Fragen an Dörthe Binkert

  • Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht ganz einfach ist, einen psychologischen Gesellschaftsroman zu schreiben, der in der Vergangenheit angesiedelt ist, da dabei alle Konventionen der Zeit auch auf die Entscheidungen und Handlungsweisen, die durchaus gegen die eigene psychologisch motivierte Einstellung der jeweiligen Protagonisten ausfallen kann, beachtet werden müssen. Logik zwischen inneren und äußeren Zustand muss ausgewogen bleiben, was bei Weit übers Meer sehr gelungen ist, wie ich finde.


    Liege ich in dieser Annahme richtig, oder liegen die Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen beim Schreiben eines historisch angesiedelten psychlogischen Gesellschaftsroman tatsächlich ganz woanders?


    Noch eine Frage:
    Wie war der Rechercheaufwand anteilig an der Gesamtschreibezeit?
    Das würde mich sehr interessieren.

  • Nun, der erste Roman spielt auf dem Meer, der zweite in den Bergen. Aber es gibt tatsächlich einen gewissen Link, weil Valentina nach St. Moritz zur Kur geschickt wurde. St. Moritz war damals einer d e r Kurorte, und da ich das Engadin als Landschaft sehr liebe, will ich mich mit dieser Gegend noch einmal besonders beschäftigen. Der Maler Segantini kommt aber in "Weit übers Meer" noch nicht vor.

  • Zur Frage der Recherche für einen solchen Roman, der in einer vergangenen zeit angesiedelt ist. Ja, die Zeitumstände muss man natürlich beachten, sonst ist der Roman einfach nicht glaubwürdig. Die menschlichen Sehnsüchte und Hoffnungen, die Gefühle, die Menschen empfinden, sind hingegen wohl zeitlos, wenngleich sie nur im Rahmen der gesellschaftlichen Möglichkeiten einer Zeit ausgelebt werden können.
    Ich habe ein halbes Jahr nur recherchiert, bevor ich angefangen habe zu schreiben und dann, je nach Bedarf, im Einzelnen noch nachrecherchiert. Ich mache das sehr gerne, weil es die eigene Arbeit "erdet" und man selbst so viel dabei lernt. Und alles erst 100 Jahre her, habe ich manchmal gedacht.

  • Zitat

    Original von Dörthe Binkert
    Auch der nächste Roman wird um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert spielen, aber in einer ganz anderen Gegend, nämlich 1896 im Engadin. Damals wurden in den Bergen die grossen, teils noch heute bestehenden Grand Hotels eröffnet. Um die Jahrhundertwende reiste dort die halbe Welt aus Paris und London, Berlin, Rom und Mailand an, um zu kuren und dort das gesellige Leben der Städte fortzusetzen. Die einheimische Bevölkerung war arm, lebte in grossem Kontrast dazu ein beschwerliches Leben. Es wird wieder eine Geschichte sein, in der verschiedene Protagonisten ihren Weg finden müssen - ein psychologischer Gesellschaftsroman also, in dem auch der Maler Giovanni Segantini eine Rolle spielen wird, der auf der Passhöhe des Maloja sein Atelier auf 2000m Höhe eingerichtet hatte ...


    Der Verlag möchte das Buch wenn möglich im nächsten Herbst bringen. Ich weiss aber noch nicht, ob ich rechtzeitig fertig werde. An "weit übers Meer" habe ich 3 Jahre gearbeitet...


    Wow, das klingt sehr interessant. Vor allem da ich den Maloja Pass kenne. Mein Stief-Großvater ist dort begraben.
    Ich denke das wrd ein Buch für mich :wave