'Weit übers Meer' - Seiten 271 - Ende

  • Der Schluss gefällt mir außerordentlich gut, weil eben nicht Friede-Freude-Eierkuchen-mäßig alle Probleme in Luft auflösen, sondern manche Hindernisse auch das neue Leben erschweren. Es gleicht mehr meiner Vorstellung vom wahren Leben, als wenn Valentina jetzt womöglich mit Thomas in NY ein problembefreites Leben begonnen hätte. Es hängt ja doch mehr daran.


    Das Buch gibt eine Episode aus dem Leben von Valentina wieder, in der wir auch andere Charaktere kennenlernen konnten. M. E. regt es zum Nachdenken über gesellschaftliche Strukturen und psychologische Werdegänge an. Tiefsinnig fände ich jetzt ein zu schweres Adjektiv, aber zum Nachdenken anregend trifft es.

  • Mir gefiel der Schluß von dem ganzen Buch am besten. Wenn Beo sinngemäß schreibt, er bekäme keinen richtigen Zugang zum Buch und käme sich vor wie, als wenn er ein Rosamunde-Pilchner-Drehbuch lesen würde, kann ich nur zustimmen. Ich schrieb auch direkt am Anfang meiner Rezi, dass mir nur der Schluß wirklich gut gefiel.


    Ich hätte demzufolge aus der Rezi auch nicht soviel rausholen können wie Vandam.

    .


    Ansonsten ist es schon mit seinen andauernen Klagen allzu aufdringlich. Ich glaube, dass ist in meiner Rezi nicht allzu deutlich geworden, ich werde da noch mal einen Satz hinzufügen.
    Auf den ersten 100 Seiten gefiel mir das Buch sehr gut - zu der Aussage stehe ich - aber die ständige Wiederholung des Themas *Unfreiheit* war dann ein bißchen viel.

  • Das Buch gefiel mir am Anfang am besten - die verschiedenen Sichtweisen, die Kommentare der anderen Passagiere oder des Personals. Der Schluss versöhnte mich ein bisschen mit dem etwas langweiligen Mittelteil. Das Buch zeigt eine Zeitspanne von 9 Tagen im Leben von gutgestellten Familien oder Einzelpersonen, die auf engerem Raum miteinander bekannt wurden. Jedes der Schicksale spiegelt die damalige Denkensweise und Konventionen wider. Das ist ein Thema, über das schon sehr viel Tinte geflossen ist - aber so, wie es hier beschrieben wurde, war es doch ein "bisschen" anders.
    Eine etwas anspruchsvollere Lektüre und für den ersten Roman sehr vielversprechend für weitere Romane der Autorin.

  • Aus Gründen, die ich nicht zu vertreten habe- mein SuB liegt 850 Kilometer weg von hier- habe ich das Buch zuende gelesen. Die Tiefe, die Vandam in der Diskussion um Freiheit und Unterdrückung gesehen hat hätte ich überlesen. Mir war das wohl zu oberflächlich angelegt und die Symbolik des weissen Kleides zu dick aufgetragen. Generell kein schlechtes Buch, das als Beinahe-Erstling jedenfalls Neugierde auf mehr von dieser Autorin macht.


    Am meisten schockiert hat mich, das der Zeitpunkt zu dem der Roman spielt nicht viel weiter vom Zeitpunkt meiner Geburt nach hinten entfernt liegt, wie der heutige Zeitpunkt von meiner Geburt an gerechnet nach vorne. Hoffentlich entdecken noch mehr Schriftsteller die Zeit der Jahrhundertwende- nachdem mein letztes Buch vor diesem Lea Johannsons "Marzipanmädchen" war bin ich optimistisch, das wir auch ausserhalb der Mittelalters gute historische Romane verlegt bekommen.

  • So, ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Doch nicht ich habe das Buch, das Buch hat mich geschafft. Das erste Mal seit langem habe ich wieder die 4. Sinfonie von Anton Bruckner gehört. Aber gelandet bin ich letztlich doch wieder bei Gustav Mahler und seiner 2. Sinfonie; was irgendwie auch passender ist. Beginnt diese doch „am Grabe eine lieben Verstorbenen“ und endet mit dem „Ruf zum Jüngsten Gericht“.


    Jetzt muß ich das erst mal setzen lassen, um meine Anmerkungen noch in eine akzeptable Form bringen zu können.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich bin jetzt auch durch und bleibe dabei, dass es mir sehr gut gefällt.
    Die Stimmung des Buches, die einzelnen Charaktere, die durch diese Schiffsreise eine innere Veränderung durchleben kamen wunderbar zu Tage.


    Sozusagen ein Reifen der Protagonisten, eine Veränderung, sich mit ihren Problemen endlich auseinanderzusetzen und diese dann auch anzugehen, das ist es was mir richtig gut gefiel.

  • Danke für die Links, Nomadenseelchen! :wave



    Gleich zu Beginn dieses Abschnittes (S. 271) wieder eine Stelle, die mir ins Auge gesprungen ist:
    Aber es gab die Freiheit nicht, auch nicht in Amerika. Es existierte auch keine Freiheit von sich selbst, es sei denn, man nahm sich das Leben. Es gab eine Freiheit nur unter Bedingungen, die einem die äußeren Umstände vorgaben - und der eigene Charakter.



    Im weiteren Verlauf erfahren wir dann den Rest der tragischen Geschichte von Valentina. Viele Möglichkeiten zur eigenen Freiheit hatte sie unter den gegebenen äußeren Umständen wohl nicht.



    Die Längen im Mittelteil, von denen hier die Rede war, konnte ich für mich nicht bemerken. Allerdings bin ich ohnehin für eine langsame Erzählweise, so daß ich das, was andere als „Längen“ ansehen, möglicherweise gerade als angenehm zu Lesen betrachte.



    Auch die letzten beiden Sätze sind mir besonders aufgefallen, Seite 330:
    Sie ist der blinde Passagier, den es in jedem Leben gibt.
    Das, was mein Leben begleitet und lenkt, ohne dass ich es verstehe, je verstehen könnte.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich bin jetzt mitten im letzten Abschnitt.
    Als Henri der verständnislosen Valentina danken möchte, musste ich lachen bei Henris Ausspruch: „So sind sie die Sternenköniginnen und Göttinnen. Weit entfernt von uns Menschen hier unten auf der Erde.“


    Dass es Valentina wieder gut geht, zeigt ihr Gefühl der Störung durch das zu eng geschnürte Kleid.
    „Es ist nicht mehr zu gebrauchen.
    Nicht für eine Valentina, die wieder sang.“


    Auch Thomas ist glücklich Valentina zu sehen und singen zu hören.


    Damit endet der Samstag und der letzte Tag der Reise beginnt.


    Die Protagnisten des Romans sind mir schon sehr ans Herz gewachsen.


    Auf den Schluß bin ich jetzt sehr gespannt.

  • Ich hab es gestern an einem Stück ausgelesen. Morgen schreibe ich noch meine Gedanken in die passenden Threads, ich habe mir ganz viele Notizen gemacht. Leider muss ich gleich nochmal arbeiten gehen, bei Nacht und Nebel. :wow

    Ein feines Buch! :-]

  • Für einige Passagiere der 1. Klasse hat diese Reise eine Wendung in ihrem Leben gebracht.
    Ich frage mich: wären Henri und Billie auch zusammengekommen, wenn es keine Frau im weißen Kleid gegeben hätte?

    Im letzten Abschnitt erfahren wir endlich auch, was den Ausschlag gab, daß Valentina ihren Mann verlassen hat. Was für eine grausame Geschichte. Auch Viktor ist nur an sich selbst interessiert und daran, wie er auf die Gesellschaft wirkt. Er sieht Valentina nur als sein Eigentum.


    Nun darf Valentina nicht in die Staaten einreisen und wird auf der Kroonburg zurückgeschickt. Wie wunderbar ist die Szene, als Thomas sich von seiner Schwester Victoria verabschiedet, um ihr zu folgen. Das finde ich schön.


    Sehr gefallen hat mir übrigens, daß es bei dem zufälligen Aufeinandertreffen der Personen an Bord bleibt und sich nicht am Ende noch herausstellt, daß jeder mit jedem um drei Ecken verwandt oder verschwägert oder sonstwas ist. (So wie bei "Mord im Orientexpress" von Agatha Christie.)
    Die meisten gehen ihrer Wege, einige haben wir etwas näher kennengelernt und können uns so vorstellen, wie ihr Leben weiter verlaufen wird.


    Am besten gefallen hat mir die junge Lily im Rollstuhl, um sie mache ich mir keine Sorgen, sie wird ihren Weg gehen.


    Ein schön zu lesendes Buch, in dem ich keine Längen feststellen konnte. Es passiert ja nichts wirklich Spektakuläres, es ist eine Momentaufnahme im Leben mehrerer Personen, die sich zufällig begegnen. Einige werden zweifellos weitermachen wie bisher, andere sind bereit, etwas zu ändern.
    Ein schöner Schluß und wie Herr Palomar schon sagt: Der Nachspann macht das ganze rund.


    Der Schreibstil hat mir gefallen und auf das nächste Buch von Dörthe bin ich schon gespannt.

  • Ein interessanter Einblick in 9 Tage der Leben der verschiedenen Charaktere.


    Ein Abschluß, der das Buch ohne Zuckerguß abrundet und zu einem guten Ende führt.


    Allerdings auch ein Buch, das einen zurückläßt mit offenen Fragen: Was wird aus Valentina? Wird es Lily gelingen, zu studieren? Was wird aus Billie und Henri? Findet auch Victoria ihr Glück, vielleicht sogar mit dem Schiffsarzt?


    Das Ende ist rund, aber doch offen. Das gefällt mir, wie auch das ganze Buch.


    Ich werde mir die Autorin merken. :-]

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von Batcat
    Das Ende ist rund, aber doch offen. Das gefällt mir, wie auch das ganze Buch.


    Genau. Dadurch läßt es genug Raum für die eigenen Gedanken. Und je nachdem, wie man selbst die Personen im Buch gesehen und empfunden hat, kann man sich ihre Geschichte weiterdenken.

  • Ich empfand den Vorspann und den Nachspann als absolut unnötig und auch leicht schmalzig. Aber das ist nur meine Meinung.
    Alles dazwischen hat mir allerdings sehr gut gefallen.


    Das Ende hatte etwas von einem Antiklimax für mich. Es wurde Spannung aufgebaut, die dann plötzlich verpuffte. Das ganze Buch hindurch war ich überzeugt, dass alles ein schlechtes Ende nehmen würde. Das Ende des Buches hinterlässt also ein komisches Gefühl bei mir: ich bin froh, da es den liebgewordenen Protagonisten gut geht, ich bin verwirrt, da ich eine Katastrophe erwartete.


    Die Rache des Kapitäns ist mies. Wie bizarr es für Valentina gewesen sein muss, zurück geschickt zu werden. Sie wähnte sich frei, sie machte auf der Hinfahrt eine grosse innerliche Entwicklung durch, die dann in Freiheit münden sollte. Stattdessen stösst sie auch hier wieder an die Grenzen ihres Käfigs und muss den gleichen Weg zurück gehen.


    Habe ich es richtig verstanden, dass Thomas mit dem gleichen Schiff auch wieder zurück fährt? Dann gibt es ja spätestens an Land in Antwerpen ein Wiedersehen.


    Toll fand ich das Happy-End bei Billie und Henri.


    Überzogen allerdings, dass Viktoria sich so schnell ändert und ihren Thomas freigibt UND die Drogen lassen will UND sich verknallt. Das ist, meiner Meinung nach, zuviel auf einmal.


    Im Grossen und Ganzen war ich aber recht zufrieden mit dem Ende, und habe das Buch mit einem wohligen Gefühl geschlossen.
    Danke Frau Binkert, für diese schöne Lektüre!


    PS: eine Fortsetzung kann ich mir gar nicht vorstellen.

  • Zitat

    Original von Cookiemonster


    Überzogen allerdings, dass Viktoria sich so schnell ändert und ihren Thomas freigibt UND die Drogen lassen will UND sich verknallt. Das ist, meiner Meinung nach, zuviel auf einmal.


    Wenn sie tatsächlich verliebt war, dann würde das Sinn machen.
    Dann ändert sich die Stimmung, der Hormon und transmitterhaushalt verändert sich, oft sehr sehr positiv und dadurch wird es leichter, solche entscheidungen zu treffen und sich vorzunehmen und auch daran zu glauben, die Sucht loszuwerden.


    Es gab mal Untersuchungen, dass das Verliebtsein eine ähnliche Auswirkung hat wie ein riesiger Serotoninschub, wie die Wirkung bestimter Antidepressiva. Und Serotonin ist stark für Emotionen verantwortlich.

  • Zitat

    Original von Cookiemonster
    Überzogen allerdings, dass Viktoria sich so schnell ändert und ihren Thomas freigibt UND die Drogen lassen will UND sich verknallt. Das ist, meiner Meinung nach, zuviel auf einmal.


    Ich sehe das eher als Momentaufnahme. So als Schub sozusagen. Wie Johanna schrieb, als Serotonin- oder Endorfinausschüttung. Würden wir sie eine Woche später sehen, sähe sicher alles schon wieder ganz anders aus.