Klappentext:
"Der Roman "Die Abschaffung der Arten" steht in der Tradition großer spekulativer Literatur über Niedergang und Wiedergeburt der Zivilisation von Thomas Morus, Voltaire und Mary Shelley über H. G. Wells und Jules Verne bis hin zu Stephen King und William Gibson. Wenn Charles Darwin Krieg der Welten geschrieben hätte, vielleicht wäre ein Buch wie dieses dabei herausgekommen: ein abenteuerliches Liebeslied, eine epische Meditation über die Evolutionstheorie und der waghalsige Versuch, Fossilien von Geschöpfen freizulegen, die noch gar nicht gelebt haben."
Meine Rezension:
Die ‚Krone der Schöpfung’ ist besiegt, das Tierreich hat sich aufgebäumt. Wobei, nicht ganz: Es wird wenige Leser verwundern, dass das Ende der Menschheit auch in dieser Zukunftsprojektion selbstverschuldet ist. Es ist ein Exemplar eines modernen Menschen – ein von Neugier getriebener Biochemiker – der synthetisiert, aufspaltet, manipuliert. Mit der Erfindung der Pherinfone, sogenannter Pheromon-basierter Informationstechnologie, schließlich verlieren die Menschen endgültig die Kontrolle über ihr Wirken.
Der deutsche Journalist, Schriftsteller und studierte Physiker Ditmar Dath durchspielt in skurril anmutenden Szenarien beängstigende wie faszinierende Folgen der modernen Biotechnologie. Da ermittelt ein Dachs in Fällen von Sodomie, da betreut eine Libelle Großbauprojekte, da strebt ein Zander nach der Eroberung des Weltalls. Sie gehören den ‚Gente’ an, Zwischenwesen des neuen Zeitalters – auch in der Zukunftsversion bedeutungsschwanger geleitet von dem König der Tiere, dem Löwen Cyrus Golden.
Wen beeindruckt denn heute noch die Nanotechnologie? Gen-Anpassungen an schädlingsresistenten Mais? Replikate von Schafen namens Dolly? Darwins biologisches Meisterwerk „Die Entstehung der Arten“ findet hier seine literarische Herausforderung. Die Evolution nach Daths erlaubt gemäß dem persönlichen Willen beliebig oft die Anpassungen der eigenen Gestalt, die Befreiung von allen genetischen Vorgaben und das Heraufbeschwören neuer Götter.
Die letzten Menschen jedoch sind den veränderten physikalischen und biologischen Variablen nicht gewachsen, sie werden von den Gente versklavt und sehen sich letztlich ihrer eigenen finalen Selektion gegenüber. Darwins berühmte Maxime nach dem ‚survival of the fittest’ erhält in diesem Zusammenhang einen äußerst morbiden Beigeschmack. Die Gente bevölkern in undefiniert ferner Zukunft drei Städte des alten Europa, den Atlantik und den Lauftraum, als sie erfahren, dass neue Mutationen sie bedrohen. Der damit einher gehende Weltkrieg ist ein biologischer und treibt die Geschöpfe weit in die Tiefen der Galaxis.
Der rote Faden all dieser rasanten Entwicklungen wird dem Wolf Dmitri fast wortwörtlich an die Schwanzspitze gebunden. Sein Erscheinen in immer wieder neuer Gestalt führt den Leser durch die verschiedensten Wirklichkeiten dieser Utopie und lässt ihn teilhaben an detailreichen Dialogen. „Die Abschaffung der Arten“ fordert dem Leser Einiges ab: Naturwissenschaftliche Fachbegriffe und kulturhistorische Andeutungen folgen Schlag auf Schlag. Und doch sollte sich niemand die Lesefreude davon verderben lassen, dass ihm auf einer Buchseite mitunter gut ein Dutzend nie gehörter (oder auch nie existenter) deutsche Wörter entgegen springen. Der Autor versteht den Mensch als vernunftbegabtes Wesen und fordert die kognitiven Eigenschaften des Lesers unerbittlich heraus. Ich gebe offen zu, dass mir einige Sätze bis heute unverständlich geblieben sind und dass die von Dath skizzierte Apokalypse meine gesamte Konzentration gefordert hat.
Diese Kombination könnte sich für ein Buch zu einem absoluten Totschlagkriterium entwickeln, wäre da nicht die angeborene menschliche Neugier. Ist eine Entgleisung biochemischer Prozesse wirklich möglich? Haben wir unsere genetischen Experimente noch im Griff? Letztendlich fesselt die Realität doch mehr als jede Fiktion. Nur, wo verläuft die Grenze?
Das Buch stand auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2008 und ist extrem schwer in irgendein Genre einzuordnen. Habe nie zuvor auch nur etwas Ähnliches wie dies gelesen! Irgendwie ist es Science-Ficton, habe es aber extra nicht dort eingeordnet, weil es sicher auch den nicht-Zukunfts-Fans gefallen wird - es ist schlichtweg eine spezielle Art der Belletristik! ;0)
GRÜSSE
savanna
ASIN/ISBN: 3518461451 |