Ein ganz gewöhnlicher Regenbogen – Les Murray

  • Gedichte
    Hanser, 1996, 160 Seiten


    Aus dem Englischen von Margitt Lehbert


    Kurzbeschreibung:
    Bei dieser Gedichtsammlung handelt es sich um eine Auswahl an Gedichten aus dem bisherigen Werk des Autors.
    Folgende Bücher stellten Gedichte:
    The Ilex Tree
    The weatherboard cathedral
    Poems against economics
    Lunch and Counterlunch
    Ethnic radio
    The people´s otherworld
    The Daylight Moon
    Das Idyllenrad
    Dog Fox Field
    Translations from the natural world


    sowie bis zu diesem Zeitpunkt unveröffentlichte Gedichte.




    Über den Autor:
    Les Murray wurde 1938 auf einer Farm in Bunyah, New South Wales geboren. Bunyah ist weniger ein Dorf als ein Tal mit ein paar verstreuten Farmen und liegt etwa 250 Kilometer nördlich von Sydney. Es wurde 1870 von Murrays schottischen Vorfahren besiedelt und spielt bis heute eine wichtige rolle in seiner Poesie.
    Als junger Mann verlies der Dichter seine Heimat, um in Sydney zu studieren. Lesewütig und an allem interessiert, nutzte er seine Studienzeit eher dazu, auf eigene Faust die Bibliothek zu verschlingen, als einen vorgeschriebenen Ablauf von Kursen zu folgen. Nach seinem Abschluss arbeitet er einige Jahre lang als Übersetzer in Lanberra, reiste ausgiebig und zog dann mit seiner Frau und seinen 5 Kindern wieder nach Sydney. Ab 1974 lebte er dort als freier Schriftsteller, 1986 kehrte er mit seiner Familie endgültig nach Bunyah zurück.
    Les Murray ist Herausgeber verschiedener Anthologien, darunter The Oxford Book of Australian Verse, Verfasser zahlreicher Essays und Buchkritiken und Literaturredakteur der Zeitschrift Quadrant. Seit Jahrzehnten gilt er als der wichtigste Dichter Australiens.


    Meine Rezension: :
    Aufgrund des Umfangs kann ich nur einige Gedichte aus dem Band vorstellen.
    Schon das erste Gedicht „Holzfäller am Mittag“ aus dem Gedichtband The Ilex Tree ist ein gutes Beispiel für Les Murrays Thematik, der Heimat in Australien. Er holt weit aus indem er die gesamte Vergangenheit mit einbezieht. Der Erzähler dieses Gedichts liebt die Stille im Wald fernab von Großstadtlärm und auch, wenn er zukünftig in die Stadt gehen wird, er weiß, sie wird ihn nicht halten, er wird immer wieder zurückkehren, um das Schweigen zu hören.


    Das nächste Gedicht „Durch Sägewerkdörfer fahrend“ geht in eine ähnliche Richtung.


    Für diesen frühen Gedichtband aus den Sechzigern, dass er zusammen mit Geoffrey Lehmann veröffentlichte, erhielt er den von Dichtern begehrten Grace Leven Price for Poetry.
    Diesen Preis sollte er später noch mehrmals erhalten.


    Diesen frühen Gedichten wohnt eine Ruhe inne, ein innerer Frieden, dass es eine Erholung ist, sie zu lesen.


    Später werden die Gedichte komplexer.


    Schon als nächstes folgt das Titelgedicht „Ein ganz gewöhnlicher Regenbogen“. Hier kann man es im Netz finden: www.lesmurray.org/pm_aor.htm
    Es stammt aus Murrays ersten alleine veröffentlichten Gedichtband The weatherboard cathedral.
    Dort geht es um einen mysteriösen, weinenden Mann mitten in Sydney und vor allem um die Reaktionen auf der zuschauenden Menge auf diesen Mann. Mir gefällt der Geist der hinter Murrays Beobachtungen steckt und die originelle Art, wie er diese ausdrückt.


    „Lächerlich, sagt der Mann in meiner Nähe und versteckt
    seinen Mund mit den Händen, als habe er die Worte erbrochen.“


    Ein würdiges Titelgedicht.


    Dann folgen die Gedichte „Die Namen der Demütigen“ und „Bo-opis“, sie stammen aus Poems against economics und stellen erstmals Tiere, hier Vieh (Kühe) in Form einer Cow-Kultur in den Mittelpunkt. Viele Tiergedichte werden noch folgen und dann in Übertragungen aus der Natur gesammelt.


    Das Gedicht "Joszef" stammt aus Lunch and Counterlunch, ein atmosphärisches Memorian für einen aus Ungarn stammenden Australier, wahrscheinlich der Vater von Les Murrays Frau, die in Ungarn geboren ist.


    Es gilt auch die Titel vieler Gedichte genau zu beachten, die das Thema da verraten, wo es inhaltlich nicht auf den ersten Blick erkennbar ist:
    „Über die Bodenrechte der Ureinwohner nachdenkend besuche ich die Farm, die ich nicht erben werde.“


    Ethnic Radio: Bei „Lachlan Macquaries erste Sprache“ gilt es google zu bemühen, das viel über diesen Mann verrät, der ein Schotte mit gälischer Sprache und Gouverneur von New South Wales in Australien 1810-1821 war.
    In dem Gedicht spricht er mit einer Seherin über Australiens Zukunft. Australien wird die gälische Sprache verlieren, aber ein eigenes Volk werden.


    Erwähnenswert ist auch „Anstellung für die Kasten in der Schwebe“, in der Les Murray seine Tätigkeit als Übersetzer thematisiert.


    In „Quintette für Robert Morley“ aus The peoples otherworld von 1983 paart Les Murray seine Originalität mit seinem Humor. Jeder Abschnitt des Gedichts besteht aus 5 Zeilen, aber ein Limerick ist es nicht.
    Der Humor blitzt auch auf in „Der Traum für immer Shorts zu tragen“ aus The Daylight Moon von 1987.
    Sehr schön ist auch „Die Schlafveranda“ (The sleepout), das mit dem Tageslichtmond endet und somit titelgebend für The Daylight Moon war.


    Mit 22 Seiten ist „Das Idyllenrad Zyklus eines Jahres in Bunyah, New South Wales. April 1986-1987“ das längste Gedicht in dem Band und eins der beeindruckendsten..
    Bunyah ist Les Murrays Heimat. Wenn man Fotos im Netz davon sieht, versteht man die Liebe des Autors zu seinem Land.
    Kajaputbäume, Eukalypten, Angophora, Toona und natürlich die Farm und die Tiere ergeben ein grandioses Bild, in dem der Dichter auch in seine Kindheit abtaucht. Seien Eltern und seine anderen Familienmitglieder bekommen Profil, ebenso wie das Leben auf der Farm mit seinen kleinen und großen Ereignissen. Mal gibt es sogar einen Ausflug zum Pferderennen nach Sydney.


    Dog Fox Field: Bewegend ist das Gedicht „Die Kühe am Schlachttag“, das aus dem kollektiv einer Kuhherde erzählt wird. Dieses Gedicht fiel mir schon bei der Lesung des Dichters auf seiner diesjährigen Lesetour auf.
    Verstörend ist auch HundFuchsFeld.


    Die Gedichte aus Translation from the natural world, die anders zusammengestellt als letztes in Deutsch als Übertragungen aus der Natur erschienen sind, stellen für mich den überragenden Teil des Bandes dar.
    Reinlesetipps sind: Der Hahnedornbusch, Das Grubenorgan der Schlange, Die Molluske, Kuhreiher, Die Oktave der Elephanten, Mieze, Zell-DNA und natürlich das geniale Gedicht „Der Pottwal“.


    Von den neuen Gedichten möchte ich exemplarisch „Über das gegenwärtige Abschlachten verwilderter Tiere“ nennen, dem ein empörter Ton über menschliche Grausamkeit in der Sachlichkeit zu finden ist, den sicher auch deutsche Bauern in den letzten Jahren oft teilten.


    Noch eine Anmerkung zu der Übersetzung:
    Von der NZZ (wie bei Amazon ersichtlich) gibt es ziemlich kritische Töne zur Qualität der Übersetzung. Ob diese gerechtfertigt sind oder nicht, vermag ich nicht zu beurteilen, aber mein Eindruck von der Übersetzung war eigentlich gut, da sie flüssig und verständlich bleibt. Die Harmonie der Gedichte ist auch im deutschen vorhanden.
    Die Anmerkungen sind aber leider wirklich sehr kurz gehalten.
    Außerdem ist die große Motivation, Einsatz und Leistung der Übersetzerin zu Les Murrays Werk, dass sie teilweise auch in deutsch herausgegeben hat, seit vielen Jahren sehr überzeugend.
    Überzeugen kann man sich davon auf www.rugerup.de



    Mit dieser Gedichtsammlung kann man sich einen guten Überblick über Les Murrays Werk verschaffen.
    Ich kann es nur sehr empfehlen, da Les Murray zu den ganz Großen der Welt gehört.