Die italienischen Schuhe - Henning Mankell

  • Kein Krimi, kein Afrika-Roman:


    Aus dem Klappentext:


    Fredrik Welin, ehemaliger Chirurg, lebt allein auf einer kleinen Insel in den Schären. Ihm ist etwas widerfahren, was er nur "die Katastrophe" nennt, und er glaubt, mit dem Leben abgeschlossen zu haben.
    Da steht eines Morgens Harriet vor ihm, die er einmal sehr geliebt und dann trotzdem verlassen hat. Sie ist schwerkrank, deshalb soll er ihr eine letzte Bitte erfüllen ...


    Ich lasse mit Absicht den Rest des Klappentexts weg, da er meiner Meinung nach das Buch im Zeitraffer erzählt und so die Vorfreude und die Spannung nimmt.


    In meinen Worten: Dieser Arzt, 66 Jahre alt, hat 12 Jahre einsam in den Schären gelebt und nun holt ihn seine Vergangenheit ein. Seine Eigenarten werden von Mankell realistisch, aber auch liebevoll gezeichnet. Selten hat mir jemand so glaubwürdig den Alltag eines einsamen Mannes geschildert und das auf eine Weise, dass ich sogar dessen Marotten als liebenswert und kein bisschen merkwürdig empfinde. Im Wohnzimmer gibt es z. B. einen stetig wachsenden Ameisenhaufen, der sich langsam an das herunterhängende Tischtuch heranarbeitet.


    Zum Autor:
    Ich verweise auf das Autorenportrait ...


    Meine Meinung:


    Ich war zunächst skeptisch, ob ein Mankell ohne Krimi/Spannung bzw. Afrika/Gesellschaftkritik überhaupt lesenswert ist. Bereits nach der ersten Seite hat es mich gedrängt weiterzulesen. Dies liegt einerseits am Sprachstil, andererseits daran, dass ich nach wenigen Seiten das "Kino-im-Kopf"-Erlebnis hatte und Schäre, Eisloch, Ameisenhaufen und alles andere vor mir sah.
    Die Handlung selbst ist nicht spektakulär, aber Mankell hat erreicht, dass ich mittendrin war und mit großer Selbstverständlichkeit die Haupt- und Nebenfiguren in mein Herz geschlossen habe. Schade, dass nach 365 Seiten Schluss war. Ich wäre gern noch länger in Schweden geblieben.


    Fazit:
    Lesen!
    Nein, das Wort ist falsch. "Sich erzählen lassen" trifft es eher! Und darauf hoffen, dass noch weitere Bücher dieser Art folgen.


    Lieben Gruß


    polli

  • Da ich die Taschenbuchausgabe von 2009 gelesen habe, verlinke ich diese hier noch einmal, auch in der Hoffnung, dass die Rezension dann auch unter Henning Mankell erscheint bzw. verknüpft wird.


    Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Natürlich habe ich bekanntermaßen eine Schwäche für skandinavische, skurrile Charaktere, besondere Schauplätze und merkwürdige Vorkommnisse.



    Faszinierend, dass der Schreibstil so gänzlich anders ist, als bei den Wallander-Büchern. Aber sehr angenehm.


    Faszinierend auch, dass das Buch wie gesagt 2009 gedruckt wurde und der dtv komplett die alten Rechtschreibregeln angewandt hat. Das ist mir schon lange nicht mehr über den Weg gelaufen.


    Für dieses Buch vergebe ich 9 Punkte.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Der pensionierte Fredrik Welin hat sich mit Hund und Katze auf eine winzigen Schäreninsel zurückgezogen; seine einzige Verbindung zur Außenwelt ist über lange Zeit der leicht hypochondrische Briefzusteller. Welin ist einige Male in seinem Leben vor der Realität davon gelaufen, doch nun muss er sich dem eigenen Altern und dem Sterben seiner alten Freundin Harriet stellen. Eher unfreiwillig ordnet Welin seine Vergangenheit. Das Leben auf der Insel mag idyllisch wirken und der Traum manches Lesers sein. Sehr eindringlich wird beim Lesen deutlich, dass Welin nur so lange in der dünn besiedelten Gegend bleiben kann, wie er gesund ist und sich selbstständig versorgen kann. Die Schicksale Harriets, Fredriks und des Schuhmachers, der nur zwei Paar Schuhe im Jahr fertig, verbindet Mankell zu einer bewegenden Erzählung über die Einsamkeit im Alter. Das Buch habe ich mit Gewinn gelesen und kann es nur jedem empfehlen.

  • Taschenbuch: 368 Seiten
    Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag (1. Juni 2009)
    ISBN-10: 3423211520
    ISBN-13: 978-3423211529
    Originaltitel: Italienska skor


    Kurzbeschreibung:
    Fredrik Welin ist etwas widerfahren, das er nur »die Katastrophe« nennt. Danach hat sich der ehemalige Chirurg auf eine kleine Insel in den Schären zurückgezogen und meidet jeden Kontakt mit den Menschen. Doch dann steht eines Tages seine Jugendliebe Harriet vor der Tür und erinnert ihn an ein altes Versprechen. Er folgt ihr auf eine Reise in die Vergangenheit, voller unverhoffter Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen. Eine Reise, die ihm den Weg zurück zu den Menschen weisen wird ...


    Zum Autor:
    Henning Mankell, geboren 1948 in Stockholm, aufgewachsen in Sveg, ist ein schwedischer Theaterregisseur und Schriftsteller. Bekanntheit in Deutschland erlangte er vor allem durch seine Kriminalroman-Reihe mit dem Kommissar Kurt Wallander, wovon auch etliche verfilmt wurden. Daneben schreibt er aber auch etliche Romane, die in Afrika spielen oder es zum Thema haben. Hennig Mankell ist daneben ein sehr politischer Mensch. Er lebt größtenteils in Afrika.


    Mehr: www.mankell.de oder http://de.wikipedia.org/wiki/Henning_Mankell


    Meine Meinung:
    Mit Henning Mankell habe ich bislang immer Krimis verbunden. Einen habe ich mal selbst gelesen (Die Rückkehr des Tanzlehrers, nein, keinen Wallander), die Verfilmungen habe ich bislang verpasst.


    Meine Mutter gab mir neulich etliche Bücher. Von diesem hier sagte sie, dass es ihr nicht gefallen hat, aber ich könnte es ja mal probieren. Und als mein Literaturkreis die italienischen Schuhe vorschlug, kam die Gelegenheit, das Buch aus dem RUB zu befreien, wo es sonst wohl noch viel länger gelegen hätte.


    Die Geschichte spielt auf einer schwedischen Schäreninsel, auf der sich der ehemalige Arzt Fredrik Welin (der Ich-Erzähler) nach einem schrecklichen Fehler bei einer Operation zurückgezogen hat. Hier lebten schon seine Großeltern und die Einsamkeit, die Fredrik durchlebt, ist förmlich spürbar. Doch er hat die Einsamkeit gewählt, er lebt mit Hund und Katze allein, seine einzigen Kontakte sind die zum Postboten, der sich ihm immer wieder als Patient aufdrängt.


    Doch eines Tages gerät seine Welt aus den Fugen, als Harriet, die Frau, die er vor ca. 40 Jahren verlassen hat, auf dem Eis vor seiner Insel auftaucht.


    Äußerlich passiert nicht wirklich viel in dieser Geschichte, doch die Gefühlswelt des Ich-Erzählers wird förmlich umgepflügt. Der Leser erlebt dies in einer wundervollen Sprache mit. Man fühlt einfach mit, sobald Fredrik sich bewegt, innerlich gesehen. Wenn Mankell die Einsamkeit beschreibt, kann man sie miterleben. Wenn von Wehmut die Rede ist, schmerzt das Herz. Es ist nicht unbedingt ein trauriges Buch, auch wenn ich an einer Stelle sehr geschluckt habe. Es ist von menschlicher Schwäche, aber auch von Hoffnung und Aufbruch die Rede. Ich habe mir etliche Stellen angemarkert, die zitierens- und (be)merkenswert sind.


    Von mir gibt es 9 Punkte für die wunderschöne Sprache des Buchs, die die Geschichte sehr fühlbar und bildhaft gemacht hat. Nachdem wir das Buch im Lesekreis diskutiert hatten, gefiel es mir noch ein Stückchen mehr.

  • Herzlichen Dank für diese sehr informative Rezi. Das hört sich sehr vielversprechend an. Notiert ist es......nur, wann lesen?? :gruebel

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Tolle Rezi, geli!
    Ich habe "Die italienischen Schuhe" damals gleich nach Erscheinen des HC gelesen und erinnere mich noch daran, daß ich es sehr eindringlich und gut nachspürbar fand. Nach dem ziemlich schwachen "Kennedys Hirn" hat mir dieses Buch wieder richtig gut gefallen. Für differenziertere Äußerungen ist es allerdings auch schon wieder zu lange her, aber der positive Eindruck ist mir erhalten geblieben.

  • Hier gab es doch schon einmal eine Rezi... :gruebel *malaufdiesuchegeht*


    Ach ja, das Hardcover wurde irgendwie nicht verlinkt und erscheint wohl nicht bei den Rezensionen, komisch.


    Hier ist die andere Rezi: Die italienischen Schuhe


    Vielleicht kann man die Threads ja zusammen legen.


    Gruß vom killerbinchen :wave

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Dabei habe ich vorher gesucht, sowohl über die Rezensionen als auch über die Suchfunktion. :cry


    Ich hab gerade mal bei "Verena Reichel" gesucht und bei ihr tauchen die italienischen Schuhe auf. :wow

  • Ich hatte es als Hörbuch gehört. Und weil ich wohl Wallander-geschädigt bin, hatte es vll bei mir nicht wirklich eine Chance...Ich fand es genauso grau und handlungsarm wie die Krimiserie. Kann man sich anhören, oder auch lassen....

  • Ein wunderschönes Buch! 9 von 10 Punkten von mir!
    Auch wenn es kein Krimi ist: Mankell schafft es wirklich, Spannung aufzubauen und gleichzeitig zu berühren. Wirklich empfehlenswert!

    "Ich bin dreimal angeschossen worden – was soll man da machen." (Robert Enke)


    "Accidents" happen in the dark.