OT: Maria Bleknos 1985
Die kleine Maria ist böse. Zum einen leidet sie unter den Folgen eines schlimmen Hustens, noch immer darf sie nicht draußen mit den anderen Kindern spielen. Zuhause ist es aber nur langweilig. Alle kümmern sich nur um den kleinen Bruder Martin. Zum anderen vermißt sie ihren Freund Johan, der weggezogen ist. Maria ist sicher, daß sie gleich vor Langeweile und Einsamkeit sterben wird!
Von einem Augenblick auf den anderen aber ändert sich alles. Ins Haus gegenüber zieht ein höchst merkwürdig gekleideter Junge ein. Er wird Bebbe gerufen und trägt immer eine Motorradbrille. Und dann kommt endlich die Babysitterin, die Marias Eltern bei den Gemeinde angefordert haben, und die auf sie aufpassen soll, bis sie wieder zur Schule gehen darf. Als Maria Tante Gerda das erste Mal sieht, wird sie ganz starr: Tante Gerda ist eine Hexe! Kein Zweifel daran.
Was tun Hexen? Sie stehlen kleine Kinder und alle Schätze aus den Häusern. Maria muß unbedingt Martin und die Schätze ihres Hauses in Sicherheit bringen. Und Bebbe ist bestens geeignet, ihr dabei zu helfen.
Die Idee, die hinter dem Ganzen steckt, ist recht originell und ansprechend. Daß das Buch nicht recht gelungen ist, liegt einmal daran, daß der Autor sich nicht mit dieser Geschichte begnügt. Zunächst wird einiges an Platz dafür verschwendet, drollige Geschichtchen aus dem Alltag vor dem Eintreffen der Babysitterin zu erzählen. das ist sehr dick aufgetragen. Jüngere Kinder wird die platte Komik ansprechen, ältere werden immer ungeduldiger darauf warten, daß die Geschichte endlich anfängt.
Bei Erwachsenen wird sich das Gefühl einstellen, daß Kinder hier in merkwürdigen Situationen und Verkleidungen vorgeführt werden, damit es ‚komisch’ wird, ganz so, als seien Kinder Zirkusclowns. Dazu zählt eine Szene, in der Bebbe - eigentlich heißt er Giuseppe - nur mit Unterhosen bekleidet (plus Motorradbrille) über die Straße rennt oder später, immerhin normal angezogen, auf eine Baumaschine klettert und sie in Gang setzt, weil ‚zufällig’ kein Arbeiter in der Nähe ist.
Da eine Zeitlang nicht klar ist, was hier erzählt wird, kann man es für einmal der Verfasserin oder dem Verfasser des Klappentexts nicht übelnehmen, wenn sie gemeint haben, daß es das Buch davon handle, daß Maria Tante Gerda, der vermeintlichen Hexe, den nervigen kleinen Bruder gern überlassen würde. Von dieser falschen Annahme rührt auch der unschön formulierte Titel. Tatsächlich ist die Sache mit Martin nur eine und kurze Episode.
Spannend wird es, als sich Maria immer mehr in ihre Vorstellung hineinsteigert, daß Tante Gerda eine Hexe ist. Dabei manipuliert sie beide Seiten, die Babysitterin und ihre Eltern überaus geschickt. Das ist ziemlich gut gemacht und gut zu lesen.
Daß das aber alles eher und nur komisch sein soll, wollte mir beim Lesen nicht so recht gefallen. Und das ist der zweite Grund, warum das Buch nicht recht gelungen ist. Eine ernste Mahnung an die Hauptfigur wegen ihres dummen Verdachts und ihres daraus resultierenden unverantwortlichen Verhaltens fehlt. Im Gegenteil, sie darf sich am Ende auch noch weiterhin einbilden, daß sie Tante Gerde vom Hexendasein gerettet hat. Das ist als Lesestoff für recht jungen Kinder doch etwas fragwürdig.
Zweifel an der ‚Botschaft’ weckte auch ein zweiter Mythos, den der Autor mit Fleiß aufbaut, nämlich dem von Bebbes Vater. Dieser ist bei einem Unfall mit dem Motorrad ums Leben gekommen, die Motorradbrille ist ein Andenken an ihn. Bebbe hat sich deswegen die Geschichte zusammengebastelt, daß sein Vater als Donnergott über den Himmel fährt. Diese wilde Phantasiegeschichte stützt der Autor noch, indem er sie Maria teilen läßt. Sie glaubt auch daran, und einmal wird der Donnergott auch als Heilsbringer in die Handlung eingebaut. Daß der ‚Schatz’, die wichtigsten Besitzgegenstände ihrer Familie, die Maria vor der Hexe in Sicherheit gebracht, dann aber den Ort vergessen hat, zum Schluß am Ende eines Regenbogens gefunden wird, macht die ganze Geschichte endgültig zum Märchen.
Ich fand es nicht sehr lustig.
edit: andere ISBN, weil amazon bei der gebundenen Ausgabe ein falsches Titelbild zeigt.