Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten - Christian Kracht

  • :gruebel Eben gerade in der aktuellen "Bücher" gefunden: Die 10 Lieblingsbücher der Redaktion im Überblick - Platz1:"Christian Krachts neuer Roman ist eine aberwitzig erdachte Dystopie. Hart. Klar. Ein kaltes Wort- und Stahlgewitter, verfasst in bestechend schönem Deutsch."


    Ehrlich gesagt, habe ich schon sehr viele Bücher gelesen, deren Sprache wirklich bestechend schön war, doch der Sprache in diesem Buch kann ich beim besten Willen nichts abgewinnen. Die Sätze sind kurz und knapp und erzählen ohne Ausschmückungen - und durch das Auslassen jeglicher Emotionen - sogar sehr sachlich, einfach eine (verworrene) Geschichte.

  • Eigentlich wollte ich das Buch nicht lesen, aber nach dieser Diskussion und vor allem dieser Anmerkung im Rahmen einer (positiven) Amazon-Rezension:


    Danke, aber lesen Sie in diesem Falle bitte auch weiterhin Paulo Coelho.


    habe ich es bestellt. :grin

  • :grin Ich könnte wetten es gefällt dir Tom - nur auf die Gefahr hin, dass du nun im Gegenschluss vermutest, dass jemand, der keinen intellektuellen Zugang zu diesem "großen Schweizer-Roman" gefunden hat, sich automatisch als Coelho-Leser eignet: Ich finde Coelho furchtbar...

  • Zum Glück habe ich mich ja zurückgehalten mit dem Kauf dieses Buches. Und wenn buzzaldrin es nicht versteht, dann ist es definitiv nichts für mich.


    Nun warten wir gespannt auf Toms Meinung :-).

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Zitat

    Hach, genauso ging es mir auch! Aber hör auf mich und lass wirklich lieber die Finger davon.


    Schweren Herzens, ja ... :-( Warum kann hinter einem so poetischen Titel nicht auch eine tolle Geschichte stecken? Sehr bedauernswert.
    (Dabei würde sich der Titel gut in einem Bücherregal machen ... ;-))

  • Ich lese gerade die weihnachtliche Literaturbeilage der Welt am Sonntag. In der Rubrik "Überschätzt":


    Ich werde da sein im Sonnenschein und im Schatten von Christian Kracht. Nett geschrieben ist es, aber unfassbar langweilig. Neben Stimmung hätte dem schmalen Band etwas Inhalt nicht geschadet.


    :grin

  • Zitat

    Original von uert
    Ich werde da sein im Sonnenschein und im Schatten von Christian Kracht. Nett geschrieben ist es, aber unfassbar langweilig. Neben Stimmung hätte dem schmalen Band etwas Inhalt nicht geschadet.


    :grin


    :rofl :anbet Toll, das Zitat spiegelt auch meinen Eindruck wieder - eigentlich müsste ich mir die Zeitung schnell kaufen, das Zitat ausschneiden und gerahmt an die Wand hängen - das könnte ich mir dauernd durchlesen. ;-)

  • Schönheit muss man nicht erklären können


    Der sperrige "Popliterat" Kracht, der kein Popliterat (mehr?) sein will und seine drei Romane "Faserland", "1979" sowie das vorliegende Buch als "Tryptichon" bezeichnet, hat für den Titel eine Textzeile aus dem britischen Volkslied "Danny Boy" gewählt. Um dieses Stück, das vom Abschied handelt, ranken sich viele Geschichten, man ist aber einhellig der Meinung, es ginge um den Auszug in den Krieg.
    Krieg herrscht auch in dieser veränderten Zukunft unserer eigenen Vergangenheit, von der Kracht in "Ich werde hier sein" erzählt. Der vermutlich Erste Weltkrieg hat keinesfalls geendet, sondern währt seit nunmehr fast hundert Jahren, so dass es niemanden mehr gibt, der den Frieden noch kennt. Die Schweiz hat Afrika erobert und viele Afrikaner zu Eidgenossen umfunktioniert, einer davon ist der Held und Ich-Erzähler dieser Geschichte. In der Schweizerischen Sowjetrepublik, die entstehen konnte, weil Lenin das Exil 1917 nicht verlassen hat (Russland demgegenüber ist verstrahlt und unbewohnbar), besetzt er das Amt eines Parteikommissärs. Als der vermeintliche Systemgegner Brazhinsky die trübselige Gegend um Neu-Bern verlässt, nimmt der Kommissär die Verfolgung auf. Sie endet im "Réduit", dem gewaltigen Höhlensystem, das die Eidgenossen in das Massiv der Alpen gegraben haben, und das sich längst in ein Refugium für die restliche Intelligenz des Landes verwandelt hat, die auf steinernen Balkonen steht und das Kriegsgeschehen verfolgt. In dieser Utopie haben die allermeisten Menschen das Lesen verlernt, der Krieg hält die Blöcke (Hauptgegner ist das faschistische Deutschland) in einem depressiven Zustand der geistigen Stagnation. Technologische Entwicklungen hat es offenbar seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gegeben, man schießt mit Karabinern, reist reitend und wirft Bomben aus Luftschiffen ab.
    Nicht jeder Querverweis oder Gedankengang in diesem kurzen Roman ist leichthin (wenn überhaupt) verstehbar, und auch die an zwei Stellen genannten "Steckdosen", die einige Menschen im Bereich der Achselhöhle tragen, bleiben mysteriös und wirken auf exemplarische Art befremdlich. Dies gilt auch für das kryptische Ende, als der Held die Schweiz verlässt und auf seinem Weg zurück nach Afrika beispielsweise steinernen Schiffen begegnet, die irgendwo in Norditalien mitten in der Landschaft stehen. Aber um Verständnis wirbt Kracht auch nicht. Diese originell und vortrefflich erzählte Endzeitgeschichte öffnet sich vollständig vermutlich nur für Beteiligte - und das wiederum ist eine Rekursion ohne Lösung, ohne Abbruchbedingung. Man müsste schon Kracht sein - oder eben jener Kommissär.
    Im eigenen Kontext allerdings funktioniert "Ich werde hier sein" durchaus. Wer aber klare Vorgaben, in ihrer Konsequenz verständliche Andeutungen und Gedanken, einzuordnende Bezüge und Aufklärung der Zusammenhänge sucht, wird an diesem Buch keine Freude haben. Denn es spielt nicht in irgendeiner Zukunft, sondern in einer anderen Welt - auch literarisch. Ganze Kohorten von Feuilletonisten rätseln herum und bleiben wage - möglicherweise, um sich nicht lächerlich zu machen.
    Es mag an Selbsttäuschung grenzen, aber ich habe die Lektüre dieses Buchs sehr genossen, wenn es mir auch nicht gelang, es jederzeit zu deuten. Was normalerweise Frustration auslösen würde, hat bei diesem Buch eine andere, bemerkenswerte Wirkung gehabt: Es endete nicht mit der Beendigung der Lektüre. Wenn man nämlich all die Fragen ausblendet, die sich aufdrängen, und sich hingibt, offenbart sich eine sperrige Schönheit, und Schönheit muss man nicht erklären können.

  • Hallo, Eskalina.


    Ich muss ehrlich gestehen - das habe ich in meiner Rezension ja auch geschrieben -, dass ich das Buch nur teilweise "verstanden" habe (in Anführungszeichen, weil nur Christian Kracht mitteilen könnte, ob es wirklich so ist oder nicht). Einige Bilder und Andeutungen schienen mir leichter verstehbar (etwa der latente Rassismus der sowjetischen Eidgenossen) als andere, und die Sache mit den Steckdosen in der Achselhöhle blieb auch mir ein Rätsel. Was daran liegen kann, dass ich vielleicht das völlig unbekannte Gedicht eines vor der Veröffentlichung verstorbenen albanischen Lyrikers nicht kenne, auf das sich Kracht an diesen Stellen bezieht. Spielt aber keine Rolle. Ich habe dieses Buch gerne und mit einem gewissen Vergnügen gelesen, wobei "Vergnügen" nicht das richtige Wort ist. Es hat mich gefesselt, mit seiner Atmosphäre eingefangen. Das ist - vermutlich - ein literarisches Experiment, aber jedwede Literatur ist experimentell. Wie auch immer. Ich mag es. Warum, das kann ich tatsächlich nicht ganz genau sagen. ;-)

  • Ne, also ich hab damit gestern begonnen, bin aber wirklich keine 60 Seiten weit gekommen... Keine Chance - der Stil ist so gar nicht meins.
    Eine ausführlich Rezi allerdings wäre anmaßend, denn ich habe das Buch nicht mal ansatzweise verstanden, so dass ich eigentlich nichts schreiben kann. :lache