstmal nur der Schreibstil).


    Zum Buch selbst.
    „Der Schatten des Windes“ fand ich geringfügig besser – da am Ende alle Puzzleteile der Geschichte meiner Meinung nach besser und übersichtlicher zusammengefügt wurden. „Das Spiel des Engels“ ist deutlich düsterer und birgt viel mehr Geheimnisse und (leider oder erfreulicherweise) mehr Raum für Spekulationen.


    Während sich das Buch am Anfang noch wie ein leicht tragischer Roman über einen Autor mit diversen Problemen liest wird es ab der Mitte zunehmend mysteriöser, geheimnisvoller und fesselnder.


    SPOILER:


    Meine Theorien:
    1.Wer oder was ist A. Corelli?
    Er kann kein normal lebender Mensch sein. Das wird an vielen Stellen des Buches ausgeschlossen – allein wegen seinem Alter und da ihn anscheinend niemand kennt. Ein Vampir kann er auch nicht sein – da er sich des öfteren am Tage mit David trifft. Ich hatte eine lange Zeit lang vermutet das Corelli und David ein und die selbe Person sind – vor allem am Ende des Buches wird dies noch mal durch Inspektor Grandes beinahe „bestätigt“ als er sagte: „Ich sah sie immer mit dieser Engelsbrosche“. Allerdings sprechen auch hier einige Sachen dagegen. z. B. das Ende wo er David die kleine Cristina „übergibt“ und dass er sich mit ihm einmal in diesem Restaurant traf wo er am Tisch saß.


    Meine persönliche Theorie ist, dass A. Corelli entweder ein Engel oder Dämon ist. Er ist meiner Meinung nach nicht ausschließlich böse oder gut. Und ein Engel ist schließlich auch nicht das personifizierte Gute. Ich denke eher dass es ein Engel ist der mit den Menschen und in diesem Fall mit David „gespielt“ hat.
    Das würde meiner Meinung nach erklären dass er nie altert. Dass er übernatürliche Macht besitzt – wie z. B. Davids Erkrankung zu heilen und David und andere Charaktere in diesem Buch komplett zu täuschen. Sein „Spiel“ besteht meiner Meinung darin, dass er Davids „gute“ Seele kaufen will – indem er ihn ein Buch schreiben lässt was komplett gegen seine Natur spricht. Also ein Buch des Bösen. Als Tausch für Davids Seele bietet er ihm unendliches Leben (--> Heilung von seiner Krankheit, und am Ende altert auch David nicht mehr).


    Hier am Ende findet man meiner Meinung auch den Beleg, dass Corelli nicht das absolute Böse sein kann. Da er David das Leben schenkt. Ihm auch „seine“ Cristina zurück gibt, die er zuvor „weggenommen“ (Die Szene als Sie auf dem Eis steht, einbricht und sich das Eis wieder schließt – übrigens auch ein Beleg für die übernatürlichen Kräfte von Corelli) hatte.


    2.Was hat es mit dem „Buch des Bösen“ auf sich?
    Am Ende als David das Manuskript in die Bibliothek der vergessenen Büchern zurück bringt, stellt er fest, dass der ganze Raum voller Bücher ist die alle den selben Titel tragen. Dies und das Ende des Buches als Corelli die kleine Cristina im Steg zu David zurück bringt deuten fast darauf hin als ob sich die selbe Geschichte schon unzählige Male mit anderen Autoren wiederholt hat. Corelli als Engel oder Dämon hat natürlich unendlich Zeit um sein Ziel zu erreichen. Und hat dies wie man an den unzähligen Büchern sehen kann anscheinend schon tausend male versucht oder gemacht.


    3.Ungereimtheiten und Unschönheiten
    - Die wahnwitzige Mortalitätsrate fast aller Haupt- und Nebenakteure am Ende des Buches war schon so übertrieben, dass ich mich beim lesen darüber lustig machen musste. „Ohh schon wieder hat es jemanden dahin gerafft... naja der letzte Tote ist ja schon drei Seiten her...“


    - Eine mir unklare Sache war die mit der Engelsbrosche. Es wurde im ganzen Buch nirgends erwähnt dass David diese Brosche je getragen, geschenkt bekommen oder sonst was hat. Nur am Ende sagt dies der Inspektor Grandes. Das passt so gar nicht zusammen. Ich für meinen Teil tue das damit ab, dass er David damit verunsichern/verwirren wollte. Da er ihm ja zuvor seine ganze Leidensgeschichte erzählt hat. Wenn David diese Engelsbrosche die ganze Zeit getragen hat – hätten sich Cristina, Isabella und noch alle anderen Leute – die die Briefe des Andreas Corelli gesehen haben sehr wundern müssen. Denn schließlich trug jeder Brief ein Wachssiegel mit eben dieser Engelsbrosche.


    Insgesamt gehört das Buch zu den Top 5 die ich im Jahr 2008 gelesen habe.
    wunderschöner Schreibstil, super spannend, sehr anregend zum Nachdenken und diskutieren.

  • [quote]Original von Zefira






    Blubbie  
    Zafira hat das ja ähnlich gesehen.


  • Was würdet ihr eigentlich sagen, die die das Buch gelesen haben, wer der "Patron, Andreas Corelli" ist? Eine Fiktion eines geistig gestörten Davids? Denn nur so könnte ich mir erklären, dass der David von ihm die kleine Christina bekommt.


    Vielleicht doch der "Lichtbringer"? Dies könnte das nicht älter Werden erklären.


    Und was sollte die Holzpuppe darstellen, die dann plötzlich verschwunden war?

  • Zitat

    Original von Wizzler
    Was würdet ihr eigentlich sagen, die die das Buch gelesen haben, wer der "Patron, Andreas Corelli" ist? Eine Fiktion eines geistig gestörten Davids? Denn nur so könnte ich mir erklären, dass der David von ihm die kleine Christina bekommt.


    Vielleicht doch der "Lichtbringer"? Dies könnte das nicht älter Werden erklären.


    Und was sollte die Holzpuppe darstellen, die dann plötzlich verschwunden war?


    Hallo Wizzler!


    Zu Deiner These:

  • Zitat Wizzler:"Was würdet ihr eigentlich sagen, die die das Buch gelesen haben, wer der "Patron, Andreas Corelli" ist? Eine Fiktion eines geistig gestörten Davids? Denn nur so könnte ich mir erklären, dass der David von ihm die kleine Christina bekommt."



    Andreas Corelli ist m. E. die dunkle Seite von David Martin. Die Geschichten Davids sind alle recht düster. Vielleicht ist es eine Form von Schizophrenie, an der er leidet. Die Taten sind von ihm begangen worden. Hinter Corelli kann er sein Gewissen verbergen.


    Aber so richtig wird es wohl nur der Autor wissen.


  • Kann man das denn nicht irgendwie rauskriegen, was der Autor sich dabei gedacht hat?
    Kennt jemand ein Interview oder eine Stellungnahme von Herrn Zafon zu seinem Buch?

  • @ Anton


    Vielleicht ist der Link für dich interessant?


    Eine direkte Antwort auf deine Frage gibt er meines Wissens nicht.
    Aber er beschreibt, dass die Autoren damals als Fortsetzungsautoren um jede Fortsetzung kämpfen mussten. Nur wenn die Leser es wünschten, gab es eine Fortsetzung und somit eine Bezahlung für den Autor. Viele Schriftsteller opferten ihre Gesundheit dafür.

  • Wer Barcelona kennt und liebt und wer die erzählerisch frisch anmutende Sprache von Carlos Ruiz Zafon für sich endeckt hat, der wird alles lesen was dieser Spanier schreibt, geschrieben hat und noch schreiben wird.

    _______________________________________
    "Die Totenbahre ist die Wiege des Himmels..." (Aus: Verschlungene Wege/wahre Geschichten von Pilgern und Gottsuchern. ISBN 978-3-86744-074-5)
    :grab

  • Natürlich konnte ich doch nicht bis zur TB-Ausgabe warten und ich habe es nicht bereut!


    Zum Inhalt ist ja schon viel gesagt worden, hier meine Meinung zum Buch:


    Der Vorgängerroman „Der Schatten des Windes“, der ebenfalls in Barcelona spielt, allerdings zu einer späteren Zeit, hat mich durch die Schönheit seiner Sprache beeindruckt.
    Genauso ging es mit mit dem „Spiel des Engels“. Zafón schreibt in einer Sprache, die verzaubert und man sieht das Barcelona der damaligen Zeit vor sich. Die ganze Atmosphäre ist düster und David Martín ein überaus zerrissener Charakter. Als Corelli ins Spiel kommt, scheint sich seine Lage zu bessern und er stürzt sich in die Arbeit - allerdings gewinnt bald das Unbehagen Überhand. Er versucht, Nachforschungen über Corelli anzustellen und scheint bald wie besessen davon. Diese Zerrissenheit und sein Unbehagen sind deutlich dargestellt und es ist faszinierend zu sehen, wie dieser Charakter sich entwickelt. Dabei steigt die Spannung zusehends und ab der Hälfte läßt sich ahnen, wer Corelli wirklich ist. Leider wird die ganze Geschichte besonders im letzten Drittel verwickelt und es bleiben am Schluß einige Fragen offen. Die Grundidee, obwohl nicht neu, hat mir jedoch überaus gefallen und die Atmosphäre ist einzigartig. Trotz aller offenen Fragen am Schluß ist es ein Buch, das man keinesfalls so schnell vergißt!



    Zur Frage, wer Corelli tatsächlich ist:


    Verwirrend fand ich, daß David als Corelli aufgetreten sein und die Engelsbrosche getragen haben soll.

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

  • Gestern habe ich etwas über das Buch im Fernsehen gehört. Eigentlich sollte das Buch bei Suhrkamo erscheinen aber Fischer ist ein immenses Risiko eingegangen und hat für das Buch die Rekordsumme von 3,5 Mio € gezahlt.

    Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht. (Abraham Lincoln, 12.02.1809 - 15.04.1865)

  • Bin auch fertig und wurde irgendwie ratlos zurückgelassen. Wie schon oft erwähnt wurde, hat CRZ eine wunderschöne Sprache, kann wirklich erzählen, kann tolle Figuren erschaffen (Isabella war meine haushohe Favoritin, einfach weil sie das Ganze ein bisschen aufgelockert hat), kann Spannung erschaffen, indem er eine Vielzahl an Fragen aufwirft - ohne sie am Ende zu beantworten. Nach dem Zuklappen des Buches ist mir das gar nicht sofort aufgefallen, aber nach und nach kamen immer mehr Fragen auf und desto unglücklicher wurde ich mit dem Buch, dessen Vorgänger ich so toll finde.
    Was wirklich genervt hat, waren die ständigen Gespräche über Philosophie und Religion, das passt einfach nur in Maßen zu einem Unterhaltungsroman. Gegen Ende hin war ich etwas unkonzentriert, weil ich so schnell wie möglich zum Ende stoßen wollte, habe dadurch aber auch wichtige Infos überlesen und habe deshalb die Pointe hinter der Geschichte nicht entdeckt (sofern es eine gibt). Deshalb hier meine Fragen:



    Ich hoffe, jemand ist so gnädig, und kann mir bei meiner Ratlosigkeit weiterhelfen :-).

  • Zitat

    Original von AsterLundgren



    Ich hoffe, jemand ist so gnädig, und kann mir bei meiner Ratlosigkeit weiterhelfen :-).


    Tja, das ist ja alles nicht leicht zu verstehen..., aber:


    Ich hoffe, dass ich Dir in Deiner Ratlosigkeit etwas helfen konnte. :wave

  • Danke für die Antwort, Anton!
    Ich sehe schon, dass mein Gefühl, etwas überlesen zu haben, eigentlich so nicht ganz richtig ist ... was mich nur noch unbefriedigter zurücklässt.
    Ich meine, ich mag ja offene Enden, aber das soll nicht heißen, dass es keine Auflösungen haben soll - ein Buch ohne Auflösung ist für mich als Leser eine Enttäuschung. Letztendlich bin ich nämlich am Ende zu faul, um selbst Autor zu spielen - die Auflösungsarbeit sollte im Regelfall nicht dem Leser überlassen werden.
    Oder steh ich damit alleine da? :-(

  • Zitat

    Original von AsterLundgren
    Danke für die Antwort, Anton!
    Ich sehe schon, dass mein Gefühl, etwas überlesen zu haben, eigentlich so nicht ganz richtig ist ... was mich nur noch unbefriedigter zurücklässt.
    Ich meine, ich mag ja offene Enden, aber das soll nicht heißen, dass es keine Auflösungen haben soll - ein Buch ohne Auflösung ist für mich als Leser eine Enttäuschung. Letztendlich bin ich nämlich am Ende zu faul, um selbst Autor zu spielen - die Auflösungsarbeit sollte im Regelfall nicht dem Leser überlassen werden.
    Oder steh ich damit alleine da? :-(


    Das sehe ich ganz genauso wie Du. :wave

  • Derzeit lese ich noch "Der Schatten des Windes", aber dieses Buch wird auch bald auf meinem SUB wandern. Aber erst wenn es als TB herausgebracht wird, sonst macht mein Geldbeutel nicht mit :lache