Der falsche Tote – Lars Saabye Christensen
Kurzbeschreibung
Als Hans-Georg Windelband eines Morgens in der Zeitung seine eigene Todesanzeige liest, hält er dies zunächst für einen makabren Scherz - ist er doch jung und erfreut sich bester Gesundheit. Sein väterlicher und einziger Freund, der Schlachter, rät ihm, für eine Weile zu verschwinden, eine kleine Auszeit vom hektischen Leben zu nehmen und Erholung zu suchen. Windelband ist zunächst auch geneigt, die kleine Verschnaufpause vom tristen Alltag entsprechend zu nutzen, aber dann siegt die Neugier: Gar zu gern möchte er wissen, wer eigentlich der Tote ist, der in wenigen Tagen unter seinem Namen beigesetzt werden soll. Er beschließt, zur Beerdigung zu gehen und sich unter die Trauergemeinde zu mischen. Im Krematorium lernt er den alten Malvin kennen, der bei einer Flasche Calvados bereitwillig erzählt, was er über den Toten mit dem schrecklich zugerichteten Gesicht weiss. Der Schlachter und Malvin bilden nur den Anfang einer Kette schillernder Figuren, welche die Spur säumen, der Windelband quer durch die Osloer Unterwelt folgt und die andererseits immer wieder zu angesehenen Bürgern der Stadt führt. Denn eines ist schon bald auch Hans-Georg Windelband klar: Der falsche Tote wurde ermordet - und sein eigenes Leben wird niemals mehr sein wie zuvor ...
Meine Meinung
Obwohl dieses Buch unter der Reihe „Krimi international - Tatort Norwegen“ firmiert, ist es alles andere als ein herkömmlicher Kriminalroman. Und auch der Untertitel, „Ein Fall für Hans Georg Windelband“ ist unpassend, schließlich liegt der schon zu Beginn de Buches zerschmettert im Bestattungsinstitut, und es wird sehr schnell klar, dass der echte Windelband sich nach einer neuen Identität umgucken muss.
Denn wenn auch die Geschichte des falschen Toten zunächst ausgesprochen mysteriös ist, so ist auch der Held, Windelband, nicht weniger dubios. Und während der langsam das Geheimnis um den falschen Toten lüftet, welches, wie könnte es in einem skandinavischen Krimi anders sein, auch in die verlotterten oberen Etagen Oslos führt, erfährt der Leser Stück für Stück die Geschichte Windelbands.
Das spannende an diesem Krimi ist sicherlich nicht die Story, die zwar gekonnt konstruiert, aber nicht sonderlich originell ist. Faszinierend ist vielmehr das Treiben Windelbands durch alle Schichten der norwegischen Gesellschaft, jenseits jeglicher Nordlandromantik, ruhig, aber zwingend zum Finale steuernd. Die Menschen, die ihm begegnen, sind alle nicht das, was sie scheinen und überhaupt zieht das Spiel mit den Identitäten sich wie ein roter Faden durch das Buch.
Wer eher auf actionreiche Krimis steht, sollte von diesem Buch die Finger lassen: Blut taucht allenfalls auf, wenn Windelband mal wieder eins auf die Nase kriegt und rasant ist höchstens der Abstecher nach Bergen auf Norwegens gemeingefährlichen Küstenstraßen. Das Buch hat so seine Längen, dafür aber eine wunderbar lakonische Sprache, die einen andererseits immer wieder in die Handlung hineinzieht.