Facing the Lion - Joseph Lemasolai Lekuton (ab 12)

  • Inhalt:
    Joseph Lemasolai Lekuton schreibt in „Facing the Lion“ autobiografisch über seine Kindheit als Nomadenjunge bei den Massai. Dabei zeichnet er ein buntes Bild seiner Lebenswirklichkeit von der frühesten Kindheit bis zu seinem Aufbruch nach Amerika, wo er studiert hat. Er nimmt seine Leser bei der Hand und führt sie wie gute Freunde durch das Dorf, zu seinen Freunden, mit denen er spielt oder zur Viehherde, die er betreut.
    Später nimmt er sie auch mit zur Schule. Ein neues Gesetz hatte damals in Kenia für je einen Jungen aus jeder Familie die Verpflichtung geschaffen, zur Schule zu gehen. Einer seiner älteren Brüder sträubt sich sehr gegen die Schule und der andere wird dringend für die Arbeit mit dem Vieh gebraucht. Daher trifft es in der Familie Lekuton den kleinen Joseph, der eigentlich noch zu jung ist für die Schule.
    Für Joseph ändert sich dadurch fast alles. Er lernt eine Wirklichkeit kennen, die mit seinem bisherigen Leben nicht viel gemeinsam hat. Und doch findet er sich schnell in den schulischen Alltag ein und wird ein wissensdurstiger Schüler. Die große Schwierigkeit besteht für ihn nicht darin, in der einen oder in der anderen Wirklichkeit zurechtzukommen, sondern nicht einer von beiden fremd zu werden. Sein oberstes Ziel ist es, zwar zur Schule zu gehen und dort auch die Uniform zu tragen, in einem Bett zu schlafen und sesshaft zu sein, gleichzeitig aber ein Massai zu bleiben.


    Meine Meinung:
    Eine große Stärke des Buches ist die Art, mit der das Spannungsverhältnis, dieses Leben zwischen zwei Welten, kindgerecht greifbar gemacht wird. Noch beachtlicher ist es, dass trotz der schönen und zugleich für kindliche Leser geeigneten Sprache, das Buch auch von Erwachsenen mit so großem Gewinn gelesen werden kann. Ein Massai, der zwischen zwei Welten aufwächst und es schafft, diese beiden Welten zu verschmelzen – das ist eine Geschichte, die den Leser vieles lehrt. Zum einen lernt er kennen, was für die Massai wichtig ist, was anders ist als bei einer Kindheit in Deutschland und auch was ähnlich ist. Zum anderen lernt er etwas ganz Entscheidendes, nämlich dass das Andere nicht eine Abgrenzung schaffen muss, sondern dass es mit dem Vertrauten zusammen ein besseres Ganzes ergeben kann. Das Buch ist daher ein sehr wichtiges Buch. Es macht das Fremde vertraut und zeigt, wie viel Verbindendes es selbst in einer Lebensweise gibt, die uns europäischen Lesern beim ersten Hinsehen sehr fremd erscheinen mag.
    Eine weitere Stärke des Buches ist sein Unterhaltungswert, der sehr hoch ist, obwohl es dem Leser so vieles lehrt. Es greift Situationen aus dem Leben des jungen Lekuton heraus, die zum Teil sehr abenteuerlich sind - so z.B. die Begegnung mit Wilderen oder, noch abenteuerlicher, mit Löwen. Andere Begebenheiten sind eher kurios - so z.B. die Geschichte von dem Kneifer, der ein Auge auf unartige Kinder hat und diese kneift, damit sie sich in Zukunft benehmen.

    Fazit:
    Der Leser des Buches kann ein Kind ab zwölf Jahren oder aber ein Erwachsener sein. Für beide ist es ein großer Gewinn, wenn Lekuton behutsam das Fremde zum Vertrauten macht.
    Ich hatte mit diesem Buch ein paar Stunden großen Lesevergnügens und wünsche ihm eine große Aufmerksamkeit, zu der ich mit dieser Rezension hoffentlich auch einen kleinen Beitrag leiste.