Fantasy, Roman, historischer Roman - oder irgendwas dazwischen?

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  • Ich habe länger überlegt, ob ich das Thema starten soll, und vor allem, wie ich das so formuliere, daß klar wird, worauf ich hinaus will (was mir bei der Threadüberschrift vermutlich nicht gelungen ist).
    Ich weiß, schon wieder so ein "Allerlei-Buch-Thema"; aber ich hoffe, es findet vor der geneigten Eulenöffentlichkeit Gnade. Eine Suche mit hoffentlich passenden Suchbegriffen hat nichts vergleichbares ergeben. Nun denn.


    Es sind zwei Bücher, die ich in den letzten Wochen gelesen (bzw. abgebrochen) habe, die mich auf dieses Thema gebracht haben.


    Vorbemerkung: es ist mir bewußt, daß die beiden nachfolgend genannten Bücher, was z. B. das stilistische betrifft, überhaupt nicht vergleichbar sind. Es geht mir auch nicht um einen Vergleich der Bücher, sondern der verwendeten Stilelemente bzw. deren Rezeption durch den Leser. (Wobei ich nicht ausschließen will, daß ich selbst eine so „verquere“ habe, daß ich vieles schlicht und ergreifend ganz anders als - fast - alle anderen auffasse.)


    Zunächst "Der Himmel aus Bronze - Die Steine des Gorr“ von Viola Alvarez (Eulenrezi). Ein Buch, das in der Bronzezeit (ca. 1000 - 1500 Jahre vor unserer Zeitrechnung, Angabe der Autorin in der Leserunde) spielt. Also eine uns sehr fremde Welt. Die Autorin hat sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie keine Fantasy schreiben wollte, aber dennoch hatte ich von Anfang an das Gefühl, in einem Dark-Fantasy Roman (wobei „dark“ noch recht „hell“ ist, eigentlich müßte ich „rabenschwarz“ schreiben) stecke. Die einzigen „Fantasy-Elemente“ (wenn man das überhaupt so bezeichnen will) waren eine Meditationstechnik („Der große Atem“) sowie die Vorstellungen der damaligen Menschen von belebter Natur, (Stichwort animistisches Weltbild) allerdings auch das „Hören von Stimmen“ im Kopf durch den Protagonisten. - Dieses Buch habe ich, wie in der Leserunde sowie im Rezithread nachzulesen, abgebrochen. (Ich habe die Leserunde weiter verfolgt, und weiß immer noch nicht, ob ich das Buch zu Ende lesen will oder nicht.)


    Dann das soeben beendete Buch „Die Druidin“ von Birgit Jaeckel (Eulenrezi). Es spielt etwa in der Zeit 120 - 110 v. Chr. in Süddeutschland, nahe dem heutigen Manching (keltisches Oppidum von Manching und Umgebung). Die Autorin hat für meine Begriffe eindeutig ein Fantasy-Element verwendet; ich meine die Gabe von Talia und ihrer Tochter, „Seelen zu sehen und zu beeinflussen“, insbesondere an der Stelle

    . Jedoch hatte ich nie und zu keiner Zeit des Buches das Gefühl, in einem Fantasy-Roman zu stecken, selbst nicht in der im Spoiler erwähnten Szene. Es war einfach so gut ins Buch eingebaut und in die Handlung und Glaubens- und Denkwelt der Protagonisten integriert, daß es paßte; es mußte einfach so sein.


    Jetzt frage ich mich wirklich, ob ich da irgendetwas falsch auffasse oder falsch verstehe? Wann ist ein Roman „Fantasy“, wann nicht (wenn schon nicht historischer Roman, dann doch einer, der in historisch richtigem Setting, wie die „Druidin“ - die Autorin ist „vom Fach“). Ich meine jetzt nicht so einfache Dinge wie „wenn Elfen / Drachen / Trolle - dann Fantasy“.


    In den beiden genannten Büchern gibt es „übernatürliche“ Vorkommnisse, die zu der Zeit den Menschen (soweit wir das heute überhaupt noch feststellen und beurteilen können) geläufig, bekannt und als gültig anerkannt wurden. Trotzdem empfinde ich eines als „Fantasy“, das andere jedoch nicht. Was mich am meisten verwirrt: objektiv gesehen müßte ich vermutlich genau andersherum empfinden.


    Oder kommt das möglicherweise nur daher, daß mir die Zeit der Kelten etwas vertrauter ist (weil ich dieses Jahr etliche Bücher, Romane wie Sachbücher, dazu gelesen habe), während hingegen mir die Bronzezeit sehr unvertraut ist?



    Wie sehr ihr das? Wann ist ein Buch Fantasy bzw. tendiert in diese Richtung, auch wenn der Autor (die Autorin) das überhaupt nicht beabsichtigt hat, und wann nicht? Oder kann ich als Leser für mich ein Buch so klassifizieren, wie ich es empfinde? Aber gibt es dann überhaupt noch eine objektive Einordnung eines Buches in ein Genre?


    Ich bin mir nicht sicher, ob ich mein Problem bzw. das Thema, um das es mir hier geht, hinreichend genau verdeutlichen konnte, es fällt mir schwer, das in Worte zu fassen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Für mich wäre in diesem Punkt wichtig ob die phantastischen Elemente dominieren oder nur "unterstützendes" Beiwerk sind. In Alice Bragas "Das Dorf der Unsterblichen" geht es um Werwölfe - trotzdem sehe ich dieses Buch eher als einen, zugegeben ungewöhnlichen, historischen Roman, vor allem da sämtliche Werwolfromanklischees in das historische Umfeld eingearbeitet wurden ohne das sich die Handlung auf diese Klisches beschränkt und sie zum Teil sogar ignoriert.
    In "Das Evangelium nach Satan" spielt das "Böse" eine wichtige Nebenrolle, für mich ist dieses Buch eindeutig ein Thriller, der eben einige (phantastische) Horrorelemente enthält.


    PS.: Ich stimme mit der Genre-Einordnung der Verlage häufig nicht überein - wobei da natürlich auch Marketingstrategien eine Rolle spielen.

  • Zitat

    Original von Bodo
    (..)In Alice Bragas "Das Dorf der Unsterblichen" geht es um Werwölfe - trotzdem sehe ich dieses Buch eher als einen, zugegeben ungewöhnlichen, historischen Roman, vor allem da sämtliche Werwolfromanklischees in das historische Umfeld eingearbeitet wurden ohne das sich die Handlung auf diese Klisches beschränkt und sie zum Teil sogar ignoriert.
    (...)


    Da kann ich dir nur zustimmen, ich würde auch sagen, dass es eher ein Historischer Roman ist...


    Bei "Hexenmacher", d. h. bei der Trilogie um Hagen von Stein, würde ich eher sagen, dass es ein Fantasy-Roman mit Historischem Hintergrund ist...

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Wann ist ein Roman „Fantasy“, wann nicht (wenn schon nicht historischer Roman, dann doch einer, der in historisch richtigem Setting, wie die „Druidin“ - die Autorin ist „vom Fach“).


    Ist das wirklich wichtig? ;-)


    Genreeinteilungen sind - wie schon mehrfach betont - thematisch-sachliche Einteilungen und haben mit der literarischen Qualität eines Textes nichts zu tun. Sie orientieren sich am Inhalt.


    Allerdings sind auch Genreeinteilungen keine glatte Sache: Romane gehören nie (!) nur zu einem Genre. So kann ein historischer Roman durchaus gleichzeitig ein Entwicklungs- und ein Liebes- oder Kriminalroman sein - oder auch alles gleichzeitig. Es hängt auch davon ab, welcher Aspekt stärker betont wird bzw. welchen Aspekt der einzelne Leser in der Rezeption stärker wahrnimmt.


    Es gibt in der Literatur kein starres Schubladensystem. Die Einschätzung erfolgt nur auf der Basis dessen, welchen Aspekt der Text in den Augen des jeweiligen Lesers am stärksten berücksichtigt.


    Im Grunde kann man sagen, dass es ein Zeichen von literarischer Qualität ist, wenn mehrere Aspekte beleuchtet werden und es nicht bloß um eine angenehm kribbelnde Story in irgendeiner netten Kulisse geht.


    Ich will auf keinen Fall die Unterhaltung schlechtreden, denn ohne Unterhaltung geht gar nix! Man muss die Leser erst einmal einfangen, um sie mitziehen zu können und ihnen das zu zeigen, was man ihnen zeigen will.


    Deshalb sind Diskussionen um Genrezugehörigkeiten müßig. Wenn bestimmte Sachverhalte oder "Storyelemente", die für Fantasy konstituierend sind, in einem Roman vorkommen, heißt das noch lange nicht, dass der Roman zur Fantasy gehört; zumal Fantasy ohnehin oft der falsche Begriff wäre, da Fantasy nur ein Subgenre der Phantastik ist.
    Korrekter wäre es zu sagen, dass Viola Alvarez' Romane Elemente der Phantastik verwenden, aber diese Elemente nicht als objektive Tatsachen geschildert werden, sondern das Innere der Figuren spiegeln.
    Wo Magie Bestandteil der Weltanschauung ist, gehört magisches Denken unabtrennbar zum Inneren der Figuren, ob das Magische nun objektive Tatsache in dieser Welt ist oder nicht.


    Eine Genrezuweisung begründet diese Feststellung noch lange nicht - erst recht nicht zu einem Subgenre mit sehr speziellen Charakteristika (auch ohne eine Beschränkung auf den Tolkien-Kosmus).


    Es gibt einiges, was hierzulande als "Fantasy" angepriesen wird, das schlicht und einfach epische Romane sind (G. R. R. Martin, Ursula K. LeGuin u.a.). Aber das Etikett "Fantasy" sorgt halt dafür, dass Leser im Buchladen zugreifen und kaufen. ;-)

  • Zitat

    Original von Iris


    Ist das wirklich wichtig? ;-)


    Nein, im Prinzip natürlich nicht, aber ... ;-)


    Das „vom Fach“ sollte sich nur darauf beziehen, daß ich einfach davon ausgehe, wenn eine Autorin einen Roman über eine Zeit bzw. ein Thema aus ihrem Studienfachgebiet schreibt, daß dann das allgemeine Drumherum (wie z. B. Wohnung, Kleidung, Essen, Gesellschaft etc.) stimmt.


    Eine Genreeinteilung ist natürlich nicht wichtig in dem Sinne, daß mir nur Bücher aus einem bestimmten Genre gefallen. Wenngleich ich zugeben muß, daß ich, fällt ein Buch in das Genre „Krimi/Thriller“, vermutlich nicht danach greifen würde, weil beides nicht in mein „Beuteschema“ fällt.


    Eine Genrezuordnung ist für mich auch nicht notwendig, um ein Buch gut, weniger gut oder gar schlecht zu finden, sie hilft nur Bücher zu finden, die mir vermutlich gefallen könnten. Bzw. eine gewisse Ordnung in meine zahlreichen Bücherregale zu bringen. ;-)


    Im Verlauf der Leserunde zu „Die letzte Flamme“ von Thomas Finn gab es eine interessante Diskussion mit dem Autor zum Thema „Realismus in der Fantasy“, bei den „Trollen“ mit Christoph Hardebusch haben wir viel darüber diskutiert, wann ein Buch „düster“ ist. (Auch da war ich in der Minderheit: der Autor wollte ein düsteres Buch schreiben, ich habe es aber überhaupt nicht düster empfunden.) An beide Diskussionen muß ich noch oft denken.


    In der „Bronzehimmel“-Leserunde faßten mehrere das Buch als eher Fantasy auf, obwohl die Autorin sich sehr dagegen sträubte und explizit erklärte, sie habe keine Fantasy geschrieben bzw. schreiben wollen. Dennoch wirkte es auf mich eher wie Fantasy denn irgendein anderes Genre. Diese Diskrepanz zwischen dem, was die Autorin schreiben wollte und dem, was bei mir ankam, hat mich letztlich zu diesem Thread veranlaßt. Denn über die „Druidin“ hat Herr Palomar in seiner Rezi geschrieben:

    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Historischer Roman mit beigemengten Fantasyelementen ist eine interessante Variante.

    Aber dennoch habe ich das überhaupt nicht als Fantasyelemente empfunden; es paßte einfach, als ob es wirklich so sein müßte. (Sollte Frau Jaeckel also bewußt Fantasyelemente eingesetzt haben, so hätte ich dieses Buch auch „mißverstanden“.) Im Gegensatz zum „Bronzehimmel“.


    Wie im Eingangsposting gesagt: vielleicht habe ich ja eine etwas verquere Art der Rezeption. ;-)



    Zitat

    Original von Iris
    Korrekter wäre es zu sagen, dass Viola Alvarez' Romane Elemente der Phantastik verwenden, aber diese Elemente nicht als objektive Tatsachen geschildert werden, sondern das Innere der Figuren spiegeln.
    Wo Magie Bestandteil der Weltanschauung ist, gehört magisches Denken unabtrennbar zum Inneren der Figuren, ob das Magische nun objektive Tatsache in dieser Welt ist oder nicht.


    Ich habe noch keinen anderen Roman von Viola Alvarez gelesen, und diesen nach 180 Seiten abgebrochen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich sehr wohl das Gefühl, daß diese Elemente als „objektive Tatsachen“ geschildert wurden.


    :gruebel Es sieht so aus, als ob eine andere Lösungsmöglichkeit auch sein könnte, daß die Sprache von Viola Alvarez nicht die meine ist, bzw. wir auf völlig unterschiedlichen Wellenlängen liegen. Was wiederum den Schluß nahe legen könnte, daß selbst bei „passendem“ Genre und hier im Forum in höchsten Tönen gelobten AutorInnen es nicht heißt, daß es auch mir gefällt (und umgekehrt auch).


    Oder daß das, was eine Autorin schreibt, bei mir als Leser völlig anders ankommt als beabsichtigt.


    Es wird immer verwirrender.



    * * * * * * * * * *
    Ich weiß, es ist nicht ganz korrekt, aber ich habe "Fantasy" als Oberbegriff (anstatt "Phantastik") verwendet. Dies, um Mißverständnisse auszuschließen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Das ist eine ganz interessante Frage..


    Ich finde eine Gabe, wie bei der Druidin ist für mich noch kein Fantasy, zumindest wenn man das Druidentum als eine Religion ansieht.


    Es gibt auch heute Menschen, die felsenfest der Meinung sind Gaben zu haben. Auren sehen können ist eine davon zum Beispiel, in die Zukunft bzw. helllsehen eine weitere. Ich denke solche Gaben sind als spirituelles Beiwerk zu lesen und nicht als Fantasy.
    Für mich sind auch keine Jenseitserfahrungen Fantasy.


    Als Fantasy würde ich tatsächlich Plots bezeichnen, wo Lebewesen/Charaktere und Orte beschrieben werden, die mit Gewissheit und nachweislich nicht existieren.

  • Ich habe beide der genannten Bücher gelesen...


    Grundsätzlich ist für mich (wie ich es in der "Himmel aus Bronze"- Leserunde schon gesagt habe) entscheidend, was die Protas glauben und wie realistisch sie sich vor diesem Hintergrund bewegen. Ich würde also Iris´hiermit recht geben:


    Zitat

    Original von Iris:
    Wo Magie Bestandteil der Weltanschauung ist, gehört magisches Denken unabtrennbar zum Inneren der Figuren, ob das Magische nun objektive Tatsache in dieser Welt ist oder nicht.


    Bestimmte spirituelle oder mythologische Komponenten, die in der damaligen Gesellschaft als selbstverständlich hingenommen wurden, können jedoch aus der heutigen Sicht so fremd erscheinen, daß es wie Fantasy anmutet. Und auch das habe ich bereits in der Leserunde gesagt: das bedeutet jedoch nicht per se, daß es erfunden ist und nicht doch so gewesen sein könnte.


    In beiden Büchern habe ich die spirituelle Komponente als durchaus passend und glaubwürdig empfunden, beide Bücher spielen in einer weit entfernten Vergangenheit mit fremden Sitten und Gebräuchen und doch habe ich ähnlich wie SiCollier einen Unterschied empfunden. Vielleicht rief die mythologische Heldenreise der Hauptfigur in "Himmel aus Bronze" mehr noch als Talias gabe in "Die Druidin" die vermehrten Fantasyassoziationen bei mir hervor :gruebel ... ich weiß es nicht.


    Eine Genreeinteilung ist mir persönlich vollkommen wurscht. Zumal ich beide Genres mag und eine Vermischung der Beiden deshalb nicht schlimm finde. Meine persönlichen All-Times-Favourites-historischen-Romane von Judith Merkle Riley haben sogar alle eine ganz klare phantastische Komponente.
    Mein persönlicher (nicht empirisch überprüfter Eindruck): Lesern, die auch Fantasy lesen, macht eine Mischung anscheinend weniger aus als Lesern, die ausschließlich möglichst authentische HR lesen- die könnten durch eine evtl falsche Erwartungshaltung enttäuscht werden.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Das „vom Fach“ sollte sich nur darauf beziehen, daß ich einfach davon ausgehe, wenn eine Autorin einen Roman über eine Zeit bzw. ein Thema aus ihrem Studienfachgebiet schreibt, daß dann das allgemeine Drumherum (wie z. B. Wohnung, Kleidung, Essen, Gesellschaft etc.) stimmt.


    Dem steht doch auch nichts entgegen, wenn phantastische Elemente Eingang finden. Das macht sogar Umberto Eco, der - nebenbei bemerkt - in allen seinen Romanen bewusst Anachronismen einbaut. Man baut die doch nicht ein, um mangelnde Kenntnisse zu überbrücken, sondern weil man als Autor etwas Bestimmtes ausdrücken will. Und sei es auch "nur" die subjektive Wahrnehmung der damaligen Menschen in einem historischen Roman - dabei darf man m.A.n. sogar Einhörner auftreten lassen! :grin


    Kunst ist nicht reines Abbild, sondern geformte, zugespitzte Nachahmung von Wirklichkeit (Mimesis).



    Zitat

    Eine Genreeinteilung ist natürlich nicht wichtig in dem Sinne, daß mir nur Bücher aus einem bestimmten Genre gefallen. Wenngleich ich zugeben muß, daß ich, fällt ein Buch in das Genre „Krimi/Thriller“, vermutlich nicht danach greifen würde, weil beides nicht in mein „Beuteschema“ fällt.


    Das ist eine m.A.n. unnötige Selbstbeschränkung. :grin
    Ich gebe zu, dass heitere Frauenliteratur grundsätzlich nicht in mein Beuteschema fällt, und babyfarbene Comic-Cover auf mich abschreckend wirken. Aber ich lasse mich aus berufenem Munde durchaus auf Abwege "off the beaten track" verführen - meist erfolgreich. :lache



    Zitat

    In der „Bronzehimmel“-Leserunde faßten mehrere das Buch als eher Fantasy auf, obwohl die Autorin sich sehr dagegen sträubte und explizit erklärte, sie habe keine Fantasy geschrieben bzw. schreiben wollen.


    Diese Einordnung ist auch tatsächlich falsch! Sie geht ja auch nur davon aus, dass phantastische Elemente im Roman vorkommen - und prompt ist es für viele Leser Fantasy. Ist Kafka etwa Fantasy? Oder Bulgakows Der Meister und Margarita? Oder Murakamis Hard-boiled Wonderland? Usw. usf ... :wow


    Sorry, aber mit dieser Methode verbaut ihr euch den Weg zu guter Literatur, weil man dann ein Buch mit phantastischen Elementen unbewusst den "Gesetzen" der Fantasy unterwirft, prompt funktioniert es scheinbar (!) nicht mehr und wird als "schlecht" empfunden.



    Zitat

    Wie im Eingangsposting gesagt: vielleicht habe ich ja eine etwas verquere Art der Rezeption. ;-)


    Es scheint, dass das häufiger so wahrgenommen ist -- was diese Beurteilung aber nicht richtiger macht! Der Umgang mit Literatur erfordert eine Abkehr von Schemata. Nur Triviales lässt sich schematisch einordnen, weil es selbst schematisch verfasst ist. Das ist das Hauptkennzeichen von Trivialität.
    Wenn Literatur hingegen nicht schematisch arbeitet, ohne dabei unlesbar zu werden, ist das ein Zeichen von Klasse! ;-)



    Zitat

    Ich habe noch keinen anderen Roman von Viola Alvarez gelesen, und diesen nach 180 Seiten abgebrochen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich sehr wohl das Gefühl, daß diese Elemente als „objektive Tatsachen“ geschildert wurden.


    Viola Alvarez arbeitet eigentlich grundsätzlich mit subjektiven Erzählhaltungen, erzählt aus der Sicht der Personen - das ist alles andere als "objektiv". Dass subjektive Wahrnehmung von Personen als Tatsache wahrgenommen wird, macht diese Sachverhalte längst nicht "objektiv".



    Zitat

    Ich weiß, es ist nicht ganz korrekt, aber ich habe "Fantasy" als Oberbegriff (anstatt "Phantastik") verwendet. Dies, um Mißverständnisse auszuschließen.


    Das ist nicht nur "nicht ganz korrekt", sondern schlicht falsch, wenn man über Literatur als Literatur spricht. ;-)


    "Fantasy" ist leider vor allem ein Etikett zur Steigerung des Verkaufs, denn Eskapismus ("Anders als der fade Alltag") ist in der Tat ein Verkaufsargument.


    G. R. R. Martins Riesenepos z.B. ist alles andere als "Fantasy", sondern Epik mit einzelnen phantastischen Elementen.

  • Interessante Frage und Thematik.


    Wenn ein Roman sich eines phantastischen Elementes bedient, wird er noch lange nicht zu einem Fantasyroman, da auch dieses Genre in der Regel gewissen Regeln folgt


    Solnage das Fantasyelement den Roman bereichert, sollte ein Autor sich nicht aufhalten, auch wenn die Puristen des jeweiligen Genres schwer aufstöhnen.
    Bei Romanen wie Katerina Timms "Die Kosakenbraut" oder Christoph Lodes "Der Gesandte des Papstes" wirkten diese Einflüsse meiner Meinung nach sehr bereichernd, ich kenne auch gegenteilige Beispiele, zum Beispiel in einigen Filmen.

  • Vor dieser Fragestellung stand ich auch schon einige Male. Gerade bei Fantasy finde ich es schwierig zu sagen, wann etwas dazu gehören könnte und wann nicht. Irgendwie ist ja alles ausgedachte Fantasy, oder?


    Generell finde ich es nicht wichtig zu welchem Genre etwas gehört, allerdings ordne ich die Bücher für mich selbst immer dem dominierenden Genre zu. Wobei das oftmals ja auch eigenes Ermessen ist.
    Ich habe bisher wirklich selten ein Buch gehabt, welches tatsächlich nur zu einem einzigen Genre gepasst hat. Wenn ich darüber nachdenke, fällt mich nicht ein einziges ein.
    Die Einteilung in Genres finde ich aber dennoch gut, denn so bekommt man wenigstens so eine kleine Hilfe, wobei man sich auf der Suche nach passender Literatur orientieren kann.

  • Zitat

    Original von LilStar
    Irgendwie ist ja alles ausgedachte Fantasy, oder?


    I beg to differ! :-)


    Alles Ausgedachte ist fiktional bzw. fiktionale Literatur (im Unterschied zur Sach- und Fachliteratur, die man als non-fiktional bezeichnet).


    Einen ordentlichen Überblick über das, was Fantasy ist und welche spezifischen Eigenschaften und Aspekte im Vordergrund stehen, wenn Literatur alsFantasy bezeichnet wird, bekommt man z.B. im entsprechenden Artikel "Fantasy" in der Wikipedia. :wave

  • Da ich nur Fantasy lese, historische Romane aber überhaupt nicht mag, stellt sich mir diese Frage öfters.
    Die Druidin habe ich auch nicht als Fantasy empfunden. Talias Fähigkeit fügte sich so gut in das Druidentum, dass sie auf mich als völlig natürlich wirkte.
    Und aus diesem Grund hatte ich einige Mühe das Buch durchzulesen. Es war zu wirklich.
    Ich erwarte von einem Fantasyroman, dass er mich in eine Traumwelt entführt, die keinerlei Bezug zu Wirklichkeit hat.

    "Das Schicksal macht Fehler. Eigentlich sogar ziemlich oft. Es kommt nur selten vor, dass jemand in der Lage ist, es auch zu bemerken."
    aus Eine Hexe mit Geschmack von A. Lee Martinez

  • Als Leserunden-Teilnehmer bei "Der Himmel aus Bronze" ist mir schon aufgefallen, dass das Buch von einigen vehement in die "unrealistische" Fantasyspalte geschoben werden soll und Frau Alvarez darüber gar nicht glücklich ist. Finde gut, dass hier nochmal allgemein drüber diskutiert werden kann.


    Ich lese bis auf reine Liebesromane eigentlich alle Genres - allerdings stelle ich fest, dass mir meistens die Bücher lieber sind, die möglichst fest in einem Genre verankert sind. Aber die Grenzen sind natürlich fließend.
    Also ein Krimi in dem sich auch ein Mann und eine Frau näher kommen ist ja noch kein Liebesroman. Nur wenn die Szenen der Liebenden genausoviel Raum ein nehmen wie der Krimianteil wirds für mich "grenzwertig".
    Ärgerlich finde ich auch, wenn Bücher in der Werbung für ein Genre angeprießen werden aber eigentlich doch etwas ganz anderes sind. "So finster die Nacht" ist ein Horror-Vampir-Roman, der ständig bei den Krimis rumliegt und die Käufer narrt. Dem entsprechend erwartet man natürlich bei einem Historischen Roman keine Fantasy. Wurde hier z.B. bei dem Buch "Das Buch von Eden" ziemlich überrascht. Liest sich zwar eher wie ein historischer Roman aber das "Ding" um das sich im Buch eigentlich alles dreht ist doch reine Fantasy. Das Buch hat mir gut gefallen, aber es war nicht wie erwartet.
    Hier sehe ich den Knackpunkt für mich.
    Denn man geht ja mit einer gewissen Erwartungshaltung an ein Buch heran und manchmal fällt es einem schwer, sich dann auf etwas ganz anderes einzulassen.
    Lese gerade "Schamanenfeuer". Da hieß es ja schon, das es genre-übergreifend ist. Aber es ist gewöhnungsbedürftig. Krimi-Abenteuer-Mysterie?!
    Also mein Wunsch wäre, dass die Kurzbeschreibungen der Bücher besser wären. Dann wüsste man, was man kauft und vorauf man sich beim Lesen einlässt und manche Leute Lesen einfach gerne Historisches aber bitte ohne Fantasyeinschlag und dann sollte man das auch bekommen.
    Nix gegen neuartige und ungewöhnliche Bücher die soll es auch weiterhin geben für die abenteuerlich veranlagten Leser. Mit einem kleinen Hinweis, dass sich dann die auch angesprochen fühlen.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Die Abschaffung des Todes - Andreas Eschbach

    Elantris - Brandon Sanderson


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Um damit anzufangen:

    Zitat

    Original von Iris
    Das ist nicht nur "nicht ganz korrekt", sondern schlicht falsch, wenn man über Literatur als Literatur spricht.


    Gut, akzeptiert, ich bin ja immer noch lernfähig. ;-) Allerdings habe ich mit dem Begriff „Phantastik“ mentale Probleme, er ist für mich persönlich negativ besetzt. Der erinnert mich an Bücher, die mein Vater in seiner Jugend gelesen hat (und die damals als „Science Fiction“ galten), mich aber seltsamerweise nie interessiert haben. Doch das ist mein Problem.



    :gruebel Hm, hätten wir diese Diskussion in der „Bronzehimmel“-Leserunde geführt, hätte ich vielleicht weitergelesen. Ich entsinne mich noch gut an die Diskussionen in der Leserunde zu Heide Solveig Göttners „Die Insel der Stürme“. Auch ein erster Band zu einer Trilogie, allerdings Fantasy (hoffentlich stimmt der Begriff jetzt), und gleichfalls in einem bronzezeitlichen Setting. Ohne die damalige LR und die vielen Erklärungen hätte ich wohl auch abgebrochen, weil die Welt einfach zu ungewohnt war (und jetzt warte ich immer noch verzweifelt auf den dritten Band, der inzwischen auf 2009 verschoben wurde).


    Ich sitze anscheinend recht kräftig auf dem Schlauch, doch so langsam beginnt sich der Nebel zu lichten. ;-) Mal sehen, ob ichs auf die Reihe bekomme:



    Zitat

    Original von Sibel
    Es gibt auch heute Menschen, die felsenfest der Meinung sind Gaben zu haben. Auren sehen können ist eine davon zum Beispiel, in die Zukunft bzw. helllsehen eine weitere. Ich denke solche Gaben sind als spirituelles Beiwerk zu lesen und nicht als Fantasy.
    Für mich sind auch keine Jenseitserfahrungen Fantasy.


    :write Das sehe ich genauso.



    Zitat

    Original von grottenolm
    Bestimmte spirituelle oder mythologische Komponenten, die in der damaligen Gesellschaft als selbstverständlich hingenommen wurden, können jedoch aus der heutigen Sicht so fremd erscheinen, daß es wie Fantasy anmutet.


    Auch dem kann ich zustimmen. Und ziehe, wie im früheren Post angedeutet, den Schluß, daß das, was im „Bronzehimmel“ geschrieben steht, bei mir nicht bzw. falsch angekommen ist. Vereinfacht gesagt in einer Sprache geschrieben ist, die ich nicht verstanden habe.


    Die Heldenreise (bzw. deren Motivik) dürfte m. E. eigentlich keine Probleme verursachen oder „Fantasyassoziationen“ hervorrufen (möglicherweise findet sich die auch bei der „Reise“ Talias; ich habe die Heldenreise leider nicht so intus, daß ich die immer gleich und automatisch erkenne).



    Zitat

    Original von Iris
    Kunst ist nicht reines Abbild, sondern geformte, zugespitzte Nachahmung von Wirklichkeit (Mimesis).


    Vermutlich ein weiteres Indiz, daß ich mit falschen Erwartungshaltungen an das Buch herangegangen bin.



    Zum Thema Krimi/Thriller: nun, ich habe noch keinen Krimi, den ich begonnen habe, fertig gelesen. Maximal 60 Seiten, dann wars vorbei. Thriller habe ich nur wenige gelesen. Allerdings habe ich mir, nachdem ich jetzt erstmals die Bourne-Filme gesehen habe, die drei Bücher von Robert Ludlum gekauft (und will die eigentlich auch bald lesen). Also ganz so dichte Scheuklappen habe ich auch nicht. ;-) Und die Eulen haben mich schon so manches Buch lesen lassen, daß ich sonst nie in die Hand genommen hätte. :-)



    Zitat

    Original von Iris
    Sorry, aber mit dieser Methode verbaut ihr euch den Weg zu guter Literatur, weil man dann ein Buch mit phantastischen Elementen unbewusst den "Gesetzen" der Fantasy unterwirft, prompt funktioniert es scheinbar (!) nicht mehr und wird als "schlecht" empfunden.


    Also eins ganz klar und expressis verbis: als „schlecht“ habe ich den „Bronzehimmel“ nie bezeichnet. Sprachlich (und stilistisch) ist es von den beiden von mir hier im Thread genannten Büchern auf jeden Fall das bessere, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.


    So gesehen tauchen in beiden Büchern phantastische Elemente auf. Was mich so irritiert ist, daß ich es in einem Fall „den Gesetzen der Fantasy“ unterwerfe, im anderen Fall nicht. Dieses offensichtliche Mißverstehen, falsch Auffassen oder wie man es auch bezeichnen will, hat mich so erschüttert, daß ich etwas ratlos dastehe.



    Zitat

    Original von Iris
    Der Umgang mit Literatur erfordert eine Abkehr von Schemata. Nur Triviales lässt sich schematisch einordnen, weil es selbst schematisch verfasst ist. Das ist das Hauptkennzeichen von Trivialität.


    Vielleicht sollte ich diese Abkehr als Quintessenz aus diesem Thread verinnerlichen? Dann hätte er wirklich etwas gebracht!


    Ich habe vor längerer Zeit ein Buch, das auch die Scheibe von Nebra beinhaltete, gelesen. Das fällt mit Sicherheit unter die Rubrik „Triviales“. Die „Fantasy“-Elemente waren so eindeutig, daß es gar keine Zweifel an der Einordnung geben konnte. Ein weiteres habe ich gelesen, auch über die Sternenscheibe. Das war schon ernsthafter und ich habe es als Roman, der in einer vergangenen Zeit spielt, in Erinnerung behalten. Wie es gewesen sein könnte, aber nicht muß, weil wir nicht viel wissen. In sich war er schlüssig, ohne den Anspruch auf historische oder archäologische Genauigkeit zu erheben.


    Aber hier hat es mich eben „voll aus der Kurve hinausgetragen“ - für mich völlig unerwartet. Ich werde in der Tat versuchen, mir diese „Abkehr von Schemata“ zu verinnerlichen.



    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Bei Romanen wie Katerina Timms "Die Kosakenbraut" (...) wirkten diese Einflüsse meiner Meinung nach sehr bereichernd, (...)


    Das subt noch bei mir. Da werde ich jetzt mit einer ganz anderen Einstellung herangehen.



    Eines hat dieser Thread jedenfalls schon bewirkt: ich habe die „Bronzehimmel“-Leserunde nach meinem Abbruch still weiter mitgelesen. Bis zum Ende konnte ich nicht entscheiden, ob ich das Buch fertig lesen will oder nicht. Jetzt weiß ich es. Ich werde es auf jeden Fall zu Ende lesen, ob allerdings bald oder erst nach Erscheinen des dritten Bandes, das weiß ich noch nicht.



    Zitat

    Original von Saru
    Und aus diesem Grund hatte ich einige Mühe das Buch durchzulesen. Es war zu wirklich.


    Der Verlag hat etliche Zusatzinfo auf seiner Homepage; ich verlinkte gleich im Schlußabschnitt der Leserunde. Eines stimmt allerdings: die Welt der Kelten wurde so beschrieben, wie sie nach heutigem Kenntnisstand war.




    Zitat

    Original von hollyhollunder
    Finde gut, dass hier nochmal allgemein drüber diskutiert werden kann.


    Wobei ich hier nicht eine Diskussion über das Buch an sich (die gehört in den Leserunden- bzw. Rezithread) anfachen wollte, sondern es mir darum gehr, wie das bei mir als Leser ankan (eben anders, als von der Autorin beabsichtigt). Wobei es mir hier um das Grundsätzliche geht, eben erläutert an zwei konkreten Beispielen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich schmeiß noch mal ein paar Gedanken in die Runde: :-)


    Zitat

    Original von Saru
    Ich erwarte von einem Fantasyroman, dass er mich in eine Traumwelt entführt, die keinerlei Bezug zu Wirklichkeit hat.


    Genau das meinte ich mit "Eskapismus" (dies ist keine Wertung, nur eine Feststellung!!!): Die/Der Leser/in erwartet, vom Text aus der realen Welt in eine phantastische entrückt zu werden - abschalten, entspannen, aber ohne jeden Bezug zur eigenen Realität. :-)



    Zitat

    Original von SiCollier
    Allerdings habe ich mit dem Begriff „Phantastik" mentale Probleme, er ist für mich persönlich negativ besetzt. Der erinnert mich an Bücher, die mein Vater in seiner Jugend gelesen hat (und die damals als „Science Fiction" galten), mich aber seltsamerweise nie interessiert haben. Doch das ist mein Problem.


    Phantastik ist ein Begriff aus der Literaturwissenschaft und der Literaturkriitk. Es ist ein Oberbegriff für alle Arten von Literatur, die in erkennbar vom Autor "erfundenen" Welten spielen. Darunter fällt natürlich auch die Science-Fiction, aber ebenso die Utopistik, Grusel- und Horrorliteratur, Mythenadaptionen, Märchenhaftes und Fantasy usw.


    Die Umsetzung - also das WIE, nicht das WAS - kann in zwei Richtungen gehen: Einerseits eine eskapistische, die dem Leser eine "Wunschwelt" bietet, in der Helden Abenteuer zu bestehen haben (wobei diese Wunschwelt kein Ort sein muss, an dem der Leser leben möchte!) -- andererseits kann das phantastische Setting (ebenso wie auch ein historisches Setting!) als verfremdendes und Distanz schaffendes Element dienen, um einen meist allgemein-menschlichen (= zeitlosen!) Aspekt oder ein solches Thema präzise und deutlich durchzuführen.


    Um mal eine Expertin dieser Literaturform im Bereich des historischen Romans zu zitieren:
    »Ich habe das Historische nie als eine Flucht aus der eigenen Zeit empfunden, sondern als einen Abstand, von dem aus man die eigene Zeit schärfer erkennt.« (Gertrud von le Fort)


    Das gleiche gilt für die Phantastik, die in ihrer nicht-eskapistischen Form schon immer als Spiegel der Gegenwart verstanden wurde (Homer, Vergil, Ovid, Wolfram von Eschenbach, Artus-Epik, Thomas Morus ...) -- ebenso für volkstümliche Erzählformen wie Märchen, Legenden und Sagen.


    Zitat

    Original von SiCollier
    Also eins ganz klar und expressis verbis: als „schlecht" habe ich den „Bronzehimmel" nie bezeichnet. Sprachlich (und stilistisch) ist es von den beiden von mir hier im Thread genannten Büchern auf jeden Fall das bessere, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.


    Ich hatte das Wörtchen "schlecht" absichtlich in Gänsefüßchen gesetzt, es war uneigentlich gemeint. Ein Buch, das man nicht weiterlesen möchte, empfindet man subjektiv als irgendwie unpassend, selbst wenn der Sprache, Stil und Erzählweise erkennbar eine eigene Klasse sind wie bei Viola Alvarez.



    Ich argumentiere deshalb so vehement gegen das schematische "Genredenken", weil es die Vielfältigkeit von Literatur unterminiert. Kaum ist etwas "Genre" - speziell in derart überschwemmten Genres wie der Phantastik und der Historik -, wird ein Text weitgehend nur noch nach marktspezifischen Genrekriterien beurteilt. D.h. nach seiner bloßen Unterhaltungstauglichkeit bewertet. Dass ein Autor vielleicht gar keine triviale Unterhaltung schreiben, sondern durchaus unterhaltsam schreibt, um mit seinem Text und seiner Geschichte auf etwas zu verweisen, das die eigentlich Geschichte übersteigt, wird leider oft ignoriert.
    Wo diese Haltung auch in der Produktion von Literatur bestimmend wird (d.h. in den Verlagen), wird die sogenannte E-/U-Grenze ausgerechnet durch die Forderung des Lesepublikums nach bloßer Unterhaltung zu einer immer breiteren und Tieferen Grenze gemacht. Und wer kann das wollen?


    Edit: Tippfehler! :bonk