Also...
nachdem mir die Some-Hope Trilogy schon einen kleinen Einblick gegeben hat, womit sich die sogenannte 'feine' Gesellschaft so unterhält und ihre Tage und Nächte verbringt, ging es für mich hiermit weiter: On the Edge ist auch irgendwie die logische Weiterentwicklung zum letzten Band der Trilogie, obwohl diesmal völlig andere Protagonisten die Bühne betreten.
Wieder ist die Handlung auf mehrere Figuren verteilt, die am Schluss in einem Tantra-Seminar zusammenfinden.
Aus Reichtum verwahrlost, vom Erfolg frustriert, sind die Protagonisten - oft schon jahrelang - auf der Suche nach sich selbst und der spirituellen Erleuchtung.
Edward St Aubyn gibt uns diesmal gute Innenbeschreibungen der Figuren und ihrer Seelenzustände; wie die verschiedenen Seelentypen mit Gruppenveranstaltungen, Ashrams, Gurus und Mescalin Erleuchtung und Selbstbefreiung suchen; wie sich Meditationen, die Gruppenkatharsis und sonstige psychologische Techniken auf die einzelnen Protagonisten ausgewirkt haben, und welche Erkenntnisse sie daraus am Schluß gewonnen haben.
Ich selbst habe vom Anfang frustriert das Buch mal beiseite gelegt, und zwei der Protagonisten im Mescalin-Drogenrausch in einem amerikanischen Nationalpark zurückgelassen, weil mich die französische Hälfte des Pärchens - die glücklicherweise später aus der Geschichte verschwindet - in seiner philosophischen Argumentation nervte, und ich mir nicht erklären konnte, was das Ganze soll, und worauf das Buch hinaus will; aber wieder einmal hätte ich bei einem Leseabbruch um ein Haar das Kind mit dem Bad ausgeschüttet, bevor es zur vollen Form aufläuft.
Das Buch ist eine stellenweise bitterböse, satirische Abrechnung mit Gurus und der Esoterik-Welt, und man glaubt dem Autor, dass sie kompetent ist, denn er macht den Leser denkend, er sei dort gewesen, und hätte alles gesehen und erfahren, und sei zurückgekommen, um es zu erzählen.
DER AUTOR Edward St Aubyn, als Mitglied des englischen Hochadels dafür prädestiniert das Leben der Reichen und Schönen zu beschreiben, hat in diesem Buch eine wesentlich unterhaltsamere und erfreulichere Seite seiner Autobiographie aufgeschlagen, als in Some Hope.
Das schöne am Buch ist: das reiche Leben samt seiner Leere und seinen teuren esoterischen und drogistischen Selbstfindungstrips kann man sich sparen, wenn man es in diesem Buch liest: hier gibt es alle Typen von Leuten, und alle Gründe, die man haben kann, um sich leer und ausgebrannt zu fühlen und sich deshalb mehr oder weniger esoterischen Selbsthilfe-gruppen anzuschliessen.
Man erkennt mit den Figuren, dass der Sinn des Lebens - und dieser Gruppen - eher der Aufbau eines in der modernen Gesellschaft verschütt gegangenen sozialen Zusammengehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühls ist; und dass bei der ständigen hektischen Suche nach Maximierung es vielleicht einmal angebracht wäre, inne zu halten und Bilanz zu ziehen, und Glück und Erfüllung im Hier und Jetzt zu suchen.
FACIT: Mir ist um das Buch kurz zu beschreiben eine Goethe-Verballhornung aus meiner Schulzeit eingefallen, die hier aber voll zutrifft: 'Wozu in die Ferne schweifen? - Sieh, die Ute liegt schon da!'