'Weit übers Meer' - Seiten 181 - 270

  • Wow, den Abschnitt habe ich jetzt in einem Stück verschlungen.
    Der Sturm wirbelt nicht nur das Schiff durcheinander, sondern wohl auch das Innenleben seiner Passagiere.


    Lisette war also schwanger und ist im Kindbett gestorben. Ich hab mir so was schon gedacht. Die Abschiedsszene auf dem Deck fand ich sehr berührend, da hat Henri endlich seinen Frieden mit Lisette schließen können.
    Dass er sich jetzt um Billie kümmern möchte finde ich verständlich
    Ich hoffe nur Billie ist für ihn nicht ein Ersatz für Lisette, an dem er sein Unrecht wieder gutmachen will. Es wäre Billie zu wünschen, dass er sie um ihrer selbst willen liebt.


    Mr. Brown ist ja wirklich ein ätzender Mensch, genau wie Mr. Van Straaten.
    Sie machen ja alles richtig und die Frauen haben sich entsprechend zu fügen. Solche Selbstherrlichkeit finde ich einfach zum :uebel


    Aus heutiger Sicht können sie einem ja fast leid tun, was sie sich selbst mit ihrer Borniertheit versagen! Die Liebe ihrer Kinder werden sie wohl nie erfahren. Ich denke die beiden sind sehr einsam und merken es nicht einmal.



    Nun erfahren wir auch, wie Valentinas Sohn gestorben ist. in mir hat sich bei dieser Szene alles verkrampft, wie schrecklich den Sohn so im Gartenteich zu finden. Selbstvorwürfe bleiben da natürlich nicht aus und ich kann auch gut verstehen, dass sie ihrem Mann im ersten Moment Vorwürfe macht, schon alleine um die Schuld nicht allein schultern zu müssen.


    Auch über ihr Verhältnis zu Richard erfahren wir mehr. So richtig weiß ich nicht, was ich von ihm halten soll. Ich denke aber auch, er wird nicht auf Valentina in New York warten. Der Rausch der Verliebtheit wird wohl verflogen sein, nachdem er sie nicht mehr sehen konnte. Der Alltag hat einen da doch sehr schnell wieder.


    Ich finde es nicht so ungewöhnlich, dass alle Männer ihr auf die eine oder andere Weise verfallen. So was gibt's, ich hatte mal eine Freundin, die hatte eine ähnliche Wirkung auf Männer. Allerdings haben solche Frauen wohl nicht sehr viele Freundinnen, da spielt dann Neid und Angst doch eine zu große Rolle. Wobei Valentina ihre Wirkung ja nicht einmal bewusst einsetzt, vielleicht ist sie sich dessen auch überhaupt nicht bewusst.

  • Ja, das ist einer der Kernsätze: Die Dinge müssen nicht so bleiben wie sie sind. Und genau so ist die Geschichte angelegt: Valentina, über die selbst wir lange nur wenig erfahren, ist, gerade weil sie wie eine weisse Leinwand die Projektionen der andern auf sich zieht, ein Katalysator für die Entwicklung der andern. Die einen ergreifen diese Gelegenheit, andere können oder wollen das nicht - wie im Leben halt ...

  • Hm, so sehr offen empfinde ich das gar nicht. (Jetzt spoilere ich lieber, weil das eigentlich zum letzten Abschnitt paßt.)


    Aber ansonsten dürften die meisten der Protagonisten, die wir kennengelernt haben, das Schiff verändert verlassen. Und wenn es nur ist, daß sie sich bewußt sind, was sie an ihrem derzeitigen Leben haben und was sie in ihrem Leben nicht haben wollen (so scheint es mir bei Frau Vanstraten zu sein).

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich bin noch mitten drin in dem Abschnitt, werde aber gleich weiterlesen... bin schon sehr gespannt auf die weiteren Enthüllungen.


    Wie schon geahnt, hat nicht nur Valentina ihre Geheimnisse... Billie tut mir leid und ich bin mal gespannt, wie ihre Geschichte noch weiter geht.


    Sehr gern mag ich das Mädchen Lily - ihre Beobachtungen waren einfach klasse!


    Mir gefällt das Buch einfach gut und ich bin froh, dass es nicht wie auf dem Klappentext angedeutet, nur um Valentina geht, sondern das die unterschiedlichsten Personen eine gleichberechtigte Rolle spielen...

  • Interessant finde ich, dass mit dem Sturm und der Seekrankheit der Personen, verschiedene Geheimnisse ans Licht kommen.


    Zitat

    streifi :


    Mr. Brown ist ja wirklich ein ätzender Mensch, genau wie Mr. Van Straaten.
    Sie machen ja alles richtig und die Frauen haben sich entsprechend zu fügen. Solche Selbstherrlichkeit finde ich einfach zum :uebel


    :write

  • Der Sturm scheint eine Dynamik in Gang gesetzt zu haben.


    Die Geheimnisse um die einzelnen Personen lüften sich langsam, und wir erfahren, welche Schicksale sie verborgen haben.


    Zitat

    Original von Batcat
    Lily war auch so ein Charakter, den ich gerne gelesen habe. Eine interessante junge Frau, deren wahres Handicap, so befürchte ich, nicht ihre Behinderung ist, sondern die spärlichen Möglichkeiten für junge Frauen zu dieser Zeit. Sie ist eine scharfe Beobachterin und klug noch dazu.


    Das habe ich genauso empfunden. Und ihre Mutter schränkt sie noch weiter ein. Ihre Notizbücher zu verschiedenen Themen finde ich toll, gerade ihre Notizen in Bezug auf die Menschen an Board würden mich sehr interessieren.


    Valentina offenbahrt Thomas ihr Geheimnis. Wie sie ihren kleinen Sohn verloren hat, ist wirklich schrecklich, kein wunder, dass sie immer noch in ihrer Trauer und ihren Schuldgefühlen gefangen ist. Hoffentlich schafft sie es dennoch, wieder ein glückliches Leben zu führen.


    Und als sie Henri erzählt, dass ihr Vater ihre Mutter verlassen hat, setzt sie unwissend auch bei ihm etwas in Gang. Er hat Liesette auch verloren, als sie schwanger war. Zwar hat sie ihn verlassen, doch letztendlich war es seine Entscheidung, sie nicht zu heiraten, die letzendlich dazu führte. Doch endlich scheint er Liesettes Tod verarbeiten zu können.


    Zitat

    Original von Batcat
    In diesem Abschnitt erfahren wir auch mehr über Billies Schicksal und Mr Brown und seine Vorgänger. Ich denke, daß es solche Schicksale vor über 100 Jahren leider noch viel zu oft gegeben hat: Zum Sterben zuviel, zum Leben zuwenig. Wer da nicht das Glück hatte, einen Gönner zu finden, der hatte verloren. Doch was ist mit den Gefühlen?


    In diesem Abschnitt wird Mr Brown für mich zum großen Verlierer. Er verliert meine Achtung... und er verliert Billie, derer er sich viel zu sicher war. Und er verliert sie völlig zu Recht. Auch wenn er das Geld hat, sich arme Frauen wie Billie "leisten" zu können. Verdient hat er sie nicht.


    Billies Schicksal hat mich auch sehr getroffen, sie hatte wahrlich kein Glück mit Männern, die ihre Lage auszunutzen wussten. Dass Mr Brown nun meint, mit einer Abtreibung sei alles wieder in Ordnung und sie könnten einfach weitermachen mit der Affäre, zeigt, dass er ihr sie nicht liebt.


    Ich wünsche Billie sehr, dass sie nun mit Henri glücklich werden kann, und ich hoffe sehr, dass er sich ihr nicht nur zuwendet, weil sie Lisettes Schicksal teilt.


    Zitat

    Original von streifi
    Ich hoffe nur Billie ist für ihn nicht ein Ersatz für Lisette, an dem er sein Unrecht wieder gutmachen will. Es wäre Billie zu wünschen, dass er sie um ihrer selbst willen liebt.


    :write


    Insgesamt wird in diesem Abschnitt die Position, in der sich die Frauen in der damaligen Zeit befanden, anhand der verschiedenen Schicksale sehr anschaulich. Keine der Frauen ist wirklich frei und ich hoffe sehr, dass sie im letzten Abschnitt ein Stück Freiheit erobern können, sich aus ihrem "Korsett" befreien können. Insoweit wirken vor allem die Kleider, die die Modeschöpferin Valentina zur Verfügung stellt, symbolisch.


    Ich bin sehr gespannt auf den letzten Abschnitt

  • Ihr tut immer so als ob die Männer freier in ihrer Entscheidung gewesen wären, die waren genauso Zwängen und Erwartungen ausgesetzt, die Männer mussten sich ebenfalls gesellschaftlichen Konventionen anpassen- 1936 war noch lange hin und da musste ein englischer Monarch abdanken, weil er eine geschiedene Frau liebte. Dann war dieser Mann wenigstens soweit zu seiner Liebe zu stehen, dreissig Jahre vorher hätte der Mann ein Supermann sein müssen, der das tat. Auch die Männer sind im Korsett ihrer Erziehung groß geworden und eingeschnürt geblieben.

  • Beowulf,


    damit hast Du natürlich auch recht.


    Dennoch konnten Männer damals deutlich "freier" leben, weil ihnen einfach mehr Möglichkeiten zur Verfügung standen als Frauen.


    Männer durften studieren, alleine reisen und sich vergnügen.


    Frauen durften handarbeiten, musizieren, den Haushalt führen und ansonsten möglichst dekorativ, aber meinungslos sein.


    Ich bin heilfroh, nicht damals gelebt zu haben. Ich habe mit jedem einzelnen dieser Punkte so meine Probleme. Naja.... das mit dem dekorativ würde ich grade eben noch so hinkriegen. :grin

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • ...aber frei zu entscheiden eine nicht standesgemäße Geliebte zur Frau zu nehmen waren sie auch nicht. Mr.Brown konnte gar nicht anders handeln- die Frage ist ob er sich je erlaubt hat anders zu denken- und hier kommen wir wieder zu Valentinas Katalysatorfunktion- Mr. Brown denkt wenigstens kurz nach wie es denn hätte sein können, hätte er eine Wahl gehabt und denkt dann schnell, bevor es doch weh tut, in seinen oberflächlichen Konventionen weiter- aber wer weiß, wie er 15 Jahre später darüber denken wird?


    (Die fünfzehn Jahre sind nicht Platzhalter für "viele" sondern mit 1919 dem Jahr nach dem totalen Umbruch - zumindest für uns Europäer- berechnet)

  • In diesem Abschnitt offenbaren sich die dunklen Geheimnisse der einzelnen Passagiere. Jeder hat "sein Päckchen zu tragen" und setzt sich, zumindest innerlich damit auseinander. Den Begriff Katalysator in Bezug zu Valentina finde ich treffend gewählt.


    Fraglich ist nur, wie nachhaltig diese Veränderungen bei dem Einzelnen sein werden. Während ich bei Henry guter Hoffnung bin, wird sich für eine Mrs Vanstraaten wohl nur wenig ändern.

  • Dieser Abschnitt ist, was das einzelne Schicksal der Personen angeht, sehr interessant. Da kommt so viel ans Tageslicht, jeder in seiner Position und seiner Zeit gefangen.
    Ich komme jetzt nur etwas durcheinander, da ich den nächsten Abschnitt, und damit das Buch, schon fast beendet habe. Da möchte ich niemanden vorgreifen, der noch nicht so weit ist, auch wenn das eher unwahrscheinlich ist (:grin).


    Sehr interessant finde ich die Rollenverteilungen der Geschlechter, und der Einengung, die damit einhergeht. Frei handeln, frei entscheiden kann niemand so recht. Als Frau ist man abhängig vom Mann, egal, ob man heiratet oder nicht. Heiratet man nicht, verdient man nicht genug, um sich selbst ernähren zu können und wird von einem Geliebten ausgehalten. Ein trauriges Leben, für alle.
    Mich wundert es, dass man sich zu der Zeit so schnell über evtl. Gefühle für sein Gegenüber gesprochen hat, und auch so schnell verheiratet war. Aus heutiger Sicht kann man sich das kaum vorstellen.


    Den Rest schreibe ich im nächsten Abschnitt, da ich nicht mehr genau weiß, wann was passiert ist.