Hat Deutschland ein Demokratie-Problem?

  • Hallo, Licht.


    Dass die rechte Ecke den Nationalstolz für sich okkupiert, hat strategische und durchaus philosophische Hintergründe. Stolz eint, und wer auf etwas stolz ist, fühlt ich dem zugehörig. Das hat auch emotionale Aspekte, die sehr gut nutzbar sind - die Geschichte zeigt, auf welche Art.


    Dass die "anderen" so zaghaft (bis ablehnend) mit derlei umgehen, hat ebenfalls seine Hintergründe. Gerade dieses einende Element lehnen viele ab, weil es der gedanklichen, der intellektuellen Individualität widerspricht. Sie wollen nicht zu etwas gehören, das amorph, ungewiss und wenig überschaubar ist. Stolz auf ein Land, ein Volk, eine Nation verbindet auf möglicherweise unangenehme Art. Auch die "Liebe" zu diesem Land, und sei es nur zu dessen landschaftlicher Schönheit (die mir an manchen Orten unseres Landes eher spärlich auszufallen scheint), ist eine diffuse, nicht selten eingeredete Emotion, die sich aus Unkenntnis (z.B. anderer Länder) speist. Ich verstehe gut, warum es die einen tun und die anderen nicht wollen.

  • Ich halte ein gewisses Maß an Stolz absolut nicht für fragwürdig oder gar ethisch hoch bedenklich. Ein gewisses Maß an Stolz halte ich für sehr gesund und notwendig.


    Und er IST vorhanden, es IST tatsächlich das Bedürfnis danach vorhanden, auf etwas stolz sein zu können. Klar, wir können eine normale menschliche Regung verbieten und als ethisch unzulässig brandmarken, wir können behauptet, Stolz schließe andere aus. Aber es besteht nicht die geringste Notwendigkeit dazu. Es ist klar, dass die Nazis mit ihrer Form von Stolz bewußt andere ausschließen wollen. Das ist völlig inakzeptabel. Da wird Stolz korrumpiert. Wir könnten dabei tatenlos zuschauen. Aber müssen wir das??


    Nochmals: stimmt es, dass Stolz immer andere ausschließt?? Nehmen wir einen 10 jährigen Jungen, dessen Mannschaft hochverdient ein Fußballturnier gewonnen hat. Er wird stolz auf sich und seine Mannschaft sein. Und das völlig zu Recht!! - Wen schließt er damit aus? Wen diskreditiert er?? (Im Zweifel kann sogar die unterlegene Mannschaft stolz sein, einen zweiten Platz erkämpft zu haben....)
    Und auch die Eltern werden stolz auf ihre Kinder sein, ohne damit andere Kinder herabwürdigen zu wollen ...


    Es ist damit deutlich, dass Stolz auch anders möglich ist...
    Es ist ja durchaus möglich, stolz darauf zu sein, Gegensätze überbrücken zu können..., es ist ja vorstellbar, gemeinsam stolz darauf zu sein, offen und einladend zu sein ...
    Dass das befremdlich sein mag, gebe ich zu. Unmöglich scheint es mir nur dadurch, dass das Wort Stolz extrem besudelt ist.


    Und - auch da wiederhole ich mich - es ist das Bedürfnis vorhanden, stolz sein zu dürfen - auf die eigene Leistung, auf die Kinder und auch auf die Leistungen einer Gemeinschaft - und wenn dieser Wunsch zu Recht besteht, warum sollte er bestritten werden?? Ich bin der Auffassung, dass der Stolz um so mehr in Mißkredit gerät, je mehr er der rechten Ecke überlassen wird.


    Zum Thema Herbst 89: da gingen längst nicht nur Bürgerrechtler auf die Straße. Wären sie allein geblieben, wäre gar nichts geschehen!! Ja, ihre (und auch meine Ideale) sind nicht alleverwirklicht worden, ok... das ist Demokratie. Aber die wichtigsten Ziele sind erreicht: freie Wahlen, freie Presse etc.
    Und mir ging es eben auch gar nicht darum, ob evtl. Bürgerrechtler stolz sein wollen... Mir geht es um Lieschen Müller, die geholfen hat, hier eine Firma aufzubauen, mir geht es um Schmidtchens Kurt, der trotz Arbeitslosigkeit, mitgeholfen hat, die Stasiakten aufzuarbeiten, mir geht es um Erna von um die Ecke, die aus einer Industriebrache einen Landschaftpark mitgestaltet hat...


    Warum sollen alle die zahllosen Leute nicht stolz darauf sein, in einer Gegend, die abgewirtschaftet hatte, tatsächlich so etwas wie blühende Landschaften geschaffen zu haben? Sollen wir uns weiter weismachen lassen, das hat uns alles der Herr Kohl geschenkt und hier saßen alle faul rum und haben Videos geglotzt und Bananen gefressen???


    edit ergänzt:
    Klar, wir können es den Rechten überlassen, dieses Bedürfnis nach Stolz aufzufangen, aber dann dürfen wir nicht jammern, wenn die Rechten in die Parlamente einziehen!

  • Hallo, Licht.


    Das klingt einleuchtend - aber ist es das auch tatsächlich? Das Bedürfnis nach Stolz, das Du diagnostizierst, könnte auch ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Identifikation sein. Derlei ist heutzutage durchaus schwieriger zu befriedigen, das ist richtig - und ein Problem. Aber "Stolz"? Das klingt manieriert, unwirklich und diffus. Es schichtet, es erzeugt ein Unterschiedlichkeitsbewusstsein fragwürdiger Natur. Stolz auf eine Nation bedingt, dass es andere Nationen geben muss, auf die stolz zu sein weniger angebracht wäre.


    Natürlich ist gegen den Stolz auf Leistungen absolut nichts zu sagen. Der Jugendliche, der mit seiner Mannschaft gewonnen hat, hat ein Recht auf seinen Stolz, und Mama und Papa dann meinetwegen auch. Das ist aber nicht vergleichbar. Es ist eine andere Form von Stolz.

  • Zitat

    Original von licht
    Warum sollen alle die zahllosen Leute nicht stolz darauf sein, in einer Gegend, die abgewirtschaftet hatte, tatsächlich so etwas wie blühende Landschaften geschaffen zu haben? Sollen wir uns weiter weismachen lassen, das hat uns alles der Herr Kohl geschenkt und hier saßen alle faul rum und haben Videos geglotzt und Bananen gefressen???


    Licht, Arbeit ist die übliche Betätigung von im besten Fall gesunden Erwachsenen, im schlechteren Fall von Kranken und im schlimmsten Fall von Kindern. Menschen auf der ganzen Welt arbeiten - i. d. R. unter schlechteren Bedingungen mit mehr Arbeitszeit, weniger Lohn und oft fehlender sozialer Absicherung. Mich nervt es massiv, wenn Menschen hier in diesem Land meinen, dass ihre Arbeit allein Wirtschaftswachstum, Wohlstand, gesundheitliche Versorgung etc. garantieren. Das heißt nämlich im Umkehrschluss, dass die, denen es schlechter geht (und das sind wahrscheinlich 90 % der Weltbevölkerung) weniger hart arbeiten. Und das ist einfach Quatsch. Hier komme ich wieder zum Thema "Dankbarkeit" - ich bin dankbar, in diesem Land zu dieser Zeit mit der hier vorzufindenden sozialen Absicherung leben zu können. Dass man arbeitet, ist selbstverständlich. Dass man deshalb Sicherheit, soziale Absicherung und einen zumindest im Vergleich mit anderen Ländern doch beträchtlichen Wohlstand erwirtschaftet, ist es nicht.

  • Tom, ich verstehe den Unterschied nicht, den Du offenbar siehst: Warum darf der Junge stolz auf seine Mannschaft und die Leistung sein während Du das selbe Recht den Leuten absprichst, die ein zerrüttetes Land wieder aufgebaut haben, die hier in unseren Breiten tatsächlich blühende Landschaften geschaffen haben? Das sind konkrete Leistungen. Und es wird kein Volk dadurch herabgewürdigt, wenn ein anderes auf seine Leistungen stolz ist.
    Die Nazis haben es unseren Vorvätern eingetrichtert, dass sie stolz sein sollen, etwas besseres zu sein. Das ist aber auch alles. Wir müssen dem doch heute keinen Glauben mehr schenken. Wir müssen den Nazis doch nicht immer noch recht geben mit den Lügen, die sie verbreitet haben. Wir müssen nicht deren Ideologie weiter kolportieren, indem wir uns einreden lassen und weitersagen, dass Stolz dazu da sei, andere schlecht zu machen...


    Darum plädiere ich dafür, dass wir offen darüber reden, auf welche Leistungen wir (zu Recht) stolz sein können, ob als Dorf, dass gemeinsam den Saal wieder hergerichtet hat, ob als Feuerwehr, die Menschen gerettet hat, ob als Mannschaft, die ein Spiel gewonnen hat, ob als Eltern, deren Kind in Mathe von ner 5 auf ne 3 gekommen ist... oder aber auch als Volk, dass aus einem Trümmer- und Scherbenhaufen in materieller wie geistiger Hinsicht ein reiches Land mit Meinungsfreiheit und materiellem Wohlstand geschaffen zu haben ....

  • Vulkan, ich verstehe absolut nicht, warum die Freude über die eigene Leistung, die Leistung anderer diskreditieren soll.
    Wie letzteres klingt, hört man bei Herrn Rütgers... So etwas ist ein Verbrechen!
    Aber frag mal Eltern, deren Kind sich überwunden hat, eine Bahn im Tiefen zu schwimmen... deren Kind in Mathe von 5 auf 3 gekommen ist ... Warum sollen sie andere damit schlecht reden, wenn sie auf diese Leistungen stolz sind???


    Diese Verbindung von Stolz und Abwertunge haben uns die Nazis eingeredet!!! Wir müssen das nicht mehr glauben und nachplappern ....


    Wir können stolz sein, auf das, was hier geschafft wurde, ohne dass wir damit meinen, alle anderen seien unfähig!!

  • Und nochmal: Vulkan, Du übersiehst, dass die Leute tatsächlich stolz sind!!! Daran kannst Du nix rütteln, auch wenn Du es ethisch für verwerflich hälst. Sie sind stolz, sie wollen es sein, und ich finde es im Gegenzug ethisch mehr als verwerflich, jedem davon im Zweifel ausländerfeindliches Denken zu unterstellen!

  • Zitat

    Original von licht
    Vulkan, ich verstehe absolut nicht, warum die Freude über die eigene Leistung, die Leistung anderer diskreditieren soll.
    Wie letzteres klingt, hört man bei Herrn Rütgers... So etwas ist ein Verbrechen!
    Aber frag mal Eltern, deren Kind sich überwunden hat, eine Bahn im Tiefen zu schwimmen... deren Kind in Mathe von 5 auf 3 gekommen ist ... Warum sollen sie andere damit schlecht reden, wenn sie auf diese Leistungen stolz sind???


    Diese Verbindung von Stolz und Abwertunge haben uns die Nazis eingeredet!!! Wir müssen das nicht mehr glauben und nachplappern ....


    Ich glaube, Kinder sind etwas anderes - da würde ich nicht mal einem Elternteil übel nehmen, auf etwas stolz zu sein. Irgendwo muss der Mensch ja irrational sein. :grin
    Die Verbindung von Stolz und Abwertung wurde mir übrigens nicht von den Nazis eingeredet, so dass ich das heute nachplappere.
    Aber wenn man sich einige aktuelle Studien zur Elitenbildung in Deutschland anguckt, ist auffällig, dass sämtliche "Eliten" in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft ihre Position mit ihrer eigenen Leistung begründen. Wenn man sich aber die Herkunft dieser Personen anguckt, haben über 90 % bestes Startkapital gehabt - nämlich Eltern in ähnlicher Funktion, ein Umfeld, in dem von Kindheit an soziales Kapital eingeübt wurde. Umgekehrt gibt es genügend Menschen mit gleicher formaler Ausbildung, aber nicht gleichem sozialem Kapital, die eben nicht in diese Führungspositionen aufsteigen.
    Man muss nicht 70 Jahre zurückgehen, um sich angesichts dieser Missverhältnisse zu fragen, was hinter dieser merkwürdigen deutschen Leistungsbesessenheit steckt.


    Edit: Wo habe ich jedem, der stolz ist, Ausländerfeindlichkeit unterstellt?

  • Zitat

    Original von Vulkan
    Mich nervt es massiv, wenn Menschen hier in diesem Land meinen, dass ihre Arbeit allein Wirtschaftswachstum, Wohlstand, gesundheitliche Versorgung etc. garantieren. Das heißt nämlich im Umkehrschluss, dass die, denen es schlechter geht (und das sind wahrscheinlich 90 % der Weltbevölkerung) weniger hart arbeiten. Und das ist einfach Quatsch.


    Natürlich sichert die Arbeit der Menschen in diesem Land Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Auch denen, denen es schlechter geht sichern durch ihre Arbeit Wirtschaftswachstum und Wohlstand, fragt sich hier allerdings für wen.. Die Frage ist doch aber, was von dieser Arbeit wirklich an Ertrag bei den Menschen hängenbleibt. Den Menschen, denen es schlechter als uns geht, werden eben mehr ausgebeutet als die Menschen hier in diesem Land. Mit einer Wertigkeit der Arbeitsleistung hat das überhaupt nichts zu tun.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich spreche denjenigen, die tatsächlich daran beteiligt waren, keineswegs ab, auf ihre Leistungen etwa im Rahmen der Ostzonenbegrünung stolz zu sein. Jeder kann und darf auf seine Leistungen stolz sein, wenn er möchte. Das ist ein m.E. eher natürlicher Vorgang und dient auch dazu, das eigene Leben als etwas Besonderes zu sehen, insgesamt und im Einzelfall. Allerdings hat auch dieses Beispiel (sorry für den kleinen Scherz im ersten Satz) seine durchaus negativen Seiten. Der Aufbau Ost ist - wie so vieles andere auch - mit dem Geld der kommenden Generationen finanziert worden, die das durchaus mit weniger Stolz erfüllen dürfte. Blühende Landschaften können auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es augenscheinlich große Identitätsverluste gibt, dass die ökonomischen Strukturen weiter auseinanderdriften, dass es viele Arbeitslose und eine soziale Versteppung gibt. Wenn man also stolz sein möchte, muss man auch auf die vielen Hunderttausend Hartz-IV-Empfänger, die Scharen von "Frauentausch"-Zuschauern (Quote im Osten doppelt so hoch wie im Westen!) und, ja, die satten vier bis sieben Prozent Naziwähler in den so herrlich begrünten neuen Bundesländern stolz sein. Will sagen: Diese Form von Stolz ignoriert zumeist, dass die Medaille immer mindestens zwei Seiten hat. Klar, es hätte schlimmer ausgehen können, das ist glücklicherweise nicht passiert. Ich bin - wie Du vermutlich auch - recht zufrieden darüber, dass die Wiedervereinigung vergleichsweise schmerzfrei und relativ erfolgreich über die Bühne gegangen ist. Das war in vielen Bereichen auch fraglos eine enorme Leistung. Aber inwieweit das nun die Nation oder das Volk auszeichnet, das mit viel geborgtem Geld bewerkstelligt zu haben, verstehe ich, um ehrlich zu sein, nicht.


    Und so ist es mit vielem anderen auch. Wer für sich in Anspruch nimmt, stolz auf sein Land der vermeintlichen Dichter und Denker zu sein, muss auch für die DSDS-Casting-Deppen, Herrn Bohlen, Frau Feldbusch, Frau von Sinnen, Herrn Balder und die ganzen anderen Soldaten der Verblödungsgarnison mit entsprechenden Gefühlen aufwarten. Wer auf die deutsche Wirtschaftsleistung stolz ist, darf nicht ignorieren, dass auch diese Wirtschaft nur lebensfähig ist, weil ganze Kontinente am Boden gehalten werden, dass Ressourcen verschleudert werden, die in der Zukunft fehlen werden. Alles hat seine Kehrseite. Jeder Weg ist auch ein Kompromiss. Insofern schließe ich mich zum wiederholten Mal Vulkans Dankbarkeits-Ausführungen an. Aber Gründe für Stolz kann ich da nirgendwo ausmachen.

  • Zitat

    Original von Vulkan
    Ich habe ein prinzipielles Problem mit dem Wort "stolz",


    Ich mach mich gern unbeliebt, aber ich erkläre das jetzt einfach mal zum deutschen Phänomen. Da könnt ihr das alle gern anders sehen und das Wort stolz weiter meiden.


    Zitat

    Original von Vulkan
    Nun liegt es im Auge des Betrachters zu entscheiden, was eigene Leistung und was eigene besondere Leistung ist.


    Das ist ja der Punkt...aber da haben wir wohl unterschiedliche Sichtweitsen.


    Zitat

    Original von Vulkan
    Bin ich stolz darauf, mein Abitur geschafft zu haben, ein gutes Studium abgeschlossen zu haben? Nein. Weil ich immer Idealbedingungen hatte. Ich war ausreichend intelligent, um den Anforderungen zu genügen, hatte Eltern, denen Bildung wichtig war, ich durfte machen, was mich interessierte, lebe in einem Land zu einer Zeit, in der Frauen alles studieren dürfen. Dass man selbst die Chancen nutzen muss, ist selbstverständlich.


    Nein, das ist es eben nicht. Es gibt sicher einige Leute, die diese Voraussetzungen auch haben, aber einfach nur faul sind. Das ist zumindest meine Meinung. (Was jetzt nicht heißt, dass jeder der kein Abitur hat, faul ist!!!) Und dass du intelligent bist, ist zwar nicht dein Verdienst, aber die Tatsache, dass du diese Intelligenz genutzt hast, geht zum großen Teil auf dein Konto. Warum soll ich mein Licht unter die Scheffel stellen? Ist es arrogant, wenn ich sage, dass ich für mein Leben was tun will und es im Gegensatz zu anderen getan habe? (Wenn es denn so ist...)



    Aber wie gesagt, da haben wir unterschiedliche Sichtweisen.


    Edit: Und ja, ich bin auch stolz auf die Fussballnationalmannschaft :grin (darf ich das eigentlich als Nicht-Deutsche? :chen). Und ja, Tom hat wohl recht - wer stolz ist, muss sich auch schämen können. Ja, ich schäme mich irgendwie, wenn sie schlecht spielen. Aber ich mag sie trotzdem. Und ja, in Deutschland gehen Sachen ab, die nicht schön sind, das bleibt nicht aus. Aber darf man deswegen auf die guten Sachen nicht stolz sein, wenn man Teil der Gemeinschaft ist und irgendwie (und sei es nur mit ganz kleinen Sachen, die man kaum sieht) dazu beiträgt?
    Aber gut, ich werde niemanden zwingen, stolz zu sein. ;-)

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  • Zitat

    Original von Gummibärchen
    Ich mach mich gern unbeliebt, aber ich erkläre das jetzt einfach mal zum deutschen Phänomen. Da könnt ihr das alle gern anders sehen und das Wort stolz weiter meiden.


    Das hab ich vorhin auch mal gedacht, dass es das auch nur in Deutschland gibt, dass man sich auch noch schämen muss, auf seine eigenen Leistungen stolz zu sein.

  • Ich vermag an dem Wort "stolz" nichts Negatives feststellen. Stolz ist für mich u.a. auch das offensive Bekenntnis zur eigenen Leistung; während Dankbarkeit eine eher devote Haltung dokumentiert.


    Wem sollte ich in diesem Land denn für Irgendwas dankbar sein? :gruebel

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Stolz ist für mich u.a. auch das offensive Bekenntnis zur eigenen Leistung;


    Wohlgemerkt. Zur eigenen. Viele, die von Stolz reden, meinen damit Leistungen anderer.


    Zitat

    während Dankbarkeit eine eher devote Haltung dokumentiert.


    Man kann nichts dafür, in diesem oder irgendeinem anderen Land geboren zu sein, aber die Umstände sind äußerst unterschiedlich. Ich finde nichts Devotes daran, dankbar dafür zu sein, Glück gehabt zu haben. Denn mehr ist es nicht.

  • So sehr ich versuche alle normalen Menschen zur Wahl zu bewegen, damit die Nationalsozialisten wegen hoher Wahlbeteiligung keine Chance haben- so sehr bin ich auch stolz darauf, dass unser Land und unsere Demokratie stark genug ist solche Ewiggestrigen auszuhalten und ihnen zu erlauben zur Wahl zu gehen und ihren kruden Blödsinn zu verkünden- das ist für mich ein Teil des Preises, der für Freiheit zu zahlen ist- oder ob es mit einem berühmten Falschzitat zu sagen: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Zitat

    Original von Voltaire
    Ich vermag an dem Wort "stolz" nichts Negatives feststellen. Stolz ist für mich u.a. auch das offensive Bekenntnis zur eigenen Leistung; während Dankbarkeit eine eher devote Haltung dokumentiert.


    Wem sollte ich in diesem Land denn für Irgendwas dankbar sein? :gruebel


    Als devote Haltung würd ich jetzt Dankbarkeit nicht beschreiben. Und es gibt in meinen Augen auch sehr wohl vieles, für das man in Deutschland dankbar sein kann. Und das soll man ja auch ruhig.
    Das Problem ist wohl (find ich zumindest), dass man sich kaum irgendwie dazu "durchringen" kann zu sagen, dass man etwas auch wirklich als eigene Leistung beachten kann. Wenn Vulkan nicht mal ihr Abitur als wirklich eigene Leistung ansieht (sorry, Vulkan, aber du kannst mir doch nicht erzählen, dass dir dein Abi in den Schoß fiel? :chen), fällt es noch schwerer zu akzeptieren, dass man sich für den Sieg der Nationalelf mitverantwortlich fühlt. Fühl ich mich aber. Ich hab da gesessen und graue Haare bekommen. Ich konnte nicht aufs Platz laufen, aber hätte ich gekonnt, hätte ich es gemacht. Ich hab mir die Daumen wundgedrückt beim Daumendrücken und ich habe beim Spiel Deutschland-Argentinien 2006 fast nen Herzinfarkt bekommen. Hab ich einen objektiven Verdienst am Sieg? Nein, würden viele sagen. Ich hab nicht gespielt.
    Doch, hab ich, sag ich. Und bin stolz auf den Sieg. Es ist alles eine Sache der Sichtweise.


    Und es hat sicher auch was mit Zugehörigkeit zu tun. Wenn ich dankbar wäre, dass die Manschaft gewonnen hat, würd ich mich nicht so gut fühlen wie wenn ich mich als Teil dieses Siegs sehe.


    Edit: DFB war ein gutes Beispiel, aber man kann es ja beliebig ausweiten ;-)


    Edit 2: Mal ganz provokant gefragt - wenn ich nur auf meine eigenen Leistungen stolz sein kann und wenn Stolz auch gleichzeitig Scham einschließt - warum sollte man sich dann als Deutscher jetzt noch für das schämen, was während des Nationalismus passiert ist? War einer von euch mit dabei und hat sich schuldig gemacht? Wohl kaum. Und doch fühlt man sich irgendwie schuldig als Deutscher, kommt es mir vor. Find ich jetzt auch nicht falsch. Ich finde nur falsch, dass man auf alles andere anscheinend nicht stolz sein darf/sollte. Erscheint mir aber widersprüchlich :gruebel
    (Und ja, jetzt kommt sicher einer um die Ecke mit der Unterscheidung zwischen Schuld und Scham usw... ;-))

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  • Zitat

    Original von Gummibärchen
    Das Problem ist wohl (find ich zumindest), dass man sich kaum irgendwie dazu "durchringen" kann zu sagen, dass man etwas auch wirklich als eigene Leistung beachten kann. Wenn Vulkan nicht mal ihr Abitur als wirklich eigene Leistung ansieht (sorry, Vulkan, aber du kannst mir doch nicht erzählen, dass dir dein Abi in den Schoß fiel? :chen), fällt es noch schwerer zu akzeptieren, dass man sich für den Sieg der Nationalelf mitverantwortlich fühlt.


    Gummi, es ist eine Frage, was man als wichtiger oder entscheidender erachtet. Natürlich weiß ich, dass man in Deutschland immer auf die eigene Leistung pochen muss. Aber mir ist einfach zu bewusst, dass gleiche Intelligenz, gleiche Beharrlichkeit, gleicher Ehrgeiz für die Katz wäre, wenn ich in irgendeinem Dorf in Afrika als Kind von Viehhirten, Nomaden oder Bauern geboren wäre. Oder als Mädchen in Afghanistan. Oder in einem südamerikanischen Slum. Oder, oder, oder... Natürlich kann ich mich mit den 5 % der Weltbevölkerung vergleichen, die ähnlich gute Startbedingungen wie ich hatten und stolz darauf sein, vielleicht noch ein bisschen erfolgreicher gewesen zu sein als einige andere aus diesen 5 %. Ich kann aber auch einfach dankbar sein, nicht zu den restlichen 95 % der Erdbevölkerung zu gehören. Wie gesagt, ich weiß, dass diese Sichtweise nicht en vogue ist, aber dieses Leistungsgerede geht mir einfach zu häufig auf die Nerven.

  • Zitat

    Original von Vulkan
    Gummi, es ist eine Frage, was man als wichtiger oder entscheidender erachtet. Natürlich weiß ich, dass man in Deutschland immer auf die eigene Leistung pochen muss. Aber mir ist einfach zu bewusst, dass gleiche Intelligenz, gleiche Beharrlichkeit, gleicher Ehrgeiz für die Katz wäre, wenn ich in irgendeinem Dorf in Afrika als Kind von Viehhirten, Nomaden oder Bauern geboren wäre. Oder als Mädchen in Afghanistan. Oder in einem südamerikanischen Slum. Oder, oder, oder... Natürlich kann ich mich mit den 5 % der Weltbevölkerung vergleichen, die ähnlich gute Startbedingungen wie ich hatten und stolz darauf sein, vielleicht noch ein bisschen erfolgreicher gewesen zu sein als einige andere aus diesen 5 %. Ich kann aber auch einfach dankbar sein, nicht zu den restlichen 95 % der Erdbevölkerung zu gehören. Wie gesagt, ich weiß, dass diese Sichtweise nicht en vogue ist, aber dieses Leistungsgerede geht mir einfach zu häufig auf die Nerven.


    Wir reden aneinander vorbei (was ganz Neues :chen).
    Ich geb dir da vollkommen recht in dem, was du schreibst, aber darum geht es gar nicht. Tatsache ist (in meinen Augen), dass du auf dein Abi stolz sein kannst. Du hattest gewisse Voraussetzungen, die es ermöglicht haben. Aber ohne Fleiß, Ehrgeiz und Interesse an dem, was du lernst, hättest du es auch nicht geschafft. Und ich finde, darauf kann man mit Recht stolz sein. Daran seh ich nun mal nichts falsches. Und das hat nichts mit Leistungsgerede zu tun, weil man es eben auf verschiedene Bereiche ausweiten könnte. Das war nur ein Beispiel und was du schreibst, widerspricht eigentlich gar nicht meiner Aussage, dass dir dein Abi nicht in den Schoß fiel ;-)


    Edit: Mit der Formulierung "Auf die eigene Leistung pochen" hab ich wiederum ein Problem. Es geht keineswegs darum, dass man sagt "Das hab ich ganz allein geschafft". Es geht einfach darum, genauso, wie du für die Voraussetzungen dankbar bist, auch auf das, was du zum Erfolg beigetrgen hast, stolz zu sein.

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  • Zitat

    Original von VulkanEdit: Wo habe ich jedem, der stolz ist, Ausländerfeindlichkeit unterstellt?


    damit:


    Zitat

    Original von Vulkan
    Mich nervt es massiv, wenn Menschen hier in diesem Land meinen, dass ihre Arbeit allein Wirtschaftswachstum, Wohlstand, gesundheitliche Versorgung etc. garantieren. Das heißt nämlich im Umkehrschluss, dass die, denen es schlechter geht (und das sind wahrscheinlich 90 % der Weltbevölkerung) weniger hart arbeiten.


    Der von Dir postulierte Umkehrschluß ist eine unglaubliche Unterstellung!!