Ab nach unten - Ray French

  • Ab nach unten
    Ray French
    Originaltitel: „Going under“
    Übersetzer: Martin Ruben Becker
    ISBN: 978-3423246941
    Deutscher Taschenbuch Verlag
    413 Seiten, 14,90 Euro


    Der Autor: Ray French wurde in Newport, Wales, geboren. Er war in der Behindertenarbeit tätig, hat Religionswissenschaften studiert und als Bühnenarbeiter, Cartoonist, Archivar und Bibliothekar gearbeitet. Heute lebt er mit seiner Partnerin und seiner Tochter in Leeds, wo er Kreatives Schreiben unterrichtet.


    Kurzbeschreibung: Extreme Notlagen erfordern extreme Maßnahmen...Aidan arbeitet seit Jahren bei Sunny Jim Electronics. Jetzt will das Unternehmen seine Produktion nach Asien verlagern und das Werk in Wales schließen. Aidan beschließt, das nicht einfach hinzunehmen. Eine Idee hat er schon: Er wird einen Sarg kaufen, sich in seinem Garten begraben lassen und nicht wieder herauskommen, bis er die Zusage von Sunny Jim hat, dass das hiesige Werk bestehen bleibt. Als mit den Kumpels im Pub alles x-mal durchgesprochen ist (sie schaffen sich sogar jeder ein Mobiltelefon an - für den Notfall), kommt schließlich der große Tag. Aidan wird in seinem Sarg eingegraben. Natürlich lassen die Medien nicht lange auf sich warten. Und schließlich wird Aidan zwei Meter tief in seinem Garten zum Anziehungspunkt für alle möglichen Menschen mit den unterschiedlichsten Sorgen und Problemen ...Sehr skurril, sehr komisch und sehr britisch!


    Meine Meinung: Im Nachhinein betrachtet finde ich es schade, dass solch ein wunderbares Buch mit einem meiner Meinung nach so hässlichen Cover versehen wurde. Zwar passen Sarg und Erdfarben zur Geschichte, doch wirkt das Ganze sehr trist und langweilig und wenn die Handlung eines nicht ist, dann das.


    Aidan, der wie gesagt, aus Protest gegen seine Firma in einen Sarg steigt –einen Recyclingsarg aus Pappe wohlgemerkt - hat sich seine Aktion gut überlegt. In langen Kneipengesprächen mit seinen Freunden und nach heftiger Diskussion mit seiner Tochter und seinem Sohn, lässt er sich gut ausgerüstet mit Handy und Bettpfanne in seinem Garten begraben. Nur ein Periskop wird sein Kontakt zur Außenwelt darstellen. Dumm, dass es schon am ersten Tag mit Durchfall losgeht! Das er plötzlich Heiratsanträge bekommt, ein Männerchor an seinem "Grab" auftritt und wie aus dem Orbit eine Imbissbude vor seinem Garten eröffnet - sind nur ein paar Dinge, die er erlebt. Was ein Mann in einem Sarg alles passieren kann, darauf wäre ich niemals gekommen und ich war begeistert vom Ideenreichtum dieses Autors.


    Der Aufenthalt unter der Erde entwickelt sich nicht nur zum Politikum in der kleinen Stadt, sondern wird auch für Aidan und seine Familie zu einer ganz besonderen Gelegenheit, miteinander die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten und zueinander zu finden. Warmherzig und mit feinem englischem Humor würzt French die Geschichte vom kleinen Mann, der den Kampf „David gegen Goliath“ aufnimmt und beweist, dass jeder die Welt verändern kann, wenn er nur will. Ein zutiefst menschliches Buch, das einfach nur gut tut und das eines meiner persönlichen Highlights in diesem Jahr geworden ist.

  • Auf Deine Empfehlung beim Eulentreffen hin habe ich mir dieses Buch zugelegt und bin grade mitten drin. Zwar dürfte der Humor für meinen Geschmack etwas bissiger sein, dennoch bin ich ganz angetan :-)
    Sobald ich durch bin mehr ...

  • Eskalina, woher nimmst du nur die Zeit, alle diese schönen, neuen und tollen Bücher zu lesen? :grin


    Ich bedanke mich ganz herzlich für diese interessante Rezension. Mir ist das Buch gestern aufgefallen beim Stöbern, aber ich habe es erstmal stehen lassen in Anbetracht meines SUBs zu Hause und der Tatsache, das ich mit Christian Kracht ja erst mal genug zu tun habe. ;-)

  • Das Buch hab ich vorgestern am Bahnhof gesehen und wollte es schon kaufen, war mir aber nicht sicher, ob es mir auch gefallen wird und wollte mal paar Rezis abwarten.


    Hm...ich werd mal sehen, ich glaub, ich setz das mal auf die WL, klingt doch schon mal nicht schlecht :gruebel

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  • Meine Meinung:


    Aidan Walsh führt ein beschauliches Leben. Er arbeitet als Lagerist bei Sunny Jim Electronics, die beiden Kinder Shauna und Dylan sind längst aus dem Haus, die Abende verbringt er mit seinen Kumpels Russell, Gwyn und Wilf im örtlichen Pub oder mit ein paar Bierchen daheim vor dem Fernseher. Um es salopp auszudrücken: Aidan ist einfach gestrickt.
    Alles läuft in geregelten Bahnen, bis Aidans Arbeitgeber die Schließung der Fabrik ankündigt. Durch eine provokante Protestaktion will Aidan Sunny Jim Electronics dazu bewegen, von diesem Vorhaben abzusehen:
    Er lässt sich lebendig in seinem Garten begraben.
    Wirklich durchdacht hat Aidan das Ganze nicht, aber mit der Rückendeckung seiner Freunde und beflügelt vom glühenden Eifer seines Sohnes findet er sich unversehens zwei Meter tief unter der Erde wieder.


    Wirklich stark und mitreißend war für mich erst das letzte Drittel des Romans. Bis dahin wurde zuviel Potenzial - das dieser Stoff zweifelsohne hat - schlichtweg verschenkt. Die Gespräche, die Aidan mit den Menschen führt, die an sein "Grab" kommen, waren mir in gewisser Weise zu belanglos und oberflächlich, in diese Begegnungen hätte der Autor mehr Tiefe legen können. Auch von Russell, Gwyn und Wilf hätte ich gerne mehr gelesen, persönlicheres, denn an sich sind diese Figuren sehr interessant angelegt, leider belässt es der Autor bei Schemen und wird nicht konkreter ...


    Das letzte Drittel hat mich richtig gefesselt (obwohl ich mich davor auch nicht gelangweilt habe).
    Denn hier wird es sehr gefühlvoll, in angenehmer Art und Weise sentimental.
    Es ist nicht alles Schwarz-Weiß, nicht alles ganz einfach oder ganz aussichtslos, vielmehr eine Mischung aus beidem.
    Das ist halt Leben. Und Hoffnung ...
    [SIZE=7]Die letzte Seite ist so gelungen, schön, melancholisch, hoffnungsvoll, bewegend, ich habe geweint.[/SIZE]


    Ich könnte mir Ab nach unten unheimlich gut als Hollywood-Film vorstellen (Tom Hanks in der Rolle Aidans, wenn's nach mir ginge...).
    Und irgendwie ist es mir mit diesem Buch ergangen, wie mit vielen Hollywood-Filmen, die ich gesehen habe:
    Man hätte eigentlich einiges zu meckern und richtigen Tiefgang vermisst man ein kleines bisschen, aber es war halt doch so schön und bewegend, dass man sich das noch ein zweites Mal zu Gemüte führen könnte ...
    In diesem Sinne gibt's 8 Punkte von mir.

  • Dieses Buch war ein Geschenk für meinen Mann, der es bis heute aber nicht gelesen hat. Jetzt muss er es lesen, denn ich habe ihm schon vieles vorgelesen und er hat Witterung aufgenommen.


    Wer "Ganz oder gar nicht" kennt und liebt, der weiß ungefähr, was ihn hier erwartet. Eine anrührige Geschichte aus dem Arbeitermillieu, von einem Vater der nach dem Tod seiner Frau nie wieder richtig gelebt hat, der seine Kinder nicht verstand und die Welt sowieso nicht, weil es ihn einfach nicht interessierte.
    Die Wende kommt mit der drohenden Entlassung bei seiner Firma. Der ganze Betrieb soll geschlossen und nach Indien verlagert werden. Nur - es ist der einzige Betrieb, der die walisische Kleinstadt bzw. das "Drecksloch", wie böse Zungen sie nennen, überhaupt am Leben erhält. Das will Aiden nicht einfach so hinnehmen. Da er sich sowieso schon wie tot fühlt, beschließt er, sich lebendig in seinem Garten begraben zu lassen, solange bis die Firmenbosse zu einem erneuten Gesprächen bzw. ganz zur Aufgabe des Planes, die Firma nach Indien zu verlagern, bereit sind.


    Seine Kollegen, welche auch Aidens Freunde sind, sowie die zwei erwachsenen Kinder sind zunächst skeptisch, dann aber werden Nägel mit Köpfen gemacht. Ein Sarg wird beschafft (allein diese Episode ist köstlich) und Aiden im Erdreich seines Gartens vergraben.


    Kann das gutgehen? Oder hat sich Aiden da viel zu viel vorgenommen. Und überhaupt: Wird die Firma die Gespräche aufnehmen? Die Öffentlichkeit wird
    informiert und verfolgt gespannt die nächsten Entwicklungen - so wie der Leser es auch tun wird.


    Ein humor- und gefühlvoller sowie nachdenklich machender Roman, der
    unbedingt verfilmt werden sollte, aber nicht ala Hollywood, sondern in bewährter englischer Filmkunst, wie "Ganz oder gar nicht" "Grasgeflüster" oder "Der Engländer der auf einen Hügel steigt und von einem Berg herunterkam". Untermalt von einem Sountrack mit den erwähnten Bands "The Smiths", "The Kinks", "John Lennon" und den "Beatles" oder auch Cat Stevens.



    Von mir gibts 9 Punkte - ich habe mich lange nicht so amüsiert und wohlgefühlt bei meiner Lektüre.



    Edit hat die Punktzahl auf 9 erhöht, weil das Buch das verdient hat!

  • Oh, das hört sich gut an. Menno, schade, dass ich bücherkauffaste, sonst hätte ich es mir sofort bestellt. So muss die Wunschliste reichen. Ich hab mir mal die englische Fassung vorgemerkt, da sieht auch das Cover etwas besser aus :zwinker

  • Zitat

    Original von Eskalina
    :yikes Wie lange musst du denn noch fasten?


    Bis Ostern, aber ich denke schon über Verlängerung nach... mein SUB wird es mir danken, meine Wunschliste allerdings nicht :zwinker Aber Bücher wie dieses...also, da überleg ich mir die Verlängerung doch noch mal!!

  • Ich durfte dank einer lieben Eule das Buch auch lesen, Dankeschön :wave


    Zwei Meter unter der Erde ist der Platz, wo der verwitwete Aidan Walsh hingehört, wenn er seinen Job verliert – so zumindest lautet der Titel des Zeitungsartikels, der am Anfang der Aktion steht. Um die Schließung seiner Arbeitsstelle zu verhindern, lässt er sich im Sarg im eigenen Garten vergraben. Da will er auch solange bleiben, bis dieser Entschluss widerrufen wird. Anfangs von seinen Freunden belächelt, nimmt die Protestaktion ernsthafte Züge an – man überlegt genaue Planung und stattet sich mit notwendigen Utensilien aus. Aidans Tochter Shauna findet die Aktion alles andere als gut, aber ihr Bruder Dylan unterstützt seinen Vater mit allen möglichen Mitteln – nicht aus purer Vaterliebe, wie man leicht erahnen kann.
    Die einfache Protestaktion nimmt mit der Zeit größere Ausmaße an – Menschen kommen, um Aidan zu betrachten, um ihn zu interviewen, zu filmen oder sich einfach bei ihm auszuheulen. Auch Dylan fährt immer größere Geschütze auf, um die Aktion zum Erfolg zu bringen – und verliert möglicherweise paarmal die wirklich wichtigen Dinge aus den Augen.


    Wie das Ganze ausgeht, möchte ich hier nicht verraten. Nur soviel – ein glaubwürdiges und keineswegs kitschiges Ende einer schönen Geschichte über Träume, Ziele, Ängste, Familie und Freudschaft. Und das alles mit einer Portion Humor, der oft etwas schräg ist – hat sich schon mal jemand Gedanken darüber gemacht, wie man in einem Sarg "auf die Toilette" geht? :lache


    Ich würde das Buch unbedingt weiterempfehlen, weil es einfach mal etwas Anderes ist und einen auf eine gewisse Art und Weise berührt. Bisschen gestört hat mich dann doch, dass
    [sp]der Schluss soo offen war – was wird aus den Anderen, vor allem Aidans Freunden, wenn die Fabrik schließt? Oder schließt sie doch nicht? Was wird aus Aidans Radiosendung? Geht das wirklich gut? Einen kurzen Epilog hätte ich schön gefunden. Auf der anderen Seite – vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn man das alles offen lässt. So kann sich der Leser den Schluss "selbst aussuchen"[/sp]


    Von mir gibt es 9 Punkte. 9,5... :grin


    Ps: Mein Lieblingssatz war ja ziemlich am Anfang "Du hast da Erbsen im Sarg" :rofl :rofl :rofl


    Edit: Wie witzig...ich habe auch öfter überlegt, wie es sich als Film machen würde und dabei hatte ich eure Rezis ja nur überflogen. Hm...Tom Hanks ist nicht so mein Fall, aber würde evtl. zu der Figur gut passen :gruebel

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    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Gummibärchen ()

  • Aidan Walsh hat ein ruhiges Leben, seine beiden Kinder Dylan und Shauna sind außer Haus, er arbeitet als Lagerist bei Sunny Jim Electronics. Seine Frau Eileen ist vor vielen Jahren gestorben.
    Abends trifft er sich mit seinen Freunden Russell, Gwyn und Wilf im Pub.
    Als Sunny Jim Electronics seine Produktion nach Asien verlagern möchte und Arbeitslosigkeit droht, kommt Aidan auf eine skurrile Idee: Er lässt sich in seinem Garten vergraben, bis sein Arbeitsplatz und die der anderen erhalten bleibt.
    Die Aktion wird von seinen Freunden unterstützt. Nun hat Aidan Zeit, sich Gedanken über sich zu machen und durchläuft die verschiedensten Gefühlsstadien.
    Aidan bekommt Besuch von den Medien, Ortsbewohner kommen, um ihr Herz auszuschütten und so gerät Aidan in die unterschiedlichsten skurrilen Situationen.
    Selbstverständlich entwickelt sich nicht alles, wie er und seine Freunde es sich vorgenommen haben und das Buch ist immer wieder mal für eine kleine Überraschung gut.


    Die Gespräche zwischen Aidan und den Besuchern mögen vielleicht ein wenig oberflächlich sein, aber das Buch unterhält durch seine warmherzige und humorvolle Sprache und die schrägen/skurrilen Situationen haben mich zum schmunzeln gebracht.
    Und ganz nebenbei hört man von Musikgruppen wie The Smiths, The Kinks, Cat Stevens und den Beatles.

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Ich habe das Buch auch schon vor langer Zeit genossen. Allerdings habe ich ein Platzangst-Problem und bei der Vorstellung so unter der Erde eingebuddelt zu sein und nur auf den "guten Willen" anderer Leute angewiesen zu sein, wurde mir doch ziemlich mulmig zumute. :help
    Wenn man den Gedanken aber mal vergißt hat man ein ganz tolles und berührendes Buch vor sich, was ich jedem nur empfehlen kann. :-]

  • Ich habe es auch durch.
    Es war ein abwechslungsreiches Buch.


    Zwischendurch hatte es zwar ein paar Längen, aber es lohnt sich durchzuhalten, denn spätestens ab Aidans (Dylans) Plan B habe ich es in einem Rutsch durchgelesen.
    Allein die liebevolle Beschreibung von Wilf, Pacho und Rusell haben dieses Buch schon lesenswert gemacht und ich mag auch das Ende.....


    Mir ging es genau wie Seestern, irgendwie musste ich dauernd über eine Verfilmung nachdenken, aber Tom Hanks wollte ich nicht in Aidans Rolle, irgendwie müsste er zerknirschter sein, englischer ;-)


    8 Punkte

  • Ich kann mich den durchwegs positiven Stimmen nicht anschließen, habe allerdings auch ziemlich genau nach der Hälfte, also etwas über 200 Seiten, enttäuscht das Handtuch geworfen. Die Grundidee ist toll, doch bloß ist die Umsetzung so zahnlos, so harmlos, zudem langatmig und oberflächlich. Ich hätte mir mehr Bissigkeit gewünscht und mehr ernsthafte Gesellschaftskritik, nicht bloß diesen gutmenschelnden warmherzigen Ton, und das alles auch noch in einer ungemein simplen sprachlichen Ausgestaltung.
    Schade, ich hatte ein Highlight erwartet und wurde rasch ernüchtert, aber das passiert mir in letzter Zeit öfters.