Schreibwettbewerb November 2008 - Thema: "Maske"

  • Thema November 2008:


    "Maske"


    Vom 01. bis 20. November 2008 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb November 2008 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym eingestellt.


    Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!

  • von Voltaire



    „Spür die Magie der Maske. Lass dich von der Magie leiten. Du wirst es merken wenn der magische Augenblick da ist“. Mehr hatte Coach Bender nicht gesagt und Boris einfach ohne weitere Erklärungen stehen lassen. Das war vor drei Monaten gewesen.


    Boris hatte die Maske wie ein rohes Ei behandelt, er war sogar versucht für sie einen heiligen Schrein zu errichten. In seinem Inneren war er davon überzeugt, dass sich ihm heute Abend die Magie der Maske offenbaren würde; sie würde ihn durch das entscheidende Spiel um die Meisterschaft führen.


    Mit zitternden Händen nahm er die Torwartmaske aus der Glasvitrine. Es war die Maske, die der legendäre Wladislaw Tretjak getragen hatte, der Mann mit den tausend Händen, der beste Goalie aller Zeiten. Und an diesem Abend war Boris Träger dieser „magischen“ Maske. Und die Magie der Maske wartete auf ihn, auf ihn Boris, Goalie der Crocodiles. In seiner Phantasie wuchsen ihm tausend Hände.


    Ohrenbetäubender Lärm in der Halle, Sprechchöre feierten Boris, Wunderkerzen, die Einlaufmusik verursachte Gänsehaut. Bei der Vorstellung der Starting Six nahm der Lärm ekstatische Ausmaße an.


    Eröffnungsbully.


    Und dann lief alles ganz anders.
    Schon nach 16 Minuten wechselte Bender seinen Goalie aus. Fünfmal hatte Boris hinter sich greifen müssen. Zwei Schüsse waren ihm durch die Schoner gerutscht, zwei Schüsse hätte er locker mit seiner Fanghand aus der Luft pflücken müssen und einmal hatte der Bauerntrick ihn kalt erwischt. Boris war völlig verzweifelt. Der Verlust der Meisterschaft war seine Schuld, weil er auf diesen Hokuspokus vertraut hatte, statt sich auf das Spiel zu konzentrieren. Das Gerede von der Magie der Maske war nichts weiter als eine Niete, ein Fake; man hatte ihn für dumm verkauft und er war auf diesen Unsinn hereingefallen. Er hatte sich zum Affen gemacht.


    Doch sein Team drehte das Spiel. Boris und seine Crocodiles waren Meister. Doch die echte Freude wollte sich bei Boris nicht einstellen.


    Geknickt und desillusioniert gab Boris die Maske an Bender zurück. Dieser lächelte und meinte:


    „Du hast die Magie der Maske nicht verstanden. Du musst sie dir verdienen um sie zu spüren, nicht einfach nur da herum stehen und auf sie warten. Die Magie will das du dich um sie bemühst, sie von deinem Können überzeugst.“


    Lächelnd verließ ein großgewachsener Mann das Eisstadion. Er nickte dem Kartenkontrolleur freundlich zu:


    „Euer Goalie wird seinen Weg machen. Er hat Talent, er muss nur hart arbeiten um sein Talent nicht zu vergeuden. Auf Wiedersehen.“


    „Auf Wiedersehen, Herr Tretjak, kommen Sie recht bald wieder.“


    „Gern, doch noch warten sehr viele andere Eishallen und andere Goalies auf mich.“

  • von Tom



    Du erwachst viel zu früh, und Du hasst den Tag, bevor er begonnen hat. Mit Deinem labbrigen Morgenkaffee in der Hand kehrst Du in Deinen eigenen Mief zurück, der das Schlafzimmer durchweht, und schaltest Dich durch das Fernseh-Morgenangebot. In jede der Fratzen, die Du auf dem Bildschirm siehst, könntest Du hineinschlagen. Du quälst Dich in Deinen Anzug, nimmst im Treppenhaus die widerwärtigen Gerüche Deiner Nachbarn wahr, findest Dein Auto, das Du viel zu weit weg parken musstest, und Du spürst, wie Dein Hass wächst. Du touchierst einen nagelneuen Familienvan beim Ausscheren aus der Lücke und empfindest sekundenlang einen Hauch von Freude. Das ändert sich sofort, als Du in die Hauptstraße einbiegst, weil dort Deine Spur von einem LKW verstellt ist. Der Verkehr staut sich, aber keiner der Entgegenkommenden macht Anstalten, die Warteschlange passieren zu lassen. Auf Deiner Stirn bilden sich Schweißperlen. Deine Hände beginnen zu zittern. Du schlägst gegen das Lenkrad und wünschst Dir eine schwere Waffe, nein, gleich eine Bombe, um diese Kretins vom Angesicht der Erde zu tilgen. Und gleich noch eine für den schwachsinnigen Radiomoderator, der mit gekünstelter Fröhlichkeit seinen mentalen Dünnschiss in den Äther bläst.


    Auf dem Weg vom Parkhaus ins Büro trittst Du fast in einen Scheißhaufen. Eine alte Frau mit einem Pudel an der Leine kommt Dir entgegen, und es zuckt in Dir. Du möchtest diesen Hund töten, einfach zertreten; Du hättest keinerlei Gewissensbisse. Es vergeht kaum, als die Frau Dich passiert, wird eher schlimmer. Dann zwei türkische Jugendliche. Dreckspack. Diese elenden Sozialschnorrer mit ihrem Machogehabe, diese anpassungsunwilligen Fremdlinge, die in diesem, Deinem Land nichts zu suchen haben. Hättest Du etwas zu sagen, es gäbe sie nicht. Du kämpfst mit Deiner Mimik, um sie nicht zu provozieren, und betrittst das Büro. Das allgegenwärtige Telefonklingeln piesackt Deine Nerven, das Lächeln der dummen Tussen am Empfang, diese aufgesetzte Höflichkeit, die nur dazu gut ist, zu kaschieren, was alle in Wirklichkeit voneinander denken. Niemanden von denen hier müsste es geben, ging es nach Dir. Weder hier, noch anderswo auf der Welt.


    Du nimmst auf Deinem unbequemen Bürostuhl Platz und starrst Dein Gegenüber an, den saufenden Kollegen mit der roten Blumenkohlnase. Es gelingt Dir nicht, sein Lächeln zu erwidern, Du riechst seine Fahne und hoffst, dass er bald an einer Zirrhose eingeht. Du öffnest Dein Mailprogramm und merkst, wie Dir der Schweiß den Rücken herabläuft. Idiotische Nachrichten von menschlichem Abfall. Nicht nur der Spam, auch die geschäftlichen Mails strotzen vor Blödheit. Du kämpfst dagegen an, all den Schwachsinn mit einer Handbewegung vom Schreibtisch zu fegen und bringst den Tag irgendwie hinter Dich.


    Auf dem Heimweg musst Du einkaufen. Die fette, blasse Kassiererin ist damit überfordert, den Barcode Deines Aufschnitts so zu drehen, dass er vom Scanner erkannt wird. Deine Hände ballen sich zu Fäusten, Du widerstehst nur mühsam dem Impuls, ihr in das fade Gesicht zu prügeln, bis ihr Blut auf das Fließband spritzt. Draußen atmest Du durch.


    Dein Blick fällt auf ein Plakat. Dein erstes Lächeln an diesem Tag.


    Ja, Du bist Deutschland.

  • von Loewin



    Warum lachst du?


    Der Mann hat einen Witz gemacht. Über einen Witz lacht man. Alle lachen.


    Also auch du.


    Also auch ich.


    Aha.


    Eigentlich war es nicht lustig.


    Wenn es nicht lustig war, warum lachst du dann?


    Ich muss dem Mann gefallen.


    Warum?


    Er ist wichtig.


    Was willst du denn von ihm?


    Ich arbeite für ihn.


    Aha.


    Wenn ich ihm nicht gefalle, lässt er Andere für sich arbeiten.


    Gefällt er dir?


    Nein?


    Warum nicht?


    Er macht Witze über mich.


    Aha.


    Aber ich lache.


    Gefällst du ihm?


    Ich weiß nicht. Vielleicht.


    Warum?


    Weil ich lache.

  • von Leserättin



    Die Presse hatte ihm den Namen Crime Duck gegeben. Mit dem Zeigefinger strich Steven über den Schnabel seiner Donald Duck-Maske. Das Plastik fühlte sich kalt an, doch wenn er sie aufsetzte, erfüllte ihn Energie, die Hitze erzeugte.
    Crime Duck. Ihm gefiel diese Bezeichnung. Ja, das hatte was.
    Und am nächsten Tag schlug der geheimnisvolle Crime Duck wieder zu. Mit seiner Donald-Maske vor dem Gesicht überfiel Steven eine weitere Bank, erbeutete 50.000 Dollar und beobachtete, ohne Maske und geschützt im Pulk der Schaulustigen, wie die Polizei alles absperrte und nach Spuren suchte. Sie würden keine finden, darauf achtete Steven. Er kannte sich aus, schließlich war er selbst Bankdirektor. Damit war er in die Fußstapfen seines Vaters getreten, ganz, wie dieser das geplant hatte.
    Auf der anderen Seite des Schalters zu stehen und dem übergewichtigen Melvin Smith, den er noch nie hatte leiden können, eine Pistole vor das feiste Gesicht zu halten, war ein herrlicher Spaß gewesen. In dieser Bank hatte er angefangen, sich von Smith herumkommandieren lassen müssen, über Jahre hinweg.
    Nun war dem das Grinsen vom Gesicht gewischt, stattdessen perlte Angstschweiß die hohe Stirn hinab. Steven genoss das Gefühl der Genugtuung.
    Banken zu überfallen, in denen er gearbeitet hatte, erwies sich als weit befriedigender als solche, die er nicht kannte. Er schoss nie, nahm nur das Geld.
    Alles lief wunderbar, bis Crime Mouse auftauchte. Die Presse stürzte sich mit Begeisterung auf den zweiten Serien-Bankräuber, der stets mit einer Micky Maus-Maske bekleidet war und der Polizei immer einen Schritt voraus.
    Steven tobte, trat vor lauter Wut vor den am frühen Morgen erbeuteten Geldsack und überlegte, wie er Crime Mouse das Handwerk legen könnte.
    Aber erst musste die Zentralbank überfallen werden. Das hatte er für den folgenden Tag geplant. Es lief auch alles nach Plan, sogar das Sicherheitssystem hatte er ausgeschaltet bekommen. Dafür hatte ein Anruf gereicht, diese Trottel waren seiner verstellten Stimme tatsächlich auf den Leim gegangen und glaubten an eine Katastrophensimulation, die die Nerven der Mitarbeiter auf die Probe stellen sollte.
    Bis sie begriffen, dass sie einem Bankräuber aufgesessen waren, hatte Steven seine Beute längst in Sicherheit gebracht. Er kletterte in seinen VW-Bus und fuhr sich durch die Haare, die von der Maske noch ganz platt gedrückt waren. Als er nach rechts sah, erblickte er auf dem Beifahrersitz Crime Mouse.
    "Du!" Er schnappte nach Luft.
    Lachen erklang, dann nahm Crime Mouse die Maske ab, und Steven blickte in ein ihm nur zu vertrautes Gesicht.
    "Da du mit meinem Taschengeld ein wenig im Rückstand warst, dachte ich, ich besuche dich mal", sagte seine Exfrau und tat das, was sie immer schon am liebsten getan hatte; die Hand aufhalten.
    Seufzend reichte Steven ihr die Tasche mit der Beute. Da ging es hin, sein schönes Geld, genau wie jeden Monat der größte Teil von seinem Gehalt. Er warf die Donald Duck-Maske aus dem Fenster. Das brachte ja nun doch nichts mehr.

  • von ueberbuecher



    Ich bin müde. Es war ein langer, arbeitsreicher Tag, leider kein erfolgreicher, wie ich zugeben muss. Ich ziehe mir in der Diele die Schuhe und auf dem Weg ins Wohnzimmer mein Arbeitshemd aus und werfe es achtlos auf die Kommode. Ich will nichts mehr sehen heute, genug Elend mit dem ich mich zu beschäftigen hatte. Drei Verhöre, Dauer in etwa zwei Stunden je Verdächtiger – alles umsonst. Ich kann nicht behaupten, dass wir eine heisse Spur haben, eigentlich haben wir gar nichts. Ausser: die Presse im Nacken und das Königshaus, welches einen Volksaufstand und Lynchjustiz befürchtet. Vier Prostituierte hat er niedergemetzelt. Er hat sie bestialisch ausgenommen, ausgeweidet. In den Bauchhöhlen der Opfer immer ein literarischer Gruss mit gleichlautendem Text: „Sie werden mich nie erwischen. Gezeichnet: Jack the Ripper“. Mir ist schlecht. Ich habe das Gefühl, das ich bleich bin und ich fühle mich deplaziert. Ich möchte ganz weit weg von allem sein, aber das geht nicht. Ich bin nun mal Fredrick Abberline, Chief Inspector bei Scotland Yard und betraut mit dem Fall des Prostituiertenmörders, dessen Name Angst und Schrecken in London verbreitet. Ich frage mich, welchen Beruf dieses Monster wohl ausübt. Ein Arzt, sagen die einen. Das klingt überzeugend. Die Leichen waren auf makaber kunstvolle Weise „bearbeitet“ worden. So etwas schafft man nur mit entsprechender Sachkenntnis. Wenn er kein Arzt sein sollte, so hat er doch in jedem Fall hervorragende medizinische Kenntnisse. Andere wiederum (und das sagen sie nicht laut, niemals in der Öffentllichkeit, aber ich habe meine Quellen und ich weiss genau, aus welcher Ecke dieses ekelhafte, abstossende Gerücht kommt) verdächtigen das Königshaus, in diese Greueltaten verwickelt zu sein, es könnte sich zum Beispiel um Prinz Albert Victor handeln, den wohl bekanntesten Bordellgänger ganz Englands. Ich seufze und schlurfe resigniert ins Bad. Und wieder, wie schon in den vergangenen Tagen, nehmen diese rasenden Kopfschmerzen von mir Besitz. Ist es Müdigkeit ? Anspannung ? Oder bereits das erste Anzeichen von körperlichem Verfall ?


    Ich stehe vor dem Spiegel und betrachte erschöpft mein bleiches Gesicht. Müde, tief eingefallene Augen blicken emotionslos zu mir zurück. Dieses Gesicht soll den „Ripper“ fangen ? Mir kommen erhebliche Zweifel am Erfolg meiner Mission. Das Becken ist mit Wasser gefüllt und ich tauche meinen Kopf tief hinein. Für ein paar Momente bin ich in einer anderen Welt. Die Kälte des Wassers kompensiert kurzfristig die Schmerzen. Als ich wieder auftauche, hat sich etwas verändert. Zunächst erkenne ich es nicht, verständnislos betrachte ich mein Antlitz und es dauert einige Sekunden, bis mir der Unterschied auffällt. Es ist etwas in diesem Blick. Ein durchdringendes Funkeln, böse und unnachgiebig. Mein Mund verzerrt sich zu einer abscheulichen Fratze und ein heiseres Keuchen entfährt meinen Lefzen. Oh, wie sie geschrien hat, diese Letzte mit der ich getanzt habe. Der Klingentanz, so nenne ich ihn. Es geht mir nun viel besser. Weggeblasen ist der Schmerz. Was bleibt, ist der Wunsch nach Unterhaltung, nach Amusement.


    Darf ich um diesen Tanz bitten, Mylady ?

  • von arter



    „Ich hätte da etwas für Sie“, sagte der fette Mann mit nervösem Lächeln. Stawnton musterte seinen Gegenüber. Eine schmierige Visage mit roten Schweinsaugen und schwabbeligem Doppelkinn. Der Mann wirkte gehetzt, als sei er ewig auf der Flucht. Stawntons Leidenschaft für außergewöhnliche Sammlerstücke brachte es mit sich, dass er gezwungen war, sich mit solchem Abschaum abzugeben.


    „Dann lassen Sie mal sehen“. Stawnton legte einen gelangweilten Unterton in seine Stimme. Aus einer speckigen Aktentasche zog der Fremde ein in Lumpen eingeschlagenes Weckglas und stellte es mit einer triumphierenden Bewegung auf den Tisch. Dann grinste er den Sammler mit unverfrorener Vulgarität an.


    Stawnton war mit einer gewissen Erwartungshaltung zu der Verabredung gekommen. Doch nun machte sich bittere Enttäuschung in ihm breit. Nicht etwa ein kostbares Kleinod von unschätzbarem Wert erblickte er in dem Glas sondern nur ein schwarzes, lederiges Stück Kohle oder Holz. Mag sein, dass Archäologen diesem Stück einen gewissen Wert beimaßen, aber für ihn, Stawnton, der dem Begriff „Stil“ eine neue Wertigkeit verschafft hatte, war diese Offerte eine höhnische Beleidigung.


    Hatte ihn sein untrügerisches Gespür im Stich gelassen, als er meinte, dass dieser unästhetische Mann, der sich Drougalski nannte, ihm etwas ganz Außergewöhnliches zu bieten habe?


    Ohnmächtige Wut kochte in ihm hoch und einen Moment lang war er versucht, diesem widerlichen Fettsack seine Smith & Wesson, die er für alle Fälle bei sich trug, an die Stirn zu drücken, und ihm das verfettete Gehirn wegzupusten. Doch einen Moment später hatte er seine Fassung zurückgewonnen.


    „Hören Sie, Drougalski, packen Sie diesen Dreck wieder ein und wenn Sie wirklich mal ein wertvolles Stück aus der Grabkammer des Tut Ench Amun anzubieten haben, rufen Sie meinen Agenten an.“ Er schleuderte dem Händler eine Karte ins Gesicht und wandte sich dem Ausgang des Raumes zu.


    „Stawnton, verstehen Sie doch es handelt sich hier um das kostbarste Stück aus der Kammer, gleich nach der berühmten Totenmaske“, rief Drougalski dem Sammler hinterher. Stawnton hielt in seinem Schritt nicht inne. Die Tür bereits in der Hand unternahm Drougalski, fast flehend, einen letzten Versuch: „Haben Sie nie davon gehört? Ein Stück von der Mumie ist 1942 durch Unbekannte entfernt worden!“


    Nun verstand Stawnton. Natürlich kannte er die Geschichte. Er ging zurück zu dem Tisch, nahm das Glas in die Hand, hielt es gegen das Licht des Fensters um es genauer zu betrachten. Dann murmelte er ehrfürchtig: „Der Schwanz des Pharao“.


    -


    Als Stawnton, die Straße überquerte, erfasste ihn ein Lastwagen. Der Körper wurde mehrere Meter mitgeschleift, ohne dass der Fahrer etwas bemerkte. Sein zerschredderter Unterleib fand sich in zahlreichen Einzelteilen über die Strecke des Martyriums verteilt wieder.


    -


    Im ägyptischen Museum zu Kairo befindet sich das wohl herrlichste und aufsehenerregendste Ausstellungsstück des Erdballs. Ein wunderschönes Gesicht voll strahlender Anmut und nahezu hypnotischer Erhabenheit zieht noch mehr als drei Jahrtausende nach seiner Erschaffung die Menschen in den Bann.


    An jenem Tag, als man bei dem toten Milliardär das verschwundene Körperteil des Pharaos fand, zeichnete sich die Spur eines zufriedenen Lächelns auf das gestrenge Antlitz.

  • von LilStraWberrY



    Der Schnee rieselt sanft auf die bronzenen Statuen, die mit wachem Blick den Eingang zum Tor der prächtigen Villa bewachen, der Ort des guten Speisens, der wohlklingenden Musik und des fabelhaften Tanzes.
    Juliette schlingt sich ihren Mantel enger um den zitternden Körper und schaut auf in das steinerne Gesicht des Engels vor der großen Eichenpforte.
    Ausdruckslos und starr, die gleiche Leblosigkeit wie ihr starres Gesicht.
    Seufzend zieht sie ihre silbrig schimmernde Maske aus den Tiefen ihrer Tasche. Ovalförmige Löcher für die Augen, die mit kleinen Saphiren am Rand beschmückt sind. Eine sanfte Kerbe für die Nase, gekrönt durch einen samtschwarzen Griff. So anmutig. Und doch tot.
    Juliette hält sich das Erbstück ihrer Großmutter vor ihr bleiches Gesicht, mit der anderen Hand umklammert sie den kalten Griff ihrer Pistole. Wenn es einen Schritt zurück gäbe, würde sie ihn tun?
    Ein letzter Augenblick, dann betritt die junge Frau den Maskenball.
    Ein Schwall der Wärme empfängt sie, begleitet von einem schönen Walzer und dem Duft von Herrlichkeit. In der Mitte des hohen Saales tanzen hundert maskierte Menschen.
    Juliette eilt am Rande der Tanzfläche vorbei, die Sinne auf ihn gerichtet. Und obwohl ihr die Augen der Tanzenden durch die Masken entgegenblicken, erkennt sie augenblicklich ihn, auf der Schwelle zum Himmel mit einem Mädchen, dessen langes, schwarzes Haar in gekräuselten Wellen über die schmalen Schultern fällt. Eine Welle des Hasses überkommt Juliette. Sie hatte an die ewige Liebe geglaubt. Ihr Herz ganz und vollkommen hergegeben, ihre Seele an diesen Mann verloren. Wahr es falsch, so zu lieben? Ein freier Fall der Ewigkeit?
    Der Lauf ihrer Pistole glänzt im matten Kerzenlicht. Die Grenze zwischen Verstand und Instinkt konnte so leicht überschritten werden...
    Juliette zieht ihre Waffe, richtet sie auf ihn. Bevor die Schreie der Gäste ihren Lippen entfliehen, drückt sie ab.
    Lautlos. Herzlos.
    Seine blauen Augen weiten sich, verlieren ihren Glanz. Das Blut tropft über seine goldene Maske.

  • von Sinela



    Der Regen fiel beinahe lautlos, man hörte nur das sanfte Aufschlagen der Tropfen auf den Boden und die Blätter der Bäume. Diese hingen träge an den Ästen, kein Windhauch belebte sie. Die Kinder hielt das miese Wetter aber nicht davon ab, nach draußen zu gehen um zu spielen. Hatten sie doch das Glück, dass die Hochhäuser auf Betonpfeilern gebaut waren, sodass sie auch bei widrigen Witterungsverhältnissen keine Gefahr liefen nass zu werden. Thomas, Evelyn, Sandra und Wolfgang spielten Tischtennis, waren mit Feuereifer bei der Sache. Nichts störte ihre Konzentration bis...


    „Ein Alien! Ein Alien! In unserer Wohnung ist ein Außerirdischer!“
    Schlagartig erlosch das klack-klack des kleinen Balles, alle schauten völlig sprachlos den Jungen an, der vor ihnen stand.
    „Hast Du sie nicht mehr alle oder was? Es gibt keine Aliens!“
    „Wenn ich es euch sage, ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen. Er war im Zimmer meiner Schwester, hatte ein total grünes Gesicht und die Augen waren große grüne Ringe. Ich habe gemacht, dass ich dort wegkomme, bevor er mich bemerkt.“
    Sandra lachte.
    „Das sieht man, du hast ja nicht mal eine Jacke angezogen so eilig hattest du es. Siehst aus sie eine nasse Ratte.“
    „Ich....ich.....“
    Evelyn befreite sich aus dem Bann, den Tims Worte über sie gelegt hatten.
    „Komm, geh nach Hause, du wirst krank, wenn du nicht aus den nassen Klamotten rauskommst.“
    „Nach Hause? Spinnst du? Da ist doch der Außerirdische.“
    „Oh man, was für eine Memme“, meinte da Thomas. „Kommt, wir gehen mit Tim und beschützen ihn.“
    „Das ist ne klasse Idee. Ich wollte schon immer mal ein Alien sehen“, sagte Wolfgang – und damit war die Sache perfekt.


    Mit kleinen Schritten schlichen die Kinder über den Flur.
    „Da, das ist das Zimmer meiner Schwester“, flüsterte Tim.
    „Los, mach schon die Tür auf!“
    Der Junge wich mit entsetztem Gesicht zurück.
    „Ich? Auf keinen Fall!“
    „Oh man, was bist du doch für ein Feigling. Los geh zur Seite, ich mach das.“ Vorsichtig öffnete Wolfgang die Tür und ging leise in das Zimmer, gefolgt von seinen Freunden. Ängstlich blickten sie sich um. Nichts rührte sich, alles war ruhig.
    „Hier ist niemand.“
    „Sagt mal, tickt ihr noch ganz richtig? Was habt ihr in meinem Zimmer zu suchen?“ Die Kinder fuhren herum.
    „Nichts wie weg!“
    „Hiergeblieben! Setzt euch irgendwohin und rührt euch nicht vom Fleck! Ich wasche mir nur die Schönheitsmaske aus dem Gesicht, dann erwarte ich eine Erklärung für diese Aktion von euch.“
    „Was für ein Ding?“, fragte Sandra die junge Frau neugierig.
    „Das ist eine Mischung aus Gurke und Avacado und macht die Haut schön glatt. Aber dafür bist du noch etwas zu jung“, grinste Tims Schwester und ging ins Bad. Die Kinder schauten sich an und begannen schallend zu lachen.
    „Ein Alien – ich schmeiß mich weg“, japste Thomas.
    „Vielleicht wollte der Außerirdische ja nur nach Hause telefonieren“, kicherte Evelyn. Tim saß mit gesenkten Kopf da. Er war total geknickt, denn er wusste, diese Geschichte würde ihn noch lange verfolgen.

  • von Oryx



    Die etwa zwanzig Männer mit ihren Besen beschäftigten ihn nicht wirklich, dazu dachte er zu sehr an die Ereignisse der vergangenen Stunden.
    Der Premier war demaskiert worden. Nichts hatte ihn darauf vorbereitet, dass der mächtigste Mann im Land seinen Posten aufgrund dieser Dummheit aufs Spiel gesetzt hatte und von diesem wahrscheinlich sofort entfernt werden würde. Wie war das möglich gewesen? Er hatte doch sonst immer sorgfältig darauf geachtet, dass der Mann unangreifbar war und dazu verlässlich seine Arbeit verrichtete. Er hatte nur aus dem Hintergrund agiert, damit alle Aufmerksamkeit ausschließlich auf den wichtigsten Staatsmann fiel. Und nun dieses Fiasko! Und noch dazu vor allen Leuten im Saal!
    Er schüttelte den Kopf bei dem Gedanken daran. Er hatte unten an einem der Tische gesessen und der politischen Rede gelauscht, die er selbst in Auftrag gegeben hatte. Wirtschaftlicher Aufschwung, Wachstum, kollektive Einheit, das Ende der Diskriminierung von Minderheiten, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen, Jungen und Alten. Eine Gesellschaft, in der das Individuum sich in den Dienst des Gemeinwohls stellen konnte und sich als Teil eines großen Zieles wahrnehmen konnte. Es hatte fast eine ganze Generation gedauert um den Hunger im Land auszumerzen und allen eine Chance zum wirtschaftlichen Aufstieg zu geben. Nun war das Ziel erreicht. Applaus schlug dem Premier entgegen, der alleine ohne Personenschutz und Mitarbeiter von seinem Wahlvolk feiern ließ, so wie er es gewünscht hatte. Auch ihm war es ganz warm ums Herz geworden, er hätte es fast selbst geglaubt.
    Und dann überschlugen sich die Ereignisse: Durch eine Seitentür waren die in Tücher Vermummten hineingestürmt, hatten dem Premier seine prunkvolle Helmmaske vom Kopf gerissen, dessen von Pusteln übersätes Gesicht freigegeben und schließlich vom Podium gestürzt. Damit war er als der greise, verhasste Diktator des Landes überführt, der die Bevölkerung in einen Bürgerkrieg mit biologischer Kriegsführung geführt hatte.
    Außer ihm war eigentlich nur noch die Putzkolonne im Saal und entfernte die Überreste der Feier. Girlanden, bunte Papierschnipsel, ein zerbrochenes Champagnerglas - viel mehr war nicht mehr davon zu sehen. Einer von ihnen schob sich an ihm vorbei, eine etwas magere Gestalt in einem weißen Overall und einem ebenfalls weißen kugelartigen Helm, der es verhinderte, dass man auch nur im Entferntesten die Gesichtszüge des Trägers erkennen konnte. Er trank sein Glas mit einem Strohhalm aus, gab es einem der wenigen Kellner, die noch im Hotel anwesend waren und schritt aus dem Saal.

  • von churchill



    lächelnd aufstehen
    schwungvoll
    niemand sieht zu


    freundlich wecken
    sanft
    sie murren


    aufmerksam zuhören
    defensiv
    Du lädst ab


    gewinnend arbeiten
    offensiv
    kunden loben


    professionell ausgleichen
    moderat
    manche nehmen zur kenntnis


    überschäumend spielen
    bühnenerprobt
    zuschauer applaudieren


    geduldig vorlesen
    gelassen
    kinder schlafen ein


    originell schreiben
    kreativ
    leser registrieren


    irgendwann einschlafen
    systematisch
    ich funktioniere


    ich?

  • von JaneDoe



    Anruf bei der Hotline der Firma L’Aréol, Freitag, 20.11.2038, 20.30 h:


    Eine Frau schluchzt hysterisch in den Hörer:
    „Ich habe … ich habe vor einer Stunde diese neue Gesichtsmaske „Hyperkollagen 4D“ ausprobiert.“


    Antwort der Telefonistin:
    „Darf ich Ihnen herzlich zum Kauf eines unserer Produkte gratulieren. Ich hoffe, Sie sind zufrieden und werden auch weiterhin …“


    „Nein“, wird sie von der Anruferin unterbrochen. „Nein, ich bin ganz und gar nicht zufrieden. Ich bin verzweifelt!“


    „Verzweifelt, wieso? War etwas mit dem Produkt nicht in Ordnung? Bei sachgemäßer Anwendung entfaltet „Hyper 4D“ bereits nach 15 Minuten seine volle Wirkung und Ihr Gesicht …“


    „Was heißt hier sachgemäße Anwendung? Natürlich habe ich vorher die Gebrauchsanweisung gelesen! Meine Tochter Katrin hat mir die Maske geschenkt und gesagt, das wäre genau das richtige für meinen Teint.“ Ein erneutes Schluchzen kommt durch den Hörer.


    „Und was genau ist nun Ihr Problem?“


    „Ich brauche eine Creme, die die Wirkung rückgängig macht. Jetzt sofort!“


    „Rückgängig macht? So etwas gibt es nicht. Die Hyper 4D wurde in den letzten Monaten zigfach verkauft. Noch nie hat es irgendwelche Beschwerden gegeben. Was ist denn Ihr Problem? Bei sachgemäßer Anwendung …“


    Wieder wird sie von der Anruferin unterbrochen:
    „Sachgemäße Anwendung? Sie können sich Ihre sachgemäße Anwendung sonst wohin …“
    Sie holt tief Luft und fügt etwas ruhiger hinzu: „Es ist mir egal, wieviel tausendmal Sie diese Maske schon verkauft haben. Ich will wissen, wie man die Wirkung rückgängig machen kann.
    BITTE!“ Das letzte Wort kommt flehend heraus.


    Langsam wird die Telefonistin ein wenig unruhig. „Was genau ist denn passiert? Wir haben Hyper 4D an zweitausend Probanden getestet. Es sind keinerlei Unverträglichkeiten bekannt. Alle Testpersonen sind mit dem Ergebnis absolut zufrieden.“


    „Ja, ja, alle Testpersonen sind zufrieden. Das hilft mir jetzt auch nicht weiter. Ich sehe aus wie … ich sehe aus …“ Der Anruferin versagt die Stimme.


    „Dann beschreiben Sie mir doch bitte, was geschehen ist und wie Sie jetzt aussehen.“ sagt die Telefonistin vorsichtig.


    Ein gequältes Lachen ist die Antwort. „Mein Mann und ich wollten heute unsere Silberne Hochzeit feiern. Ich wollte doch … ich wollte schön aussehen für meinen Mann.“ Ein tiefer Seufzer folgt. „Deshalb dachte ich, ich mache es besonders gründlich und lasse die Maske zehn Minuten länger drauf als angegeben.“


    Die Telefonistin zuckt zusammen. „Aha, Sie haben also entgegen der Anweisung auf der Packung gehandelt.“


    „Ja, das habe ich. Ich wollte doch so jung und strahlend wie in der Werbung aussehen.“ Wieder ein Schluchzen.


    „Und, was war das Ergebnis?“


    „Mein Mann kam früher als erwartet nach Hause, ich hatte die Maske gerade erst abgenommen. Er sah mich an und sagte … er sagte …“ Das Schluchzen wird wieder stärker.


    Die Telefonistin rutscht nervös auf ihrem Stuhl herum und fragt nach: „Was hat Ihr Mann gesagt?“


    „Oh hallo Katrin, Du hier? Ist Mutti auch zu Hause?“

  • von Kamikazebaer



    Der Briefumschlag sieht ganz anders aus als die Post, die sonst immer im Briefkasten landet. Kein Aufdruck, also keine Rechnung, keine Werbung, kein Gewinnspiel, nein er scheint tatsächlich privat zu sein. Persönliche Briefe werden heutzutage ja immer seltener, deswegen ist es bestimmt etwas ganz besonderes.
    „Ich habe doch überhaupt nicht Geburtstag und bis Weihnachten und all den anderen Feiertagen ist auch noch lange Zeit“, denkt sich Sophie. Ungeduldig öffnet sie den Brief. Überrascht holt sie eine Einladung zu einer Mottoparty heraus. Mottoparty! Nicht schon wieder! Diesmal mit dem Thema „Himmel und Hölle“. Bei diesem Thema braucht Sophie überhaupt nicht zu überlegen, sie wird einfach als Luzifer der gefallene Engel mit Hörnern und Flügelchen gehen.
    Warum gibt es eigentlich diese Mottopartys? Reichen denn Karneval und Halloweeen noch nicht aus um sich zu verkleiden? Muß man sich jetzt auch noch unterm Jahr verkleiden. Jemand anderes sein?
    Haben wir nicht jeden Tag schon genug unterschiedliche Masken auf und spielen eine der Rollen, die von uns erwartet wird? Sind wir nicht bei der Arbeit vor den Kollegen, vor den Kunden jemand anderes, als wir eigentlich zu Hause, ganz privat, in den eigenen 4 Wänden sind? Setzen wir nicht auch da beim Familienfest die Familienmaske auf? Haben wir nicht sogar bei unseren Freunden eine jetzt-bin-ich-lustig-und-gut-gelaunt-Maske auf?
    „Nein! Ich spiele genügend Rollen, der gefallene Engel muß ich nicht auch noch sein“, denkt sich Sophie und schmeißt die Einladung zusammen mit der anderen Post in den Mülleimer!