'Das Jadepferd' - Seiten 001 - 091

  • Zitat

    Original von SteffiB
    Ich habe vor einiger Zeit in einem Schreibratgeber (den ich nach dem Schreiben des Jadepferds durchgeblättert habe) gelesen, dass man für eine gute Geschichte unbedingt ein "geschlossenes" Umfeld wählen sollte, in dem die Figuren sich mit den wie auch immer gearteten Konflikten auseinandersetzen müssen, ohne abhauen zu können. Das könne ein Fahrstuhl, eine Insel, fehlendes Geld, um sich ein Busticket kaufen zu können oder ähnliches sein. Ich las dies und dachte hmm, da habe ich also alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Meine Marion hat eigentlich ständig die Möglichkeit, "auszusteigen" - tut es aber nicht, sonst wäre das Buch ein wenig schmal geraten ...


    Daran sieht man mal wieder wie blöde Ratgeber sein können.


    Aber "aussteigen" wo könnte Marion das wirklich? Die eine, mir so unwahrscheinlich nicht erscheinende Entscheidung das Kästchen an sich zu nehmen und es nicht- einen mit großer Wahrscheinlichkeit eh korrupten Polizisten auszuhändigen- wie hätte in China diese Entscheidung spontan und aus Neugier geboren, wieder rückgängig gemacht werden können? Woher- bei der Rechtssituation in China- ich erinnere nur an die Haftzeit des deutschen Ingenieurs letztes Jahr- hätte sie wissen können, ob sie nicht für Jahre wegen Unterschlagunge von Beweismaterial in einem Mordfall. oder wenn das Pferd wirklich wertvoll und antik ist, wegen Diebstahls von Eigentum des Volkes im Gefängnis verschwindet- wenn sie als Touristin schon Angst haben muß, weil sie im Zelt bei Einheimischen übernachtet hat und nicht im Touristenhotel ordentlich angemeldet?

  • Ni hao ma, beowulf?


    Wie schön, dass du jetzt auch da bist ...
    Ich spare mir mal das Zitieren und gehe direkt auf deine Anmerkung ein. Vielen Dank für die Argumente! Beide fanden sich mal irgendwo in dem Buch, aus genau dem von dir erwähnten Grund, Marion den "Ausstieg" unmöglich zu machen, zumindest von ihrer Einschätzung her, aber die gesamte Szene ist der Schere zum Opfer gefallen. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, sie stehen zu lassen, aber hinterher ist man ja immer schlauer.
    Ganz so schlimm ist es übrigens nicht in China (es sei denn, man ist Journalist). Wenn man illegal übernachtet, hat man als Tourist nichts zu befürchten außer dem erhobenen Finger, und auch bei anderen Vergehen - es sei denn, es handelt sich um Kapitalverbrechen natürlich - wird man wohl am ehesten abgeschoben. China fährt ja die Politik der Nichteinmischung, und da schmeißt man unliebsame Elemente eher raus, als ihnen medienwirksam den Prozess zu machen. Wie gesagt - für Journalisten, Menschenrechtler und ähnliche Berufsgruppen gilt das natürlich nicht.
    Für den normalen Touristen ist China ein erstaunlich freies Reiseland. Man kann mittlerweile fast überall hin, außer in die umstrittenen Grenzgebiete mit Indien und auf ein paar Straßen von Yunnan bzw. Sichuan nach Tibet, aber in die ersteren würde kein Land der Welt Touristen lassen, und die zweiteren sind so saugefährlich, dass dort alle fünf Minuten ein Bus in die Schlucht fällt. Na, und den Ärger mit abgestürzten Touristen will man sich sparen. Das die Hintertür nach Tibet dabei gleich mitkontrolliert werden kann, ist natürlich ein erwünschter Nebeneffekt.
    Ich persönlich bin, bei aller Kritik, mit der ich ja beileibe nicht allein dastehe, weder im Westen noch in China selbst, ein großer Fan des Reichs der Mitte und kann nur jeden ermutigen, mal dorthin zu fahren. Die Menschen sind nett, das Essen gut, die Kultur fantastisch, und die Umweltkatastrophen weltklasse. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass es mir vergönnt war, mir dieses riesige, problembelastete und doch so tolle Land mit eigenen Augen ansehen und mir eine eigene Meinung bilden zu können. (Und falls jetzt Zweifel aufkommen: Nein, ich bekomme für diesen Artikel kein Geld vom chinesischen Tourismusministerium :grin Schade eigentlich ;-) )


    Zeijian sagt
    SteffiB

  • Och, wenn sie wirklich gewollt hätte - aber Angst vor den Konsequenzen gehabt hätte, dann hätte Marion das Kästchen ja auch einfach irgendwo "liegenlassen" können oder anonym an ein Museum senden etc.


    Aber wie öde und blöde wäre das Buch dann gewesen? Und außerdem wäre es ja auch kein Buch geworden, sondern höchstens eine Kurzgeschichte. :rofl Neeeneeee, es war zwar nicht richtig von Marion, das Kästchen zu behalten aber in unser aller Interesse konnte sie nichts Besseres tun. :chen

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Eben. ;-)
    (Hand aufs Herz: In der Krimilandschaft wäre auch so manches Buch arg kurz geraten, wenn nicht der/die Hobby-Ermittler/in unglaublich draufgängerisch/mutig/neugierig/sendungsbewusst/larger-than-life wäre. Und die Entvölkerung Südschwedens durch durchgeknallte Serienmörder müsste, wenn man Mankell Glauben schenkte, bereits abgeschlossen sein.)

  • Buch gestern eingetrudelt, Abends zu lesen begonnen und den ersten Abschnitt schon durch. Das sagt doch schon was, oder? ;-) Doch der Reihe nach.


    Über das stumpfe Pferd auf den ansonsten glatten Umschlag stolpere ich immer wieder; nette Idee vom Verlag. :-) Vor dem Lesen habe ich mir erst mal die Karte zu Gemüte geführt und versucht, mir die Gegend der Welt, in der der Roman spielt, zu vergegenwärtigen. Wie an anderer Stelle erwähnt, war China und diese ganze Weltregion noch niemals in meinem Interessenfokus gelegen. Ich kann mich nur an zwei Bücher erinnern, die dort spielten. Das war einmal in meiner Jugend ein Roman über Dschinghis Khan (aber der war ja Mongole), und dann natürlich „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“. (Heute ist das Buch ja politisch korrekt umgeschrieben und es gibt keinen „Kaiser von China“ mehr. Michael Ende rotiert vermutlich in seinem Grab.) Gut, und „Unternehmen Drachenritt“ hat auch in China geendet; das war aber nur der Hintergrund für einen Abenteuerroman.


    Auf Seite 14 bin ich tatsächlich über ein Wort gestolpert, und zwar „Fort“. Damit verbindet sich bei mir automatisch eines im (amerikanischen) Wilden Westen. Andererseits, wie soll man das sonst nennen?


    Auf Seite 19 bin ich etwas verärgert ob der Tatsache, daß Zhao Shan den Inhalt der Botschaft für sich behält. Ich will den auch wissen.


    Auf Seite 48 habe ich mich gefragt, was dem Portier nach dem Aufwachen wohl passieren wird. Eine Seite weiter lautes Auflachen. Alles klar. :grin


    Seite 50. (...); in diesem Teil der Welt war eine Mahlzeit ohne Hammelfleisch kaum denkbar.
    Spätestens seit dieser Stelle weiß ich, daß ich diesen Teil der Welt wohl nicht besuchen werde. Brrrhhh, eine der Fleischsorten, die ich überhaupt nicht mag, und dann ständig. :yikes


    Seite 76. Europäer essen, um zu leben. Asiaten leben, um zu essen.
    Ich bin sehr eindeutig Europäer.


    Ich würde es mir nicht zutrauen, in einem Land umherzureisen, dessen Sprache ich nicht verstehe.
    Ich auch nicht. Ich war ein Mal in der französischsprachigen Schweiz unterwegs; selbst spreche ich (damals) recht leidlich Englisch, aber überhaupt kein Französisch. Ich konnte nicht mal nach dem Weg fragen, weil niemand Englisch sprach bzw. sprechen wollte, sondern grundsätzlich auf Französisch antwortete. Da habe ich mir vorgenommen, niemals ohne Grundkenntnisse der Landessprache irgendwohin zu fahren. Oder - viel eher - nirgendwohin zu fahren. :rolleyes


    Dann auf Seite 88f bekommt man so eine ungefähre Vorstellung, was in der Botschaft des Kaisers gestanden haben könnte. Aber eben nur ungefähr. Ich will es aber genau wissen.


    Zhao Shan ist aber schnell gestorben; mir war gar nicht bewußt, daß er so krank ist. Jedenfalls nimmt da wohl der Unglücksweg des Jadepferdes (denn um einen solchen scheint es sich ja zu handeln) seinen Anfang.


    Das Buch gefällt mir bisher sehr gut, und ich bin froh, doch noch in die LR eingestiegen zu sein. Allerdings habe ich eine recht deutliche Distanz zu Land und Leuten (Protagonisten); bisher bin ich mit China überhaupt nicht warm geworden. Ob das am Buch, am Schauplatz, oder daran, daß mich das zuletzt ausgelesene Buch emotional sehr getroffen und beschäftigt hat, liegt, weiß ich nicht. Auch kam an so einigen Stellen durch, daß solches Reisen für mich gar nichts wäre. Auf jeden Fall nicht in diesem Teil der Welt.


    Mit dem Zeitenwechsel habe ich keine Probleme; es steht ja über jedem Kapitel deutlich drüber. Erinnert mich etwas an Julia Navarros „Die stumme Bruderschaft“, das auch auf zwei Zeitebenen ablief. (Hoffentlich geht das „Jadepferd“ nicht ähnlich katastrophal aus wie die „Die stumme Bruderschaft“. Von Frau Navarro habe ich nie wieder ein Buch gelesen, obwohl mich ihr nächstes thematisch schon interessiert hätte.)


    Jetzt lese ich erst mal die anderen Posts hier und hoffe, irgendwann Zeit zum Weiterlesen zu finden. Denn heute Abend „darf“ ich wieder Fernsehen gucken, und morgen sind wir den ganzen Tag unterwegs.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SteffiB
    Wir Nordlichter sind für den Rest Deutschlands schließlich auch oft unverständlich.


    Stimmt. :grin :schnellweg



    Zitat

    Original von SteffiB
    Wer weiß, vielleicht schreibe ich irgendwann einmal ein Buch, das im, sagen wir mal, Knüllwald spielt. Da kenne ich mich nämlich auch nicht aus


    Ich auch nicht, obwohl ich direkt nebendran wohne. Allerdings bin ich hier nur zugezogen; in der Schule habe ich den Namen „Knüllwald“ nie gehört, erst als ich hierhergezogen bin. ("Knüll" tauchte nicht mal auf den vielen Landkarten der deutschen Mittelgebirge auf, die ich im Laufe meines lange zurückliegenden Schullebens malen "durfte".)



    Zitat

    Original von Batcat
    Daß Marion das Jadepferd nicht den Behörden übergeben will, finde ich unverständlich... aber ich kann auch verstehen, daß von diesem besonderen Stück eine Anziehungskraft ausgeht.


    Das hatte ich vergessen zu schreiben: das hat mich an den „Herrn der Ringe“, genauer gesagt an den Ring selbst und seine Wirkung auf die, welche ihn besitzen, erinnert. Der übt ja eine ähnliche Anziehungskraft aus.



    Zitat

    Original von Batcat
    Daß sie allerdings die Zusammenhänge zwischen Leichenfund - Jadepferd - durchsuchtem Zimmer - Handtaschenplünderung - Verfolgern nicht sieht, entzieht sich meinem Verständnis.


    Allerdings, da habe ich mich auch über die Naivität gewundert. Wenn sie viel unterwegs ist, müßte sie doch wissen, daß eine gewisse Vor- und Umsicht überlebensnotwendig ist. Zumindest würde ich als „Reiselaie“ das so sehen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Ich würde es mir nicht zutrauen, in einem Land umherzureisen, dessen Sprache ich nicht verstehe.
    Ich auch nicht. Ich war ein Mal in der französischsprachigen Schweiz unterwegs; selbst spreche ich (damals) recht leidlich Englisch, aber überhaupt kein Französisch. Ich konnte nicht mal nach dem Weg fragen, weil niemand Englisch sprach bzw. sprechen wollte, sondern grundsätzlich auf Französisch antwortete. Da habe ich mir vorgenommen, niemals ohne Grundkenntnisse der Landessprache irgendwohin zu fahren. Oder - viel eher - nirgendwohin zu fahren. :rolleyes


    Ohne Sprachkenntnisse in ein Land zu fahren ist die Chance eine Sprache sehr, sehr schnell zu lernen. Ich bin auch ohne Französichkenntnisse für 5 Jahre nach Westafrika gezogen. Wenn man muß, geht alles. Mit Händen und Füßen sowie einem Wörterbuch in der Hand. Unglaublich wie schnell man etwas versteht und diese "Bausteine" jeden Tag mehr werden.

    Zitat

    Mit dem Zeitenwechsel habe ich keine Probleme; es steht ja über jedem Kapitel deutlich drüber. Erinnert mich etwas an Julia Navarros „Die stumme Bruderschaft“, das auch auf zwei Zeitebenen ablief. (Hoffentlich geht das „Jadepferd“ nicht ähnlich katastrophal aus wie die „Die stumme Bruderschaft“. Von Frau Navarro habe ich nie wieder ein Buch gelesen, obwohl mich ihr nächstes thematisch schon interessiert hätte.)


    Ich habe das Buch letzte Woche auf noch fix gelesen und habe mich an den Zeitebenen überhaupt nicht gestört. Den Text fand ich trotzdem sehr fließend, ich kam überhaupt nicht ins stocken. Die kurzen Rückblenden über ca. 6-10 Seiten waren für mich keine "Umbrüche" sondern nur kurze Einschübe/Erklärungen was damals mit dem Pferd passiert war. Nahtlos habe ich immer wieder in die Geschichte eintauchen können, was mir sehr selten passiert wenn ein Buch auf zwei Zeitebenen spielt. Ich kann das nur für mich nur so erklären, dass die Rückblenden sehr kurz gehalten waren und somit meinen "Lesefluß" nicht gestört haben. :wave

  • @ SiCollier


    Mein Chaaaatzzzzzzzzzzzz.... :lache


    Ich habe mich als wissender Leser natürlich schon über Marions Naivität in Bezug auf das Jadepferd gewundert/geärgert, habe dies aber dem unheilvollen Sog des Pferdchens zugeschrieben: Seine Anziehung ist sooo stark, daß in manchen Punkten die normale Vernunft ausgehebelt wird.


    Ein Phänomen, das normalerweise nur im zwischenmenschlichen Bereich auftritt. :chen

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von Batcat
    Ein Phänomen, das normalerweise nur im zwischenmenschlichen Bereich auftritt. :chen


    Gerüchteweise nicht nur. :chen




    Zitat

    Original von Wolke
    Ich habe das Buch letzte Woche auf noch fix gelesen und habe mich an den Zeitebenen überhaupt nicht gestört. Den Text fand ich trotzdem sehr fließend, ich kam überhaupt nicht ins stocken.


    * Seufz * Hast du es gut; ein Buch mal „so fix zwischendurch lesen“. *auch die Zeit haben will*


    Damit ich nicht falsch verstanden werde: ich habe den Rezithread sowie diagonal die Leserunde mitverfolgt, bevor ich mich zum Lesen entschlossen habe. Ich meine mich zu entsinnen, daß irgendjemand schrieb, daß er/sie mit den Zeitsprüngen Probleme hatte. Ich wollte nur ausdrücken ich nicht. Im Gegenteil. Ich finde es immer interessant, wenn in einem Buch mehrere Zeitebenen, die trotz der Trennung ineinander verwoben sind bzw. sich beeinflussen, vorhanden sind. Das zeigt sehr deutlich auf, daß wir heutigen, auch wenn das oft vergessen wird, eben doch auf der Vergangenheit aufbauen bzw. von dieser abhängig sind. Selbst dann, wenn wir uns dessen gar nicht bewußt sind bzw. nicht bewußt sein können.



    Zitat

    Original von Wolke
    Ohne Sprachkenntnisse in ein Land zu fahren ist die Chance eine Sprache sehr, sehr schnell zu lernen.


    Das stimmt schon, ich hatte halt mit etwa 24 / 25 so eine Art „Schlüsselerlebnis“. Das allererste mal alleine im Nichtdeutschsprachigen Ausland unterwegs. Von dem Deutsch-Amerikanischen Freundschaftsclub, in den ich einige Jahre gegangen war, her wußte ich, daß ich mich auf Englisch recht ordentlich verständigen konnte. Und dann versteht das entweder niemand, oder - was auch ein paar Mal passiert ist - will es nicht verstehen. Schließlich traf ich die Nachbarin unserer Bekannten, zu der ich unterwegs war, die stieg mit ins Auto ein und hat mich mit Handzeichen (weil „rechts“, „links“ oder „geradeaus“ habe ich ja nicht verstanden) hingelotst. Da habe ich mir vorgenommen: nie mehr wieder.


    Ich besuche derzeit ja einen Schwedisch-Kurs. Unsere Lehrerin ist sinnigerweise eine Irin, die in Schweden studiert hat und jetzt in Deutschland lebt. Die hat uns erzählt, daß sie am schnellsten Deutsch lernte durch das Ansehen von Filmen. Das versuche ich jetzt umgekehrt mit Schwedisch auch; aber bekomme mal DVDs mit schwedischer Tonspur! Ansonsten gibt es nicht viele Gegenden der Welt, die mich reizen würden zu sehen. Und entweder habe ich bereits rudimentäre Sprachkenntnisse, auf die sich aufbauen ließe, oder ich würde vorher die Landessprache in den Grundzügen lernen. - Aber das nur am Rande.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Hallihallo, liebe Leserundeneulen,
    ich bin wieder ins heimische Nest eingeflattert, habe mir bei dem miesen Hamburger Wetter fast die Haxen beim Landeanflug gebrochen, so hat's gewackelt und geschüttelt ....


    Da ich befürchte, dass ich mich mit den Zitaten hoffnungslos verzettele, werde ich einfach mehrere Postings machen ...


    @Si Collier, schön, dass du da bist!


    Zitat

    Original von SiCollier
    Auf Seite 14 bin ich tatsächlich über ein Wort gestolpert, und zwar „Fort“. Damit verbindet sich bei mir automatisch eines im (amerikanischen) Wilden Westen. Andererseits, wie soll man das sonst nennen?


    Am ehesten könnte man "Festung" sagen. Ich muss gestehen, dass das Wort "Fort" sich eingeschmuggelt hat, da ich fast die gesamte Sekundärliteratur auf englisch gelesen habe, wo ständig die Rede von "Fortress" war (was laut PONS tatsächlich mit "Festung" übersetzt wird). Allerdings habe ich aber bei dem Wort "Festung" eine mittelalterlich Burg im Kopf, während das "Fort" in meinem Kopf Bilder von nicht ganz so ausgeklügelten, flacheren und in der Ebene stehenden Befestigungen assoziiert – und da kämen die Bilder dann der (Wüsten-)Wahrheit näher. Die folgende Erklärung habe ich Wikipedia entnommen: Das Wort "Fort" ist französisch, aber lateinischen Ursprungs. Es handelt sich hierbei um einen Bestandteil einer Festung oder aber um eine eigenständige, kleinere Festungsanlage. So, und je länger ich mich mit diesem Einwand beschäftige, desto mehr überlege ich, ob ich es nicht doch ändern lassen sollte ... hmmm. Es gibt da nämlich irgendwo noch die Kavallerie, die ich eigentlich auch noch in berittene Truppen ändern wollte. Zettel klebt schon im Buch, Si Collier :-]


    Zitat

    Original von SiCollier
    Auf Seite 19 bin ich etwas verärgert ob der Tatsache, daß Zhao Shan den Inhalt der Botschaft für sich behält. Ich will den auch wissen.


    Nix da, weiterlesen ;-)


    Zitat

    Original von SiCollier
    Seite 50. (...); in diesem Teil der Welt war eine Mahlzeit ohne Hammelfleisch kaum denkbar.
    Spätestens seit dieser Stelle weiß ich, daß ich diesen Teil der Welt wohl nicht besuchen werde. Brrrhhh, eine der Fleischsorten, die ich überhaupt nicht mag, und dann ständig. :yikes


    Och, damit verhält es sich wie mit Beton: Es kommt drauf an, was man draus macht. Kochen steht dem Tier jedenfalls nicht so gut, grillen allerdings ... oder indische Currys, oder ...


    :mahlzeit


    Zitat

    Original von SiCollier
    Ich würde es mir nicht zutrauen, in einem Land umherzureisen, dessen Sprache ich nicht verstehe.
    Ich auch nicht. Ich war ein Mal in der französischsprachigen Schweiz unterwegs; selbst spreche ich (damals) recht leidlich Englisch, aber überhaupt kein Französisch. Ich konnte nicht mal nach dem Weg fragen, weil niemand Englisch sprach bzw. sprechen wollte, sondern grundsätzlich auf Französisch antwortete. Da habe ich mir vorgenommen, niemals ohne Grundkenntnisse der Landessprache irgendwohin zu fahren. Oder - viel eher - nirgendwohin zu fahren. :rolleyes


    Ob ihr es glaubt oder nicht, es ist meistens viel einfacher, als man denkt - abgesehen von Frankreich natürlich, denn in dieses Land traue ich mich auch nicht, ohne vorher meine Französischkenntnisse aufpoliert zu haben. Aber dafür sind unsere Nachbarn ja berüchtigt ... Ich finde es auch prima, wenn ich wenigstens ein wenig radebrechen kann, habe aber festgestellt, dass es auch so geht. Hände, Füße, Zeichenblock (!) und eine Menge Zeit, Goodwill und Neugierde können einen erstaunlich weit bringen – und viel Spaß machen. Ich gehöre leider nicht zu denen, die eine Sprache am Wegesrand aufpicken und nach kurzer Zeit sprechen können. Für mich ist es mühsam, sehr mühsam, und wenn ich dann so ein paar essentielle Ausdrücke draufhabe (Wo ist das nächste Restaurant/Klo?), bin ich meist schon wieder draußen und vergesse das Gelernte auch schnell. Ich bewundere Wolke und andere, die sich mit Sprachen leicht tun und denen das Fernsehen reicht - mir hat es leider nie gereicht. Nur mein Englisch ist ziemlich gut, aber da sind mir die Grundlagen ja schön mit Frontalunterricht eingetrichtert worden ;-)


    Zitat

    Original von Batcat
    @ SiCollier
    Ich habe mich als wissender Leser natürlich schon über Marions Naivität in Bezug auf das Jadepferd gewundert/geärgert, habe dies aber dem unheilvollen Sog des Pferdchens zugeschrieben: Seine Anziehung ist sooo stark, daß in manchen Punkten die normale Vernunft ausgehebelt wird.


    Ein Phänomen, das normalerweise nur im zwischenmenschlichen Bereich auftritt. :chen


    Och, die Vernunft. Ich glaube, die macht sich rarer, als uns allen lieb ist. Eigentlich begegnet einem doch auf Schritt und Tritt der Irrsinn, und wenn man mal gaaanz ehrlich ist, wie vernünftig waren die Entscheidungen der letzten Woche wirklich???? Und ist das schlimm? Nö, finde ich nicht.


    Bis später!
    Sagt SteffiB

  • Ich schreibe das jetzt alles hierher, damit es nicht so ausfranst.


    Bei „Fortress“ oder „Festung“, meinetwegen auch noch „Burg“, wäre ich vermutlich nicht am Wort hängengeblieben. Bei mir ist es halt so, daß ich mit dem Wort „Fort“ automatisch ein solches im amerikanischen Wilden Westen verbinde (auch wenn das objektiv sprachlich gesehen vermutlich falsch ist). Ob das vielen Menschen oder nur mir so geht (weil ich zu viele Western gesehen habe ;-) ), weiß ich nicht.


    Die „Kavallerie“ ist mir gestern auch begegnet, und zwar auf Seite 220 ziemlich unten. Wie gesagt, zu viele Western gesehen. Wenn ich „Kavallerie“ höre, habe ich automatisch die der Yankees - mit John Wayne an der Spitze :grin - vor Augen (auch wenn ich weiß, daß es Kavallerie auch in europäischen Ländern zuhauf gab).


    Beide Worte verbinde ich einfach nicht mit Asien bzw. genauer China. Wie gesagt, ob das an mir liegt oder ob es noch anderen Menschen so geht, vermag ich nicht zu beurteilen.



    So sehr zufallen tut mir eine Fremdsprache auch nicht mehr. Ich merke schon das Alter und habe erhebliche Probleme in meinem Schwedisch-Kurs. Seltsamerweise kommen mir immer eher die vor über zwanzig Jahren (und seither nicht mehr verwendeten) russischen Vokabeln hoch als die gerade erst gelernten schwedischen. Doch Wolke hat schon recht, einen gut Teil meiner (nach eigener Einschätzung) recht guten Englischkenntnisse verdanke ich der Tatsache, daß ich Filme und Serien möglichst im englischen Original ansehe (notfalls mit Untertiteln, aber nicht synchronisiert). Da geht etliches wirklich ganz automatisch in den aktiven und passiven Wortschatz über.


    Ach so, das war bei mir damals französischsprachiges Ausland. Und ich spreche überhaupt kein Französisch. (Ich fahre seit Ewigkeiten französische Autos, damit habe ich mein Soll für die deutsch-französische Verständigung erfüllt. ;-) )

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Als Wanderbuchteilnehmer stoße ich erst relativ spät zu dieser Leserunde.


    Vorsichtig die Folie entfernt, gefällt mir das Cover schon besser als mein erster Eindruck im Internet, als ich noch den Verdacht hatte, das Buch könnte Young Adult sein.
    Doch, die Buchgestaltung ist schon ganz schön, obwohl mich solche Sätze wie der auf der Rückseite „Das Flüstern der Wüstengeister“ eher abtörnen.


    Einiges von dem im Vorwort erwähnten gefällt mir richtig gut, Wahres mit Fiktion zu verknüpfen, die Individuen für sich selber sprechen lassen usw.


    102 v. Chr. fängt es schon spannend an. Mir kommen Assoziationen zu den großartigen Filmen von Zhang Yimou. Die Szene mit dem Boten war richtig packend geschildert.


    Die Szenen dann 2004 zeichnen sich durch eine große Lebendigkeit und genaue Beschreibungen aus. Allerdings dann gleich eine Leiche zu finden, ist mir fast schon etwas zu viel, oder wenigstens zu schnell.
    Marions Selbstironie, für die ich viel übrig habe bei einem Hauptcharakter, macht sie mir gleich sympathisch: Fräulein Ma! :rofl
    Auch Kommissar Li Yandao hat viel Potential, aber bei Ermittlern muss man erst einmal abwarten.


    Das Buch hat ein tolles Tempo! :-]


    Jetzt habe ich mich erst einmal durch die Fotos auf der Homepage durchgeklickt. Die sind großartig, geradezu sensationell! :anbet

  • Hallo Herr Palomar, dann bin ich ja als Nachzügler nicht ganz so alleine. :-) Allerdings vermute ich fast, daß Du mich langsam trabenden in schnellem Galopp überholen wirst. ;-)



    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Mir kommen Assoziationen zu den großartigen Filmen von Zhang Yimou.


    Die können mir nicht kommen, weil ich praktisch keine asiatischen Filme ansehe. (Einzige Ausnahme in letzter Zeit: „Il Mare“, der ist aber aus Korea. (Nachdem mich das Ende des hochgelobten „House of Flying Daggers“ so deprimiert hat, und ich beim Schneiden einiger aufgenommener asiatischer Filme festgestellt habe, daß die anscheinend alle ähnlich depressiv enden, habe ich diese Filmgattung aus meinem Repertoire verbannt. Die Mentalität ist offensichtlich eine völlig andere als ich sie habe.)



    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Auch Kommissar Li Yandao hat viel Potential, aber bei Ermittlern muss man erst einmal abwarten.


    Auch da kann ich nicht mitreden, weil ich noch keinen Krimi fertig gelesen habe. Drum hat es ja so lange gedauert, bis ich selbst in diese Leserunde eingestiegen bin (weil ich mir nicht sicher war, ob es eher ein Krimi ist - ist es aber nicht).


    Die Fotos auf der HP habe ich mir auch schon diagonal angesehen. Ich traue mich kaum zuzugeben, daß die gar nicht sehr anziehend auf mich gewirkt haben. Wenn ich mir das Gebiet in meinem Atlas ansehe, sieht das (von der vermuteten Landschaft her) viel interessanter aus. Wenn ich das Buch durch habe, werde ich nochmals intensiver nach Fotos suchen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Lieber Herr Palomar,
    also ehrlich, Zhang Yimou – die Puschen sind mir dann doch zu groß. Ich bin jedenfalls ganz rot geworden vor Freude!
    Aber erstmal: Herzlich Willkommen in der Leserunde! Ich bin schon sehr gespannt auf deine Anmerkungen ...


    SiCollier : Wenn die Bilder auf dich nicht anziehend wirken, dann ist das eben so, basta. Ich habe hauptsächlich Fotos von Orten herausgesucht, an denen die Geschichte spielt oder die erwähnt werden - und die sind halt, wie soll ich es sagen, wüstig? Die Region ist ziemlich spektakulär - wenn man desolates Land mag. Riesig, weit, unwirtlich, hart. Und auch die Siedlungen der Menschen, ja die Menschen selbst sind hart, karg. Es gibt ein paar liebliche Ecken in Xinjiang, aber nach ihnen muss man lange und intensiv suchen, die Palette der Farben ist ganz klar von grau und braun und gelb dominiert.
    Ich könnte mir aber vorstellen, dass es eine Menge großartiger Fotos von den Bergen und der Sandwüste im Inneren der Taklamakan gibt. In meinen Fachbüchern finden sich einige, aber alle strömen diese Kargheit aus ...


    Liebe Grüße und Gute Nacht ....
    sagt
    SteffiB

  • Zitat

    Original von SiCollier
    (Nachdem mich das Ende des hochgelobten „House of Flying Daggers“ so deprimiert hat, und ich beim Schneiden einiger aufgenommener asiatischer Filme festgestellt habe, daß die anscheinend alle ähnlich depressiv enden, habe ich diese Filmgattung aus meinem Repertoire verbannt. Die Mentalität ist offensichtlich eine völlig andere als ich sie habe.)


    Ja, diese Mentalität ist schon eine ganz andere. Mir geht es da im Prinzip ähnlich.
    Das drückt sich tatsächlich besonders deutlich in den Handlungsverläufen in den Filmen aus, die ich aber trotzdem gerne ansehe.


    Bei den Romanen kann es manchmal ähnlich gehen, so dass ich einige Schlußfolgerungen der Hauptfiguren nicht bis ins Letzte nachvollziehen kann, trotzdem gibt es auch da großartige Texte von Autoren wie Ha Jin, Duo Duo, Dai Sijie oder Shan Sa.

  • Zitat

    Original von SiCollier
    weil ich mir nicht sicher war, ob es eher ein Krimi ist - ist es aber nicht).


    Ich empfinde Das Jadepferd auch nicht als Krimi. Yandao hat ja auch schnell andere Motive als die Aufklärung eines Kriminalfalles. Es geht ihm offensichtlich mehr um Marion. Mich überraschte trotzdem, dass er schon so schnell so vertraut mit ihr ist. Müsste ihre unterschiedlichen Kulturen nicht mehr trennen?

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Ich empfinde Das Jadepferd auch nicht als Krimi. Yandao hat ja auch schnell andere Motive als die Aufklärung eines Kriminalfalles. Es geht ihm offensichtlich mehr um Marion. Mich überraschte trotzdem, dass er schon so schnell so vertraut mit ihr ist. Müsste ihre unterschiedlichen Kulturen nicht mehr trennen?


    Habe ich natürlich auch überlegt, aber wenn man sich mag, dann mag man sich eben, auch kulturübergreifend. Und die beiden sind Grenzgänger – er, weil er Englisch gelernt und sich zwangsläufig mit der Kultur auseinandergesetzt hat. Sie, weil sie gerne reist und sehr offen ist für Neues. Da verwischen die Grenzen schnell. Harimau und ich haben ja lange in Asien gelebt und einige Freunde und viele asiatische Bekannte. Wenn man nur lange genug in einem anderen Kulturkreis unterwegs ist, fällt es einem selbst kaum noch auf, dass die Menschen dort anders sind/anders aussehen, bzw. das man SELBST der Fremdkörper ist. Erstaunlicherweise wird man als "assilimierter" Ausländer auch als solcher wahrgenommen. Wir sind am Ende kaum noch als "fremd" empfunden worden, auch von Leuten, die wir gerade kennengelernt hatten. Ich nehme an, dass die Selbstverständlichkeit, mit dem man sich durch den Alltag bewegt, dazu führt. Man hat dann eine andere Körpersprache, tritt kaum noch in kulturelle Fettnäpfchen usw.
    Liebe Grüße von
    SteffiB