Maarten't Hart - Der Flieger

  • Titel: Der Flieger
    Originaltitel: De vlieger
    Verlag: Piper
    Erschienen: Juli 2008
    Seitenzahl: 303
    ISBN-10: 3492271553
    ISBN-13: 978-3492271554
    Preis: 12.00 EUR


    Der Autor:
    Maarten’t Hart wurde 1944 in Maasluis bei Rotterdam geboren. Er war der Sohn eines Totengräbers und wuchs in einem streng protestantischen Milieu auf. Seit 1987 lebt er als freier Schriftsteller in Warmond bei Leiden. Seine zahlreichen Romane und Erzählungen machten ihn zu einem der meistgelesenen europäischen Gegenwartsautoren.


    Worum geht es in diesem Buch?
    Mein Vater war Totengräber. Um halb acht morgens begann sein Tag auf dem Friedhof, und um eins legte er seine erste Pause ein. Beim Abendbrot erzählte er mir und meiner Mutter von seinen Erlebnissen zwischen den Toten." So beginnt Maarten 't Harts tragikomischer Roman um einen protestantischen Totengräber, der sich beharrlich weigert, der Bitte seiner katholischen Nachbargemeinde nachzukommen: Ihre Verstorbenen sollen auf seinen Friedhof umgebettet werden, doch es ist keineswegs einzusehen, dass diese Aufgabe mit der Schaufel erledigt werden muss.


    Meine Meinung:
    Mit einem leichten Augenzwinkern, aber trotzdem verbunden mit dem notwendigen Ernst, beschreibt der Autor mehr oder weniger das Leben in einer orthodox-reformierten Gemeinde in den Niederlanden. Vieles was dort passiert ist tragisch und komisch zugleich. Es wird deutlich, dass es zumeist Pharisäer oder irgendwelche bürokratischen Glaubenseiferer sind, die dem Fragenden und Suchenden statt einer Antwort lieber einen Fußtritt geben. Maarten’t Hart schreibt so wie man ihn kennt: Leicht, ohne dabei gleichförmig zu sein. Seine Figuren zeichnet er mit großer Intensität ohne dass sie dabei aufdringlich wirken. Vielleicht ist das Buch aber auch eine ganz persönliche Abrechnung mit der Religion, nicht aber mit dem Glauben. Maarten’t Hart macht deutlich, wie Glaube immer wieder neu pervertiert wird und wie es in den verschiedenen Kirchen nicht mehr um den Glauben geht, sondern nur noch um den Konkurrenzkampf mit anderen christlichen Vereinen. Ein sehr lesenswertes Buch, auch wenn viele es nicht zu den Höhepunkten seines Gesamtwerkes zählen; aber das ist glücklicherweise Ansichtssache. Für mich ganz persönlich steht es in jedem Falle in der ersten Liga auf einem der vorderen Plätze des Werkes von Maarten’t Hart.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich habe bisher nur "Das Wüten der Ganzen Welt" von ihm gelesen und da herrschte eine depressive Grundstimmung. Ist das hier auch der Fall, oder ist es einfach seine Art zu schreiben?


    Edit: Ich vergaß: Danke für die Rezi. :wave

  • Zitat

    Original von Eskalina
    Ich habe bisher nur "Das Wüten der Ganzen Welt" von ihm gelesen und da herrschte eine depressive Grundstimmung. Ist das hier auch der Fall, oder ist es einfach seine Art zu schreiben?


    Edit: Ich vergaß: Danke für die Rezi. :wave


    Wenn man unter "depressive Grundstimmung" vielleicht auch "nachdenklich" subsumieren könnte, dann stimme ich dir zu. Maarten't Hart ist sicher nicht jederfrau/jedermanns Sache, aber ich kann nur empfehlen, sich einfach mal auf ihn einzulassen - ihn an sich ranzulassen. Er ist nicht alltäglich, er ist für mich ganz persönlich wirklich etwas Besonderes. Warum das so ist? Keine Ahnung - ist wohl mehr eine nicht erklärbare Gefühlssache. Ich mag seine Bücher halt. :-) :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Nach den ersten 20/30 Seiten stand ich kurz davor abzubrechen, aber dann schaffte es die Geschichte mich doch noch zu überzeugen. Nur die etwas zu viel geratenen Bibelzitate nervten mich immer mal wieder. Es herrscht eine gewisse düstere Stimmung in diesem Buch, aber nicht so, dass sie einen runterzieht. Es ist kein "schlechtes" Buch, aber an "Das Wüten der ganzen Welt" kommt es meiner Meinung nach nicht heran. Dieser Umstand hält mich aber nicht davon ab, gleich das nächste Buch von ihm zu lesen.


    Edit: Der Epilog hat mir sehr gut gefallen.

  • Vielen Dank für deinen Beitrag, Voltaire.
    Nachdem ich von Maarten't Hart "Die Netzflickerin" und "Das Wüten der ganzen Welt" mit Begeisterung gelesen hatte, war ich ganz neugierig auf sein "Bach und ich". Das hat mich dann sehr enttäuscht und ich muss zugeben, dass ich Maarten't Hart etwas aus den Augen verloren hab. Vielleicht ist es an der Zeit, ihn wieder zu entdecken.

    Es kann nur glücklich werden, wen auch der Ernst des Lebens glücklich macht. (Reinhard Mey)

  • Ich bin dann tatsächlich noch über die zwei Seiten hinaus gekommen... habe das Buch jetzt also gelesen und will mal versuchen, meine Eindrücke mitzuteilen.


    Das beste war für mich der Humor des Autors, besonders schön kommt der in der Sprache des Grabmachers durch, diese Figur ist eine echte Type, er ist mir ans Herz gewachsen. Der Ich-Erzähler, sein Sohn, ist eigentlich nur eine Alibi-Figur, was mir auch gleich nicht so gut gefallen hat. Man lernt ihn kaum kennen. Was mich auch daran hinderte, die Geschichte richtig zu genießen, ist, dass es immer eher nur Episoden sind, die erzählt werden - es vergehen Wochen und Monate zwischen zwei Szenen, man weiß aber nie genau, wieviel Zeit tatsächlich vergangen ist.


    Was die Kirche bzw. deren Autorität und Engstirnigkeit, das Hauptthema des Romans, angeht, so war ich schon verblüfft, dass in den 50er (?) Jahren noch solche Verhältnisse herrschen konnten. Da wird einer Stück für Stück aus der Gemeinde geschmissen, weil er die Bibel plötzlich ganz anders liest, als man es ihm jahrzehntelang eingetrichtert hat und auf der Straße wird er danach sogar bespuckt. Wie vorher ein Kirchenvertreter nach dem anderen bei ihm zu Hause aufkreuzte, um ihn zurück zu überzeugen, das war schon sehr skurril.


    So war "Der Flieger" eine interessante und durch Harts Stil auch durchaus unterhaltsame Lektüre, aber ich mag doch lieber dichter erzählte Romane, dieses Buch kam mir nicht so richtig vollständig vor.