Das große Heft-Agota Kristof

  • Klappentext:


    "Ich werde euch zeigen, wie man lebt!" verspricht die als Hexe verschriene Großmutter ihren Enkeln.
    Die Zwillingsbrüder brauchen die Großmutter nicht- was sie für´s Überleben lernen müssen,
    bringen sie sich selbst bei:
    Sie betteln, hungern, schlachten, stehlen, töten, stellen sich taub, blind bewegungslos.
    Alles, was sie als wahr anerkennen können, tragen sie in das große Heft ein.


    Die Autorin (amazon):


    Agota Kristof wurde am 30. Oktober 1935 in Csikvand in Ungarn geboren. Sie verließ ihre Heimat
    während der Revolution 1956 und kam über Umwege nach Neuchatel in die französischsprachige Schweiz,
    wo sie bis heute lebt. Als Arbeiterin in einer Uhrenfabrik tätig, erlernte sie die ihr bis dahin fremde Sprache
    und schrieb auf Französisch ihre erfolgreichen Bücher, die in mehr als 20 Sprachen übersetzt woden sind.
    2001 wurde sie mit dem Gottfried-Keller-Preis für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet und
    2006 erhält sie den Preis der SWR-Bestenliste.


    Eigene Meinung:


    Diese Buch, bzw. diese Triologie, ist mir empfohlen worden und das durchaus gerechtfertigt.
    Agota Kristof überzeugt in diesem Büchlein mit ihrer klaren, schnörkellosen, wenn nicht gar
    schonungslosen, Sprache.
    Büchlein bezieht sich hierbei lediglich auf die nur 165 Seiten, denn ansonsten kann man
    dieses großartige Werk nicht mit diesem Ausdruck benennen.


    Die Zwillinge werden während des zweiten Weltkrieges von der Mutter zur Großmutter gebracht,
    zu der diese seit 10 Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Dort lernen sie tatsächlich zu
    überleben und sich gnadenlos durchzusetzen und erleben dabei auch die andere Perversion,
    sowohl sexueller als auch emotionaler Natur. Für uns ist es heute Gott sei Dank schwer
    vorstellbar, dass Kinder solche Gewalt erleben und sich so gnadenlos verhalten,
    aber all dies bewirkt wohl der Krieg.


    Das Buch ist ganz sicher nichts für empfindliche Gemüter und mich hat es ein paar mal ganz
    fürchterlich schaudern lassen, aber ich denke diese schonungslose Beschreibung macht
    das Buch auch so lesenswert. Es macht sprachlos und bewegt.


    Das in diesem Buch niemand einen Namen hat, ist mir erst aufgefallen, als ich den Klappentext
    des zweiten Teils der Trilogie gelesen habe, es passt aber, weil es die scheinbar
    emotionslose Lebensweise unterstreicht.

  • Das Große Heft - Agota Kristof


    Originaltitel: Le grand cahier
    Übersetzt von Eva Moldenhauer


    Kurzbeschreibung:
    Agota Kristof, in die Schweiz emigrierte Ungarin, die in französischer Sprache schreibt, protokolliert in ihrem ersten Roman eine Kindheit, die nichts Idyllisches hat. Die Zwillingsbrüder werden zur Großmutter aufs Land geschickt, sie betteln, hungern, schlachten, stehlen, töten, sie stellen sich taub, blind und bewegungslos − sie haben gelernt, was sie zum Überleben brauchen.


    Über die Autorin:
    Agota Kristof, geboren 1935 in Csikvánd in Ungarn, verließ ihre Heimat während der Revolution 1956 und gelangte über Umwege nach Neuchâtel in die französischsprachige Schweiz. Als Arbeiterin in einer Uhrenfabrik tätig, erlernte sie die ihr bis dahin fremde Sprache und schrieb auf Französisch ihre erfolgreichen Bücher, die in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt wurden. Sie wurde mit zahllosen Preisen geehrt wie 2001 mit dem angesehenen Gottfried-Keller-Preis, dem Österreichischen Staatspreis für Literatur sowie dem Kossuth-Preis in ihrem Geburtsland Ungarn. Agota Kristof starb Ende Juli 2011 nach längerer Krankheit in Neuchâtel.


    Über die Übersetzerin:
    Eva Moldenhauer, 1934 in Frankfurt/Main geboren, ist seit 1964 als Übersetzerin tätig. Sie übersetzte u.a. Claude Simon, Jorge Semprun, Agota Kristof, Jean Paul Sartre und Lévi-Strauss. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. 1982 mit dem "Helmut-M.-Braem-Preis" und 1991 mit dem "Celan-Preis". 2005 wurde sie für ihre Neu-Übersetzung von Claude Simons "Das Gras" für den "Preis der Leipziger Buchmesse" nominiert.


    Mein Eindruck:
    Nach langer Zeit habe ich mich noch einmal mit diesem düsteren Buch beschäftigt.
    2 Jungen werden in Kriegszeiten von ihrer Mutter bei der Großmutter gelassen. Dort erleben sie ein landschaftliches, karges Leben in dem Lieblosigkeit dominiert und schwache ausgebeutet werden.


    Es ist wirklich ein erschreckender, aber überaus gelungener Text, erzählt von den Zwillingen mit einer Stimme. So werden sie zu einem Kollektiv, als das sie sich fühlen!


    Die Kapitel sind kurz. Man muss sie langsam und gründlich lesen.
    Mich beeindruckt, wie genau Kristof geschrieben hat, dabei bleibt sie minimalistisch und sachlich und erfüllt folgendes Zitat, das aus dem Roman stammt:


    „Die Wörter, die die Gefühle definieren, sind sehr unbestimmt, es ist besser, man vermeidet sie und hält sich an die Beschreibung der Dinge, der Menschen und von sich selbst, d.h. an die getreue Beschreibung der Tatsachen.”



    Die Autorin bleibt kühl, aber ich als Leser werde vom Text emotional angesprochen.


    Die Kinder werden von der Großmutter vernachlässigt.
    Eigentlich sind die Kinder die Stadt gewohnt. Bei ihrer Großmutter gibt es nicht einmal ein Badezimmer.
    Doch sie leben sich schnell ein, obwohl sie den Schmutz und die Heruntergekommenheit sehr wohl wahrnehmen.


    Viel sich selbst überlassen, streifen sie umher, In den Wald, beim Fluss, bemerken auch die die zerbombten Häuser. Einmal finden sie sogar einen toten Soldaten.
    Die Jungen verrohen, indem sie sich selbst abhärten. Sowohl körperlich als auch den Geist. Ziel ist es, keinen Schmerz mehr zu fühlen.


    Dabei versuchen die Jungs sogar, weil keine Schule mehr stattfindet, sich selbst zu unterrichten und schreiben Aufsätze in ihr großes Heft!


    Doch als es im Winter umso karger wird, sind sie gezwungen, zu stehlen und zu erpressen und schlimmeres, um zu überleben. Es ist für den Leser desillusionierend und schmerzhaft, den Verlauf zu verfolgen. Agota Kristof bleibt Konsequent, hier wird nicht weggesehen. Irgendwie bleibt man als Leser doch auf der Seite der Kinder. Schließlich haben sie noch mehr soziales Gewissen als die Dorfbewohner, sie helfen zum Beispiel dem Mädchen Hasenscharte und einem Deserteur.


    Agota Kristof hatte eine außergewöhnliche Sprache, die mich immer noch bewegt. Ihre Gnadenlosigkeit beim Darstellen der Zustände wendet sich nicht gegen die Leser, es bleibt aber doch eine Anklage gegen die Entmenschlichung der Welt! Ob daraus Hoffnung entsteht, muss bezweifelt werden.


    Agota Kristofs Werk ist klein, wenn man die Anzahl der Seiten ihrer Bücher zum Maßstab nimmt. Themen und Stil hingegen gehören zum größten der modernen Literatur.