Kurzbeschreibung:
Aus der Reihe zur Vorstellung ihrer Dichter des Carl Hanser Verlags stammt auch diese Gedichtsammlung von Günter Kunert.
Die Gedichte wurden ausgewählt von Raoul Schrott, Siegfried Vollger und Michael Krüger.
Sie stammen aus verschiedenen Bänden: Mein Golem, Berlin beizeit, Feind daheim, Abtötungsverfahren, verlangen nach Bormazo.
Über den Autor:
Günter Kunert wurde 1929 in Berlin geboren. Johannes R. Becher hat ihn gefördert, von Brecht hat er gelernt; Kleist, Lenau, Heine, Montaigne waren seine Vorbilder. Günter Kunert gehört zu den bedeutendsten und vielseitigsten deutschsprachigen Autoren. Er schreibt essayistische und erzählende Prosa, vor allem Gedichte sowie Hörspiele, Fernsehspiele und Filmdrehbücher.
1979 verließ Kunert die DDR und lebt heute als freier Schriftsteller in der Nähe von Itzenhoe.
Günter Kunert erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Heinrich-Mann-Preis (1962), den Johannes-R.-Becher-Preis (1973), den Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf (1985), die Ehrendoktorwürde des Allegheny College in Pennsylvenia (1988, USA), den Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg (1991), den Ernst-Curtius-Preis für Essayistik (1991), den Hans-Sahl-Preis (1996) und den Georg-Trakl-Preis (1977, Österreich).
Rezension:
Den Gedichten vorgestellt ist wieder einmal ein Begriff aus dem kleinen Lexikon poetischer Kunstgriffe, diesmal das lyrische ich.
Schon im ersten Gedicht “Wahrnehmung“ die erste Zeile ist typisch für Kunert:
„Wahre Gedichte entstehen aus Sorglosigkeit. Das Gehör scheint intakt,
die Muse redet wie du sie verstehst.“
Kunerts Einfachheit überzeugt in „Perspektive“:
„Wie vieles existiert nur sobald man daran denkt.“
Mit Perspektiven beschäftigt Kunert sich auch in dem Gedicht „Venedig IV“.
Kunert ist originell in „Standpunkte“:
„Im Kopf eine Landkarte
mit ausgezeichneten Irrwegen.“
In praktisch jedem Gedicht finde ich mindestens eine Zeile, die mich fast umwirft.
„Selbstfindung“:
„früh versteint wer irgendetwas überleben will.“
Beklemmend ist „Prinsengracht 263 Anne Frank-Haus“
Kunerts umwerfenden Humor findet man in „Nahwest oder Fern im Okzident“
„So finde ich Max Frisch ganz friedlich
zumindest saß er völlig unbewaffnet
in unserem Wohnzimmer und trank Rotwein.“
Nicht nur Max frisch wird erwähnt, auch Wolfgang Koeppen wird ein Gedicht gewidmet: „Vor seinem Angesicht“
Etwas bitter scheint mir „Bürogebet“, obwohl es mich auch beeindruckt.
Eine Serie von Reisegedichten folgt: „Der Reisebegleiter“, „Reisebericht“, „Urlaubsfoto“, „Reiseresümee“.
Dann Berliner Gedichte: „Berliner August“, „Einmal Bärin und zurück“
Auch Dichtergedichte sind enthalten: „Schiller, leicht aktualisiert“, „Kleist zufolge“, und natürlich das berühmte „Goethe – stark verbessert“
Diese Gedichtsammlung endet mit „Fragment“ aus mein Golem.
Die Sammlung stellt den Dichter auf die Schnelle vor und ist weniger komplex als Hansers Werkschau: So und nicht anders.
40 außergewöhnliche Gedichte sind enthalten. Wirklich eine gelungene Auswahl.