'Die schöne Frau Seidenman' - Kapitel 05 - 10

  • das grauen ist stets leise zwischen den zeilen verborgen. es werden mutige geboren in der zeit, wie henryk fichtelbaum, der es leid ist, dem tod davonzulaufen, schwester weronika, die letztendlich doch noch ihre bestimmung findet und kinder retten kann, wenn auch ganz anders als vorgesehen.
    der richter romnicki, von dem ich noch nicht weiß, inwieweit er in das leben von fichtelbaum eingegriffen hat und er deswegen büßen muss, zumindest sitzt er im gefängnis, alles schicksale, die noch der auflösung bedürfen. der stil fasziniert mich nach jahren wieder. bin froh, trotz des handicaps bei der lr mitzumachen.

  • Ja, hier ist vieles was man so nie geschildert bekommt.
    Natürlich haben wir viel über das 3. Reiche, den Weltkrieg und alles in der Schule gelernt, aber hier wird Polen geschildert, wie die Polen mit Hitler umgingen, wie seine Ideologien auch dort teilweise übernommen wurden und sei es nur, um seinen eigenen Hals zu retten.
    Dabei sind die Texte jedoch nie anmassend oder belehrend, sondern einfach gut und schön geschrieben.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Ja, hier ist vieles was man so nie geschildert bekommt.
    Natürlich haben wir viel über das 3. Reiche, den Weltkrieg und alles in der Schule gelernt, aber hier wird Polen geschildert, wie die Polen mit Hitler umgingen, wie seine Ideologien auch dort teilweise übernommen wurden und sei es nur, um seinen eigenen Hals zu retten.


    Ja, das ist auch für mich eine völlig neue Perspektive.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • ich glaube eben, dass der aspekt, schöne güter billig zu bekommen, manchen veranlasst hat, bei der jagd mitzumachen. außerdem ergab sich die gelegenheit, seit langem verhassten mitmenschen eins auszuwischen, bzw. sie loszuwerden.

  • jetzt muss ich auch noch mit mir sekbst diskutieren,
    schön an dem buch sind wirklich die verschiedenen charaktere, wie auch der schneider kujawski, der es aber nicht schafft, obwohl es doch zu wünschen gewesen wäre. zumindest die frau seidenman hatte glück. sie wird ja gerettet, aus dem gefängnis ist sie schon mal...

  • Hab heute keine Zeit gehabt zum Weiterlesen, werd ich jetzt nachholen.


    Aber ich glaube, du hast Recht, was das hier betrifft.

    Zitat

    Ich glaube eben, dass der aspekt, schöne güter billig zu bekommen, manchen veranlasst hat, bei der jagd mitzumachen. außerdem ergab sich die gelegenheit, seit langem verhassten mitmenschen eins auszuwischen, bzw. sie loszuwerden.


    Hab mich da vor einiger Zeit mit meinem Opa drüber unterhalten, der ja quasi an der gegenüberliegenden Grenze wohnt, nämlich Deutschland/Belgien. Die Situation dort, war zwar nicht vergleichbar, aber dennoch gab es auch dort Menschen, die gedankenlos Hitlers Ideologien folgten, aus Angst, Bereicherungswillen oder welchen Gründen auch immer....

  • Erstaunlich finde ich die Sachlichkeit, mit der diese Geschichten erzählt werden. Banal, fällt mir immer wieder ein.
    Das Buch weckt in mir keinerlei Emotionen, weder Wut, auf den schönen Lollo etwa, noch Trauer, um den Schneider zum Beispiel. Lollo ist ein fieser Zeitgenosse, klar, aber der Bandit ja irgendwie auch. Oder ist er ein Held? Ebenso der Schneider: macht sein Vermögen durch den Tod seines Chefs. Aber trotzdem wird er zum Held. Aus Versehen.
    Szczypiorski urteilt nicht, er beschreibt einfach. Ganz normale Menschen in einer furchtbaren Zeit. Und wie jeder Mensch sind seine Protagonisten weder schwarz noch weiß, sondern immer irgendwo dazwischen.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von Findus
    schön an dem buch sind wirklich die verschiedenen charaktere


    Manchmal ist es mir doch etwas zu viel, wenn dann wieder ein neuer Charakter eingeführt wird - vor allem bei den doch recht komplizierten Namen. Der Schneider Kujawski tat mir sehr leid, da ich dachte, dass er es eigentlich geschafft habe ...
    Für Irma Seidenman freue ich mich, dass sie doch noch aus dem Gefängnis entlassen wurde - auch wenn man aufgrund ihrer danach folgenden Reflexionen ahnen kann, dass es wahrscheinlich nicht so positiv für sie weitergehen wird.


    Ich bin immer noch sehr begeistert über die Sprache und die Art zu Erzählen, auch wenn mir manchmal so etwas wie ein "roter Faden" doch fehlt. :-)

  • ja die sprache fasziniert mich auch.
    was ich gestern noch beim lesen gedacht habe - die meisten figuren sind zutieftst philosophisch.
    ja das ganze buch könnte eine abhandlung über das verhalten der menschheit in extremen zeiten sein. dabei erscheint es mir völlig emotionslos. die einzelnen personen erwecken kein mitleid in ihrer fast fatalistischen einstellung und der schilderung ihres schicksals.

  • Zitat

    Original von Findus
    die einzelnen personen erwecken kein mitleid in ihrer fast fatalistischen einstellung und der schilderung ihres schicksals.


    Es gelingt dem Autor zumindest die Personen auf eine sehr melancholische, aber realistische Weise zu beschreiben - mit einigen muss natürlich Mitleid empfinden, wenn ich z.B. an Herrn Kujawski.


    Ich muss mich korrigieren: nicht nur die Sprache des Buches ist faszinierend, auch das, was man über das Polen der damaligen Zeit erfährt empfinde ich als absolut faszinierend.

  • es ist nicht nur der schneider kujawski, dessen schicksal mitleid erregt. da ist noch pawelek oder auch der kleine artur zu erwähnen, oder joasia, mit der sich der kreis schließt. ich meinte auch nicht, dass man kein mitleid empfindet, sondern die nüchterne schilderung der einzelnen schicksale, ja jede person, die beschrieben wird hat etwas schlimmes durchzumachen. und trotzdem hält der autor den leser emotional auf abstand. zumindest empfinde ich es so.

  • Zitat

    Original von Findusund trotzdem hält der autor den leser emotional auf abstand. zumindest empfinde ich es so.


    Ja, ich verstehe schon, was du meinst Findus ... ich weiß nur nicht, ob ich das auch so empfinde. Je länger ich das Buch lese, desto intensiver empfinde ich die Beschreibungen des Autors und desto enger verbunden fühle ich mich auch mit den unterschiedlichen Charakteren.

  • mir erschien es so, als ob alle beteiligten in einen sog geraten wären, ein strudel, der sie mitreißt, unaufhaltsam, wieder ausspuckt oder auch nicht, je nach laune des schicksals, bis zum bitteren ende.
    das fasziniert zum einen, zum anderen wird man vom aufkommenden grauen geschüttelt.
    und trotzdem ist die einstellung der personen zu ihrem schicksal so ergeben, duldsam. keiner lehnt sich so richtig auf, wehrt sich, bis auf henio, der es vorzieht zu sterben, als dieses jämmerliche leben zu leben.

  • Zitat

    Original von Findus
    und trotzdem ist die einstellung der personen zu ihrem schicksal so ergeben, duldsam. keiner lehnt sich so richtig auf, wehrt sich, bis auf henio, der es vorzieht zu sterben, als dieses jämmerliche leben zu leben.


    Das stimmt, das ist eine wirklich gute Beschreibung von dem, was in dem Buch vorgeht. Auf der anderen Seite gibt es ja aber auch eine Reihe von Menschen, die nicht alles ertragen und die sich zum Beispiel dazu aufschwingen Frau Seidenman zu helfen und sie zu retten.


    Wie du schon geschrieben hattest: als besonders eindrücklich empfand ich den Vater von henio, der erst seine Tochter in Sicherheit bringt und danach auf seinen Tod wartet. Diese Stärke empfinde ich als sehr bewundernswert und auch beeindruckend.

  • ja das gibt es, auch schwester weronika oder parteigenosse müller versuchen zu helfen. aber sie tun es für andere, das eigene schicksal wird so akzeptiert wie es ist. ich weiß nicht ob ich das könnte, wahrscheinlich lebt es sich leichter damit, es ist wohl die einzige möglichkeit mit diesen schrecklichen erlebnissen fertig zu werden, oder man wird verrückt.



    edit: namensverwechslung

    "Leute die Bücher lesen, sind einfach unberechenbar." Spruch aus "Wilsberg "
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  • So uneigennützig ist das doch gar nicht, immerhin nutzt Weronika die Chance, um aus den Kindern gute Katholiken zu machen.
    Das hat mich etwas gestört, wird zum Schluss aber glücklicherweise relativiert...

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    So uneigennützig ist das doch gar nicht, immerhin nutzt Weronika die Chance, um aus den Kindern gute Katholiken zu machen.
    Das hat mich etwas gestört, wird zum Schluss aber glücklicherweise relativiert...


    Ja, das fand ich auch.
    Da hatte ich trotz ihrer Hilfe, irgendwie eine Wut im Bauch und ich fand sie hat es verdient, daß bei dem, der sich am meisten auflehnte schließlich ihren Bemühungen am tiefsten gefruchtet haben und er sogar antisemitische Äußerungen tätigt.....

  • die beweggründe von weronika mögen zwar nicht altruistischer art gewesen sein, ihren zweck haben sie aber erfüllt. was sie selbst letztendlich davon hatte,,,, ?am ende des buches erklärt richter romnecki ihr, was er von dieser katholischen erziehung hält und lässt sie schweigend zurück.