Varus - Iris Kammerer

  • Kurzbeschreibung:



    Zwei Männer - ein Verrat: Nie war eine Schlacht so verheerend
    Publius Quinctilius Varus war ein Mann von Charakter, Stärke und viel Vertrauen in die Seinen. Denn sonst hätte der römische Statthalter die Zeichen deuten können, die er übersehen wollte. Hinweise darauf, dass der Cherusker Arminius nicht zuallererst sein enger Vertrauter war, sondern im Herzen immer noch Germane - und als Germane die römischen Unterdrücker auf brutalste Weise zu vernichten plante. Die Varusschlacht tötete 20.000 Menschen - Männer, Frauen, Kinder - und gilt als Schicksalsstunde Europas. • Der Roman zum Jubiläum: 2.000 Jahre Varusschlacht • Nach der "Cinna"-Trilogie begeistert Iris Kammerer mit einem neuen großen Roman • Faszinierend, actionreich und spannend wie Bernard Cornwell


    Über die Autorin:


    Iris Kammerer, 1963 in Krefeld geboren, arbeitete nach dem Studium der Klassischen Philologie und Philosophie als Texterin, Redakteurin und Beraterin. Seit 2004 ist sie freie Autorin. Bisher erschien die erfolgreiche Trilogie um den römischen Offizier Cinna ("Der Tribun", "Die Schwerter des Tiberius" und "Wolf und Adler") sowie der im Mittelalter angesiedelte Roman "Der Pfaffenkönig". Iris Kammerer lebt zusammen mit ihrem als Sachbuchautor tätigen Mann Helmut Kammerer in Marburg.



    Eigene Meinung:


    Je weiter man sich entfernt von den inneren Regionen des Erdkreises rings um Unser Meer und in die äußeren Gebiete vordringt, wo der Oceanus in schier unendlichem Wellenring die Lande umschließt, umso wilder werden die Menschen und Tiere, die dort leben. Mit diesem Satz beginnt der neue Roman von Iris Kammerer. Und sofort ist damit auch ein Moment da, durch den man in eine vergangene Welt gezogen wird. In das Jahr 9 als sich drei römische Legionen unter Statthalter Varus auf den Weg ins Winterlager begeben. Als Leser bekommen wir die Ereignisse aus der Sicht von Titus Annius, ein Schreiber im Heer, seiner germanischen Sklavin Thiudgif, die den Heereszug im Tross folgt und Gaius Caelius Caldus, einem senatorischen Tribun, der schon früh hellhörig wird, ob der Anschuldigungen des germanischen Fürsten Segestes gegen seinen Verwandten Arminius.


    Die Ereignisse der Varus-Schlacht werden gänzlich aus römischer Perspektive geschildert. Arminius selbst tritt nur an wenigen Stellen in Erscheinung. Durch diese Sicht wird vor allem im Hauptteil die um sich greifende Verunsicherung spürbar, als erste Teile der Nachhut angegriffen werden und die Nachrichten spärlich in die anderen Teile des Zuges dringen.
    Die Angriffe auf den Heereszug sind sehr ansprechend geschildert. Kampfszenen sind für mich immer heikle Szenen in Büchern, weil sie für mich oft, wenn sie zu sehr ins Detail gehen und Kampftechniken schildern, in Langweile abdriften. Hier hat mir die Schilderung zugesagt. Es war sehr vielfältig, abwechslungsreich, nicht zu viel und nicht zu wenig und hat sowohl die taktischen Geschehnisse als auch eine Stimmung transportiert. Zugleich wurde damit auch der Schrecken des Kampfes gezeigt, mit einer unglaublichen Szene, die mir ich auch jetzt, mittlerweile mehrere Tage nach Beendigung des Buches, noch eine Gänsehaut verursacht.


    „Varus“ überzeugt auch mit einer angenehmen Sprache und vielschichtigen Figuren. Diesmal hatte ich allerdings Probleme mit dem Spannungsbogen. Am Beginn war ich zwar sofort wieder in eine andere Zeit hineingezogen, aber die Geschichte hat lang gebraucht, bis sie mich wirklich fesseln konnte. Mit dem Beginn der Schlacht hat sich dieses Problem gelegt, ist dann aber leider, als sich die Legionen aufzulösen begannen, auch wieder zurückgekehrt und hat bis zum Ende angehalten. Vor allem fehlte mir ein sichtbarerer roter Faden, der in den vielen detailreichen Szenen etwas unterzugehen droht. Diese Szenen sind für sich genommen zwar alle interessant, aber es fehlte ein zusammenhaltender Erzählfluss, der im Hauptteil dann auch vorhanden war.


    Insgesamt ein gut zu lesender historischer Roman, wenn er auch nicht an die Cinna-Trilogie heranreicht.



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  • Varus - Iris Kammerer


    Man sollte diesen Roman mit der Lektüre des kurzen Nachworts beginnen. Klug formuliert werden hier die grundsätzlichen Probleme skizziert, die man beachten muß, wenn man sich der Bearbeitung eines Ereignisses widmet, das 2000 Jahre zurückliegt und von dem mehr Dichtung überliefert ist als Wahrheit. Abgesehen davon, daß der Ort der sog. Varusschlacht nicht genau lokalisierbar ist - ein Umstand, den diese kriegerische Auseinandersetzung mit sehr vielen anderen im Lauf der Geschichte teilt - , gerät man bei der näheren Betrachtung der beteiligten Parteien in ein interpretatorisches Geflecht, das allein von den beiden Polen Negativ und Positiv bestimmt zu sein scheint. Nicht nur erfordert eine Niederlage auf der anderen Seite einen Sieg, sehr schnell ist man auch dabei, diese Abstrakta zu personifizieren und ihnen Namen zu geben. Varus hie, erfordert ‚Arminius’ da. Ist das einmal geschehen, kann man nur noch Urteile sprechen, schwarz oder weiß, was der eine nicht ist, kann nur der andere sein. Es gibt keine halben Töne mehr, kein Grau. Aus Komplexität wird Einschichtigkeit. Schwäche versus Stärke, Besatzer versus Befreier, Versager versus Held. Allein die Namen der beiden Protagonisten können noch umverteilt werden. Das geschah schon sehr früh in der Überlieferung.
    Die wenigen Aussagen der zeitnahen Berichterstatter aber zeigen bereits Widersprüchlichkeiten bei der Charakterisierung der Protagonisten. Das gilt vor allem für Publius Quinctilius (ältere Form Quintilius) Varus. Wer genau ‚Arminius’ war, ist mehr als spärlich belegt, und noch spärlicher seine Rolle in jenem Aufstand im Herbst des Jahres 9, der für das militaristische römische Reich eine traumatische Niederlage brachte.
    Die Autorin nun entschied sich, vor allem die Gründe für das Handeln des römischen Statthalters in den Vordergrund rücken. Zum anderen ging es ihr um eine ausführliche Darstellung der Schlachtereignisse aus den Augen der Betroffenen, also die romanhafte Verarbeitung dessen, was die Schrecken einer kriegerischen Auseinandersetzung, deren Ende nur die völlige Vernichtung des Gegners ist, ausmachen. Varus ist ein Kriegsroman.


    Er beginnt überaus effektvoll mit einem Blick des Gefreiten Titus Annius über einen Gerichtsplatz. Statthalter Quinctilius Varus wird erwartet. Bereits in Annius’ Blick und den dazugehörigen Gedanken, wird die grundlegende Konfliktsituation deutlich. Römische Besatzer, einheimische ‚Barbaren’, es herrschen Fremdheit, Unverständnis, Mißverständnisse, nicht wenig Angst, aber auch eine Bereitschaft, die Verhältnisse zu akzeptieren und mit ihnen zu leben. Wir erfahren ein wenig über Annius, seine militärische Laufbahn, seine Verletzung, die ihm den Dienst in der Schreibstube eingetragen hat. Annius wird die Hauptfigur werden, die Leserinnen und Leser weiter durch den Roman führen wird. Aber noch ist er Zuschauer.
    Aus seinen Zuschaueraugen sieht man kurz darauf auch zum erstenmal den Statthalter. Sein Auftritt vollzieht sich rasch. Die eigentlich Handlung setzt ein, als er sich nach einiger Zeit von seinem Sessel auf der Gerichtstribüne erhebt, um in einen Streitfall einzugreifen. Die Wortwahl der Autorin, die hier für Tribüne das nicht ganz passende Wort ‚Bühne’ als Synonym nutzt, erweist sich tatsächlich im Nachhinein als präzis.


    Hier wird ein Bühnenstück vorgeführt. Ein Historiendrama. Nacheinander treten die Personen auf, Arminius ist der nächste, gleich hinter ihm und im Streit im ihm, Segestes, der auf Seiten der Römer steht. Andere römische Offizieren folgen, fast der Rangfolge nach, Legat, Tribun, Zenturio. Gemeine. Dazwischen viel Volk. Die Truppe, ein Wort, das Soldaten wie Schauspieler gleichermaßen bezeichnen kann, versammelt sich. Jeder spricht seinen Text und gibt dem nächsten das Stichwort.


    Doch eh es im Großen weitergeht, erlebt Annius ‚sein’ Abenteuer, das ihn vom Zuschauer und Berichtenden zum Handelnden macht. Infolge eines flüchtigen Blicks auf ein gefangenes Barbarenmädchen, erwächst in ihm der Wunsch, sie zu befreien. Kurzentschlossen zwingt er dem Sklavenhändler - auch er eine Bühnenfigur - ein Glücksspiel auf. Und gewinnt.
    Nun steht er da, im Licht der Scheinwerfer, mit einem rothaarigen, mageren und eher unhübschen Mädchen, das, halb zornig und halb verängstigt, ihn nur in die Bredouille bringen kann. Annius findet, zu seiner (und der ZuschauerInnen) Erleichterung, eine Lösung für sein Problem.


    Aber es gibt größere Probleme als sein Privatleben, der zweite Akt beginnt. Wir hören von den ersten Anzeichen einer drohenden Verschwörung im römischen Lager. Doch wer immer vor dieser Verschwörung warnt, findet keinen Glauben. Die Erkenntnis kommt erst, als es zu spät ist. Das ist das Moment des Schicksals, es hat einen Touch altgriechischer Tragödien.
    Dieser Teil der Handlung ist recht gut variiert, es reicht von der Haltung eines alten, erfahrenen Legaten, der einem jüngeren Offizier einfach nicht glauben kann - das Kommißkopf-Problem - bis hin zu dem Mädchen Thiudgif, die aus Angst vor der Folter einen Mord, dessen Zeugin sie wird, verschweigt. Zentral ist dabei Varus, der Arminius so sehr vertraut, daß er auch den deutlichsten Anschuldigungen gegen ihn nicht nachgeht. Großen und kleine Szenen wechseln sich in genau bemessener Abfolge ab. Die Spannung hat bis zum endgültigen Aufbruch der drei unglücklichen Legionen und ihres Trosses ein beträchtliches Maß erreicht.


    Krude und höchst blutig geht es dann auf dem Marsch zu, als die Überfälle der verbündeten germanischen Stämme beginnen. Einen beträchtlichen Teil des Romans nehmen die Schilderungen der grausamen Vorgehensweise der germanischen Gegner ein. Die Autorin erspart einem wenig. Vom Historien - und Heldenstück wird man schlagartig in eine jakobinische Tragödie geworfen, von der man weiß, daß sie nicht eher enden wird, als bis der Bühnenboden knietief von Blut und Leichenteilen bedeckt ist. Das ist durchaus beachtenswert erzählt, der triefnasse Wald, der Dunst, die Unwegsamkeit des Geländes treten sehr plastisch zutage. Recht gut spürbar werden auch die wachsende Angst und vor allem die Verwirrung und Orientierungslosigkeit, die die Betroffenen fühlen.
    Der Höhepunkt am Ende des dritten Akts, der Selbstmord des Varus.


    Der vierte Akt ist vor allem den Möglichkeiten der Flucht gewidmet. Nur wenige werden es schaffen, nicht wenige Sympathieträger nicht. Denn hier stehen auch die Angreifer im Scheinwerferlicht, Arminius bekommt einen ganz großen und einen etwas kleineren Auftritt.
    Im fünften Akt dann endgültige Rettung, Rückblick und Ausblick. Trotz des Horrors können wir das Theater mit einer kleinen Hoffnung im Blick verlassen.


    Abgesehen von den Beschreibungen des reinen Horrors im zweiten Teil, lebt der Roman vor allem von vielen, liebevoll ausgemalten Alltagssituationen. Das macht alles lebendig, schafft schöne Stimmungen. Hervorgehoben sei etwa die Szene am abendlichen Brunnen, als Annius den jungen Tribun Caldus trifft und ihn in die Geheimnisse des Weinmischens einweiht, aber auch kleine Gesten, wie etwa die, als Annius Thiudgif Kuchen mitbringt, oder aber die Kindheitserinnerungen Thiudgifs. Überhaupt ist den Wünschen und Zukunftsträumen der Personen einiger Raum gewidmet, sei es die Zeit nach der Pensionierung, sei es vergangenem Schlachtenruhm oder ein glückliches Familienleben.
    Eine gute Entscheidung war es, einige Figuren mit den wenigen Namen zu versehen, die über Münzen oder eine bestimmte Inschrift direkt mit der Varusschlacht in Verbindung gebracht werden können.


    Hin und wieder allerdings schießen die Alltagsszenen übers Ziel hinaus. Man muß nicht jedesmal lesen, daß die Huren billig, aber sauber sind, und wenn man an einem Bordell vorbeigeht, muß man nicht auch noch die Betten quietschen hören, was überdies einen komischen Effekt hervorruft, der gerade an dieser Stelle doch fehlt am Platz ist. Und irgendwann weiß auch die letzte Leserin, daß und wie das Brot gewürzt ist.
    Zuweilen wirken sich die Wiederholungen ungünstig auf Personen und auf bestimmte Themen aus. Amras Bezeichnung der Huren als ‚schlechte’ Frauen wird rasch zu einer Besessenheit, die bei einer eher sympathischen Figur unangenehm berührt. Ähnlich obsessiv wird das Thema Vergewaltigung abgearbeitet.


    Einiges an gutem Glauben verlangt die Handlung um Annius ab. Warum ein Sklavenhändler eine eben erwobene Sklavin beim Würfelspiel mal eben so, auf die ganz überraschende Herausforderung eines Fremden, einsetzen soll, ist nicht klar. Ebenso muß man hinnehmen, daß Annius, offenbar vom Blitz der Liebe getroffen, von einem Augenblick zum nächsten irrational handelt. Er gerät darüberhinaus ein wenig zu edel.
    Überhaupt hapert es bei der Charakterisierung. Letztlich blieben alle Personen blaß, die psychologische Tiefe fehlt. Varus versucht sein Bestes zu tun, ein braver Mann. Er kann halt nicht glauben, daß Arminius etwas gegen ihn plant. Arminius gerät dadurch gegen Ende geradezu zum Monster, weil er auf einmal zuviel Raum einnimmt. Hier ist man dann wieder sehr nahe an der klassischen Schwarz-Weiß-Zeichnung. Auch Valas plötzliche Erkenntnis bleibt in all dem Blut, Schweiß und den Tränen zu flach.


    Sprachlich-stilistisch ist der Roman weitestgehend gut gelungen. Es ist kein pädagogisches Traktat zum römischen Heer der frühen Kaiserzeit in Germanien, die historischen Realia fügen sich nahezu nahtlos in den Text. Verzichtet wird auf die Wahl übermäßig altertümlicher Wörter, die die Texte historischer Romane ‚authentischer’ machen sollen, sie aber nur museal-verstaubt erscheinen lassen. Vo allem aber verzichtet die Autorin weitestgehend auf die ‚bildkräftigen’ Vergleiche, die sich in letzter Zeit in historischen Unterhaltungsromanen geradezu seuchenartig ausbreiten. Sie scheinen unseligerweise in den Rang des ‚Poetischen’ erhoben worden zu sein, obwohl sie de facto nur den Eindruck vermitteln, daß man in einer Parodie des Genres gelandet ist.


    Ein Glossar im Anhang informiert über Personen, Ortsnamen, Ereignisse, militärische Begriffe und Gegenstände des Alltags. Annius, unser Held, der im Text Titus heißt, ist in meiner Ausgabe allerdings als Publius aufgeführt. Gestört hat mich, daß die niederen Dienstgrade mit dem historisch doch sehr weit entfernt liegenden Begriff ‚Gefreiter’ tituliert wurden.


    Das Fehlen einer Karte, auf der man wenigstens annähernd den Weg hätte sehen könne, den die drei Legionen auf ihren Marsch nach Xanten nahmen, macht sich bemerkbar. Die vorhanden ist nicht hilfreich. Man verliert beim Lesen sehr schnell die Übersicht darüber, wo sich wer denn nun eigentlich befindet. Damit ist man zwar mit den Opfern auf einer Stufe, aber da man auf dem Sofa sitzt und nicht im nassen Teutoburger Wald, irritiert es doch.
    Die Gestaltung des Covers mit den erhabenen Teilen von Helm sowie den Buchstaben des Titels sind wohl der Erwartung des Massenpublikums geschuldet. Auf mich wirkt es eher billig, aber das sind Fragen des persönlichen Geschmacks.


    Was bleibt, ist die Erinnerung an einen soliden und sehr spannenden historischen Unterhaltungsroman, an überzeugende Schilderung von den Grausamkeiten im Krieg, einschließlich einiger sehr moderner politischer Korrektheiten, auf die zumindest ich hätte verzichten können. Varus allerdings hat gehandelt, wie er eben gehandelt hat, das Rätsel bleibt weiterhin ein Rätsel. Ebenso bleibt es ‚Arminius’.
    Die Liebesgeschichte ist eine Spur brav und auf jeden Fall vorhersehbar, recht schön das Spiel mit dem Vornamen Thiudgif/Rufilla, fast zu nett der private römisch-germanische Brückenschlag am Ende. Aber trotzdem ist es eine schöne Geschichte zweier Liebender in den tödlichen Bedrängnissen des germanischen Herbstes im Jahr 9.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • <Iris taucht mal eben kurz aus dem papiernen Meer in ihrem Schreibstübchen auf...>


    Vielen lieben Dank für die Rezis! Ich bin ganz gerührt. :-)


    Inzwischen hat sich ja einiges an richtig guter Presse für das spectaculum antiquum angesammelt, und mehrere Auflagen gibt es auch schon, was erfreulich ist. Aber Eulenrezis sind schon was Besonderes. :wave


    Jetzt würde ich gerne noch wissen, welche Szene dir Gänsehaut verursacht hat, taci ...

  • Wann haben wir hierzulande schon die Möglichkeit, etwas zu feiern, das 2000 Jahre zurückliegt?
    Man kann sich natürlich fragen, ob das überhaupt ....
    :grin


    Jedenfalls brauchen Museen und Ausgrabungsstätten Geld. Osnabrück sicher auch, es wäre die erste Stadt, bei der das nicht der Fall wäre.
    Wissenschaftstourismus ist auch mehr und mehr 'in'.
    Da kann man nur noch 'viel Spaß' wünschen.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Meine Lesung im Museum war jedenfalls sehr schön, auch wenn wieder mal keine Eulen da waren. Gut besucht war sie auf jeden Fall und den Leuten scheint es auch ohne Triumphgeheul und Nationalfeiertagsstimmung gefallen zu haben. :-]


    Magali, wenn du wissen willst, ob ich das Ereignis für einen Grund zur Freude halte, musst du bloß mal meine aktuelle Signatur lesen. :lache

  • Iris


    bekanntermaßen habe ich Cinna 1 und Varus gelesen.
    Wie sollte ich nicht wissen, woran Dir liegt?


    Natürlich sind da auch noch die Verkaufszahlen von 'Varus' ...
    ;-)



    Prosit!


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Iris
    Meine Lesung im Museum war jedenfalls sehr schön, auch wenn wieder mal keine Eulen da waren. Gut besucht war sie auf jeden Fall und den Leuten scheint es auch ohne Triumphgeheul und Nationalfeiertagsstimmung gefallen zu haben. :-]


    Liebe Iris, ich war vor zwei Wochen im Museum und mich geärgert, daß ich es momentan zeitlich einfach nicht schaffe... :(

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Den zwei großartigen Rezensionen habe ich eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen. Ich wollte mir eigentlich einen Teil davon für Silvester aufheben, konnte es aber nicht aus der Hand legen und habe schließlich heute Nacht um eins die letzte Seite umgeblättert.
    Es mag sein, dass sich hier kein roter Faden durch die Geschichte zieht, braucht man bei einer Rahmenhandlung, die so fürchterlich ist, überhaupt einen roten Faden? Ich habe jedenfalls keinen vermisst. Ich fands gut, dass hier das eigentliche Thema nicht durch Nebenhandlungen wie z. B. eine Liebesgeschichte verdrängt wurde. Die, die sich angebahnt hat, war leise und passend und hätte nicht anders sein dürfen. Gut gefallen hat mir auch, dass hier nicht ausschließlich aus der Sicht von Annius erzählt wurde sondern dass wir Annius z. B. auch aus der Perspektive der anderen Protagonisten gesehen haben. Bis auf Arminius, der eher vage gehalten war, wie eigentlich alle "Barbaren" sind die Protagonisten sehr vielschichtig gezeichnet. Besonders Varus mit seiner Unbedarftheit, späten Erkenntnis, Angst und Verzweiflung hat mich beim Lesen nicht kalt gelassen.
    Es ist kein eindimensionales Bild, was hier gezeichnet wurde. Kein klassisches: böser Germane, guter Römer. Es wird deutlich, einer der Protagonisten spricht es auch aus, dass die Germanen die in der Schlacht angewandten Grausamkeiten von den Römern übernommen haben. Geschlagen also mit den eignen Waffen, mit der eigenen Technik. Besonders fürchterlich fand ich das, was ich beim Lesen als Demoralisierung der Truppen empfunden habe: [sp]Körperteile der getöteten Soldaten, Frauen und Kinder als Wurfgeschosse für die Katapulte zu benutzen, tote Frauen und Kinder über eine weite Strecke als Mahnmal am Straßenrand aufzuhängen. [/sp]
    Für den Leser gibt es keine Schonung, bei den Kämpfen ist er unmittelbarer Beobachter. Angefangen bei den kleineren Überfällen bis hin zur alles vernichtenden letzten Schlacht.
    Was mir gut gefallen hat ist, dass keine Wertung erfolgt. Dem Leser bleibt es am Ende selbst überlassen, welche Seite er verurteilt, ob er überhaupt eine Seite verurteilt. Ich für meinen Teil verurteile keine der beiden Seiten. Schuldig haben sich letztendlich beide gemacht, beide standen sich in Grausamkeit nichts nach.


    Die von Taciturus gespoilerte Szene fand ich erstaunlich.


    Wenn ich überhaupt einen kleinen Kritikpunkt habe, dann ist das die Flucht der beiden Hauptprotagonisten nach der Schlacht. Dieser Teil hätte für mich etwas kürzer sein können.


    Ein Buch, das durch seine intensiven Schilderungen noch lange nachwirkt.
    Von mir eine klare Leseempfehlung.


    EDIT: Tippfehler korrigiert

  • Varus – Iris Klammerer


    Meine Meinung:
    Endlich mal wieder einen Iris Kammerer-Roman lesen zu können, das garantiert hohes Niveau bei gleichzeitig guter Lesbarkeit eines ansprechenden historischen Romans.


    Getragen wird der Roman nicht durch den Statthalter Publius Quinctilius Varus, obwohl dessen Persönlichkeit auch gut gezeichnet ist, sondern durch den aus Tarraco stammenden Schreiber Annius und der Beziehung zu Thiudgif, bei der, obschon ganz anders gestaltet, ich schon manchmal auch an Cinna und Sunja denken musste.
    Dabei ist die Liebesgeschichte nicht unsentimental. Der anständige Annius erwirbt die in Sklaverei geratene Germanin Thiudgif beim Würfelspiel ausschließlich, um sie aus ihrer Bedrängnis zu befreien und dann verlieben sich die beiden schließlich ineinander. So ein Beziehungsverlauf könnte schnell ins Klischee verlaufen, doch zum Glück schafft es Iris Kammerer auch, die Schwierigkeiten dabei zu zeigen. Annius weiß zuerst nicht, was er mit ihr anfangen soll, es gibt auch mit der Sprache Probleme, er kann nicht einmal ihren Namen aussprechen und nennt sie deshalb Ruffila. Ihre Angst in dieser von allen Seiten bedrohlichen Umgebung wird ebenfalls eindringlich beschrieben.


    So werden gerade die Beziehungen der Protagonisten zueinander sehr wichtig im Roman, zum Beispiel auch Annius Freundschaft zu dem Gefreiten Sabinus, die sich von einer anfänglichen Ungewissheit in eine intensive steigert.
    Ein weiteres Beispiel ist Varus selbst. Er vertraut dem Cherusker Arminius, hauptsächlich weil er ihn bewundert und mag, die Warnungen des Tribuns Gaius Caelius Caldus erreichen ihn hingegen nicht. Die konkreten Beschuldigungen eines Kundschafterführers gegen Arminius weist Varus sogar empört zurück.


    Gut gefallen haben mir auch die Szenen der Fahrt des Tross und auch die beeindruckenden Schlachtenszenen wurden mir nicht zu viel.


    Ansonsten finde ich mich in den obigen Rezensionen gut wieder, das gilt für die positiven Aspekte genauso wie teilweise auch für die kritischen Anmerkungen zur Charakterisierung, die ich in diesen Ausführungen nicht hätte machen, aber doch unterstreichen würde.


    Die Stimmung und der Verlauf vor und während der Varus-Schlacht werden detailreich gezeigt. Dazu kommt die gelungene Perspektive beim Erzählen, die konsequent durchgehalten wird. Varus überzeugt deshalb genauso wie die Gaius Cinna-Trilogie und wer die mochte, wird voraussichtlich auch etwas mit Varus anfangen können.


    Ich gebe dem Roman 9 von 10 Punkten.

  • Neulich, da war ich in Kalkriese. Einfach so. Quasi durch Zufall, ich war grade in der Nähe. Denn seit der Grundschule und dem Besuch des Hermannsdenkmals war ich Varus nur wieder begegnet, wenn mein Vater von den Funden im Norden von Osnabrück erzählte und begeistert war über diese Funde.


    Nun ist es zwar sehr wahrscheinlich, aber immer noch nicht abschließend hunertprozentig belegt, daß die Schlacht zwischen den aufständischen Germanen und den Legionen des Publius Quinctilius Varus wirklich in Kalkriese stattgefunden haben soll, trotz vieler Indizin, die dafür sprechen. Aber für dieses Buch hab ich einfach diese Gegend als Kulisse gewählt.


    Im Gegensatz dazu hat Iris Kammerer für ihren Roman eine Sichtweise gewählt, die sich nicht mit den Herrschenden und Mächtigen beschäftigt, nein, sie hat ihre Figuren aus dem Tross und den Legionen genommen, hat Arminius zu einer Rand- und Varus zu einer Nebenfigur gemacht, was dem Buch aber in meinen Augen keinerlei Abbruch tat. Wenn der Anfang auch ein wenig zäh daherkam, um die vielen Personen vorzustellen und auch einzuordnen, nimmt die Geschichte doch schnell Fahrt auf.


    Als Hauptfigur lernen wir Titus Annius kennen. Er ist Schreiber, der gleich zu Anfang einer Verhandlung bewohnen muß, bei der auch der erste Auftritt von Varus erfolgt. Doch außer über die Uneinigkeiten der Germanen untereinander erfahren wir hier nicht viel, dafür begleiten wir Annius weiter ins Heerlager, zu einem Würfelspiel, das er spontan mit einem Sklavenhändler ausknobelt und dabei ein junges, germanisches Mädchen gewinnt; diese hatte ihn irgendwie angesprochen, wie ein gerupftes Huhn erscheint sie. Während das gesamte Heerlager vom früheren Frontsoldaten Annius erwartet, daß er sich mit seiner Sklavin Thuidgif auch sexuell verlustiert, faßt er sie jedoch nicht an und bringt sie bei einer bekannten Frau im Tross unter.


    Nach dem Abmarsch der drei Legionen, die zu dieser Zeit ungefähr 18 000 (!)Soldaten umfaßte, wird der Leser immer tiefer in den Sog des Heeres gezogen. Die Sklavin Thuidgif, die eines Tages einen Mord beobachtet, dabei jedoch selbst nicht entdeckt wird, erzählt Annius davon, der ihr versprechen muß, es nicht weiterzuerzählen; denn damals wurden Aussagen von Sklaven nur dann Glauben geschenkt, wenn sie unter der Folter bestätigt wurden.


    Annius begegnet jedoch einem jungen Tribun, Caldus, der schon Zweifel an der Loyalität von Arminius hegt. Arminius hat als Tribun und Befehlshaber der einheimischen Truppen die Möglichkeit, die Germanen unter sich zu sammeln und als römischer Bürger kennt er die Kampftaktiken der Römer in und auswendig.


    Caldus erkennt den Zusammenhang zwischen dem Mord und den Verdächtigungen gegen Arminius und versucht, das Heer zu warnen; doch zu spät, es beginnt ein Gemetzel, an dem Iris Kammerer ihre Leser von Anfang an teilhaben läßt. Prima ist hier die Perspektive, wir erfahren nichts, aber auch rein gar nichts über die germansichen Truppen, einzig die Verwirrung, Konfusion, den Kampf und die Niederlage der Römer und der handelnden Personen spielen eine Rolle.


    Und so spannt die Autorin einen Bogen über ihre Figuren, berichtet von der Schlacht, der Niederlage, der Flucht und einer Romanze, die sich zwischen Annius und Thuidgif anbahnt.


    Dabei kommt jedoch auch die Schlacht nicht zu kurz, viele historische und wissenschaftliche Quellen gehen wirklich von einem Massaker aus, das von Iris Kammerer auch geschildert wird. Jedoch wird hier nie die Grenze zum geschmacklosen Blutbad überschritten, aber es fließt doch reichlich roter Lebenssaft.


    Mir hat das Buch prima gefallen, obwohl ich am Anfang eine Zeitlang gebraucht habe, um in die Geschichte hineinzukommen. Sehr interessant fand ich die gewählte Perspektive, die hier die Menschen in den Legionen als Opfer darstellt, die quasi blind ihren Vorgesetzten untergeben waren.


    Mein Prädikat: Ein Kriegsroman, der vor 2000 Jahren hier um die Ecke spielt - spannend!

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Lieben Dank, Caia und Herr Palomar, für eure Rezis! :anbet :knuddel1


    Jetzt muss ich aber schnell wieder ins Köln des Jahres 1248 abtauchen ...





    ... und beklage den herben Verlust des dortigen Stadtarchivs ... auch wenn die für mich wichtigen Dokumente schon sehr gut aufgearbeitet worden sind, aber wie konnte denn das bloß passieren?!?!?! :fetch

  • Zitat

    Original von Iris
    Lieben Dank, Caia und Herr Palomar, für eure Rezis! :anbet :knuddel1


    Ehre, wem Ehre gebührt. Und was mir gefällt, das sag ich auch, und was nicht, das auch :-]

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • “Mächtige kämpfen gegen Mächtige, und wir zahlen den Zoll, ganz gleich an wen.“ (Seite 403)


    Nach einer emotional extrem anstrengenden Lektüre sowie einer noch laufenden, ungemein interessanten Leserunde fällt es mir schwer, eine einigermaßen vernünftige Rezi zustande zu bringen.


    Zitat

    Original von magali
    Wann haben wir hierzulande schon die Möglichkeit, etwas zu feiern, das 2000 Jahre zurückliegt?
    Man kann sich natürlich fragen, ob das überhaupt ....


    Als ich das zum ersten Mal gelesen habe, habe mich mich (pflichtgemäß?) „natürlich“ gefragt, was denn so eine Meinungsäußerung soll ...


    Jetzt, (mindestens) 20.000 Tote später, bin ich schon (fast) der Meinung, das ist kein Grund zu feiern. Sicher, diese Schlacht hat die Weltgeschichte verändert. Wer weiß, wie es heute um uns stünde, hätten die Römer seinerzeit gewonnen. Andererseits, ganz ehrlich: geht es den Franzosen so viel schlechter als uns?


    Damit bin ich bei dem, was ich für mich persönlich als das größte Verdienst dieses Buches halte: in notwendiger Klarheit, aber ausreichender Distanz und vor allem ungewohnter Perspektive wird von einem Geschehen berichtet, dem über zwanzigtausend Menschen auf meist grausame und äußerst brutale Weise zum Opfer gefallen sind, das unsere Geschichte nachhaltig verändert hat. Von dem es eine vorherrschende Meinung gibt (ich entsinne mich, in meiner Schulzeit nur Gutes, fast schon Verherrlichendes, über den „deutschen Helden Hermann den Cherusker“ gehört zu haben), die über jeden Zweifel erhaben scheint.


    Und plötzlich ist alles ganz anders.


    Fehleinschätzungen, Fehlentscheidungen und Verrat der Oberen kosten Tausenden und Abertausenden das Leben. Auf dem Weg ins Winterquartier mitten in der Hölle auf Erden angekommen, bleibt nur noch eines: sehenden Auges in den sicheren Tod zu marschieren. Soldaten, Männer, Frauen, Kinder. Menschen.


    Und ganz plötzlich sind sie da. Die unangenehmen Fragen nach dem Sinn solchen Handelns; nach dem, was es den Menschen, nicht den Mächtigen, bringt. Auf einmal sind es nicht mehr nackte, trockene Zahlen, sondern Schicksale, die bewegen, erschüttern. Ereignisse, die verunsichern. Die so festgefügt geglaubte Meinung gerät ins Wanken und wird hinterfragt. Wie schon von anderen erwähnt, geschieht keine Parteinahme. Man muß sich selbst mit den Ereignissen auseinandersetzen und sich seine eigene Meinung bilden. Ich gebe zu, die war am Ende eine andere als zu Beginn der Lektüre.


    Sehr gut gefallen hat mir die eingewobene Geschichte von Titus Annius und Thiudgif. Auch wenn beide sicherlich keine historischen Figuren sind, war es letztlich deren Schicksal, das geholfen hat, das Unerträgliche zu ertragen. Das in der Hoffnungslosigkeit einen Hoffnungsschimmer hat erstrahlen lasen.


    Ein Buch, das zu den wenigen in meinem Leben gehört, die meine Meinung, mein Einstellung nachhaltig beeinflußt haben. Ein Buch, das noch lange nachhallen und mit Sicherheit nochmals gelesen werden wird. Und dem ich zum „Ausklang“ den „Tribun“ habe folgen lassen, der kurz nach den hier beschriebenen Ereignissen, wenngleich auch in einer etwas anderen Gegend, einsetzt und somit geeignet ist, vom Leichenfeld weg zurück ins normale Leben zu führen.


    So bleibt mir zum guten Schluß nur noch eines, nämlich in den Klageruf des Augustus mit einzustimmen:
    Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder!*



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    So in dieser Fassung habe ich diesen Ausspruch vor vielen, vielen Jahren zuerst in der Schule gehört. Inzwischen sind mir mehrere Varianten begegnet, aber diese gefällt mir immer noch am besten.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • dieses buch hat mich sehr beschäftigt (und tut es noch), ähnlich wie in der letzten zeit eigentlich nur noch "die seelen im feuer" von sabine weigand, obwohl ich einige wirklich gute historische romane gelesen habe (zu den beiden charlotten mit schwerpunkt england und venedig rüberwinke*g*).
    beschäftigt deshalb, weil ich mich gleichzeitig angesprochen (von der schreibweise) und abgestoßen (von dem ja als wahr bekannten geschehen) fühlte. beide autorinnen schaffen es, einen voll in die handlung einsteigen zu lassen, sie schildern grausames geschehen, ohne dabei sensationsreißerisch zu schreiben.
    zum buch selbst wurde hier bereits viel gesagt, dem ich mich nur anschließen kann, vor allem in sicolliers worten finde ich meine meinung sehr gut wieder.
    ich hatte in der schule vom helden arminius gehört, dessen bild ich jetzt auch aus anderen perspektiven zu sehen gelernt habe. auch sind mir einige denkanstöße gekommen.
    obwohl ich sonst viel auf magali-rezis gebe, kann ich ihr hier in einem punkt nicht zustimmen, denn ich fand das buch trotz des bekannten ausgangs durchwegs sehr spannend.
    ich werde es bestimmt nicht zum letzten mal gelesen haben, es gerne weiterempfehlen und ihm gleich 10 punkte geben.
    :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Was soll schon groß passieren, so dachte ich vor der Lektüre, schließlich saugt man da, wo ich geboren wurde, das Wissen um „Hermann den Cherusker“ mit der Muttermilch auf. Nun ja, dass es mit diesem Wissen eben doch nicht so weit her ist, habe ich im Laufe der letzten Jahre und der Lektüre einiger Sachbücher ja schon mitbekommen.


    Wenn ein Buch, zumal ein historischer Roman, ein Nachwort hat, so lese ich das zuerst. Auch in diesem Fall hat sich meine gängige Lesepraxis wieder als hilfreich bis wertvoll herausgestellt, begann sich doch angesichts von „zwei Männer – ein Verrat“ (das wohl der Verlagswerbung geschuldet ist) eine ungefähre Ahnung in mir auszubreiten, was mich denn erwarten würde. „Sich der Opfer annehmen, den wenigen überlieferten Namen ein Gesicht und eine Stimme geben“, so sagt Iris Kammerer in ihrem Nachwort, ist das Anliegen dieses Romans. Und „den Opfern ein Gesicht und eine Stimme“ zu geben ist ihr gelungen, ja in meinem Fall mehr als das. Nicht einen Roman habe ich gelesen, nein, die Geschichte habe ich miterlebt, miterduldet, mitgelitten.


    Sehr dankbar war und bin ich Iris Kammerer, dass für sie „die genaue Lokalisierung kein Thema“ war, „das mich bewegte“. Denn wie viel an Klugem und Dummen, an Unsinn und Blödsinn ist zu diesem Thema schon gesagt worden, zu viel für meinen Geschmack. Ich muss nicht wissen, wo diese Schlacht geschlagen wurde. Und wenn ich hin und wieder flappsige Bemerkungen über einen Ort in Niedersachsen mache, so liegt das nicht am Cheruskerfürsten, sondern an Heinrich Drake. Und das ist nun wahrlich wieder eine ganz andere Geschichte.


    Zum Inhalt haben dankenswerterweise schon meine VorrednerInnen einiges gesagt, so dass eine Wiederholung hier wohl nicht nötig ist. Und was, so überlege ich nun, soll ich bloß noch sagen, was noch nicht gesagt ist?


    Erzählen könnte ich von meinen Empfindungen, von dem, was dieses Buch in mir ausgelöst hat. Von dem Zauber, der sich bei den Szenen, die die beiden Hauptfiguren Annius und Thiudgif zusammen haben, einstellte und dem ich so gerne noch ein wenig länger erlegen wäre. Erzählen könnte ich auch von dem bei mir zunehmenden Grauen angesichts der Schilderungen des Kampfgeschehens. Obwohl ich mich da durchaus an noch detailliertere Schilderungen in anderen Romanen erinnern kann, waren die Bilder, die bei dieser Lektüre in meinem Kopf entstanden, derart plastisch, dass es mir gar den Schlaf raubte.


    Dieses Buch hat etwas in mir bewegt, hat mich bewegt, hat einige Erschütterungen in mir ausgelöst und wird mich so schnell nicht wieder loslassen. Viel Stoff zum Nachdenken habe ich nun, und ich wünschte mir mehr Zeit, um mich mit diesem Thema noch mehr zu beschäftigen. Verstehen möchte ich, warum Menschen einander so schreckliche Dinge antun, warum ein Volk sich über ein anderes erhebt, warum ein Leben in Frieden scheinbar nicht möglich ist.


    Was Iris Kammerer allerdings nicht gelungen ist: Meine großen Vorbehalte gegen die Römer zu zerstreuen. Sie sind geringer geworden, ohne Zweifel, aber sie gänzlich auszuräumen wäre wohl in meinem Fall eine wahre Herkulesaufgabe. Varus mag ich immer noch nicht, ich hatte zwar ein wenig Mitleid mit ihm angesichts seiner Enttäuschung über Arminius, aber dieses Mitleid galt eben einem Menschen, nicht dem Römer. So ist meine Lieblingsfigur – Caldus – Römer, aber das hinderte ihn nicht daran, sich in mein Herz zu schleichen. Und geschlichen ist auch in diesem Fall der junge Mensch, der seiner Zukunft beraubt wurde, und nicht das Mitglied einer angesehenen römischen Familie.


    Eine Verneigung vor der Autorin, vor ihrem Wissen, das zu vermitteln ihr sehr gut gelungen ist, vor ihrem Können, schier Unbegreifliches so lesbar „einzupacken“ und nicht zuletzt vor ihrem Mut, eine Geschichte zu einer der grausamsten und grauenhaftesten Schlachten zu erzählen.


    Zehn Punkte für dieses Buch, das viel von mir gefordert, das mich aber auch bereichert hat!