Bootsmann ist ein junger Hund, schwarz, weich und wollig.
So beginnt eine der bekanntesten Kindergeschichten der DDR, geschrieben von einem der wichtigsten Kinderbuchautoren, Benno Pludra (geb. 1925). Gleich bei ihrem ersten Erscheinen 1959 wurde sie beim Preissauschreiben für Kinder - und Jugendliteratur des Ministeriums für Kultur ausgezeichnet, Mitte der 1980er Jahre erschien sie bereits in der 13. Auflagen. Neuerdings gibt es sie als Nachdruck eines Bändchens der Reihe ‚Die kleinen Trompeterbücher’, ehemals die Nummer drei, und auch hier schon in der vierten Auflage.
Die Geschichte ist einfach. Bootsmann gehört dem Schlepperkapitän Putt Bräsing und lebt mit ihm an Bord seines Schleppkahns. Er hat aber auch Freunde an Land, das sind Uwe und Jochen, sieben Jahre alt, und Katrinchen, vier. Eines Morgens, mitten im tiefsten Winter, holen ihn die Kinder wieder zum Spielen ab. Heute lockt sie der Schilfwald am Ufer, vor allem Jochen kann von der Eisfläche zwischen Ried und Schilf gar nicht genug bekommen. Er stürmt immer weiter hinaus, gefolgt von dem begeisterten Bootsmann. Auf Uwes Warnungen hören sie nicht. Prompt passiert es, ein Stück des Eisfelds bricht ab. Jochen kann sich mit einem wilden Sprung gerade noch an Land retten, aber Bootsmann schafft es nicht. Zuerst verdutzt, dann voller Angst, sitzt der kleine Hund auf der Scholle, die langsam mit ihm davontreibt.
Jochen flüchtet vor Schreck. Uwe weiß zuerst keinen Rat. Zudem muß er sich um Katrinchen kümmern! Dennoch entschießt er sich zu einer halsbrecherischen Rettungsaktion. Was für ein Glück aber, daß der Dampfer Jelena ausgerechnet an diesem Tag in den Hafen einfahren wollte. So geht alles gut aus, aber nur um Haaresbreite!
Die Themen sind Freundschaft, Verantwortung und verantwortungsvolles Handeln. Jedes der drei Kinder macht Fehler, aber ihr Zögern, Jochens Leichtsinn und Katrinchens Gedankenlosigkeit werden immer begründet und einsichtig gemacht. Man teilt beim Lesen Jochens plötzliche erwachte Abenteuerlust ebenso wie Katrinchens Wunsch, beim Bau des Schneemanns mitzuhelfen, obwohl sie eigentlich Putt Bräsing alarmieren soll. Leserinnen und Leser sind nicht zum Verurteilen aufgerufen.
Der Vorwurf und damit die Moral der Geschichte ergibt sich allein aus der Beschreibung der Folgen des jeweiligen Leichtsinns. Auch Uwe ist nicht unbedingt ein strahlender Held. Zuerst kann (und will?) er sich nicht richtig durchsetzen. Auch er möchte spielen, Katrinchen geht ihm schrecklich auf die Nerven, schließlich klaut er auch noch einen Kahn und bringt sich selbst in Gefahr. So kurz die Geschichte ist, sie bringt eine wirklich zum Nachdenken darüber, was richtiges Handeln ist.
All das bildet aber nur den Hintergrund. Im Vordergrund steht eine höchst anschauliche Wintergeschichte, in einer Landschaft aus Schnee und Eis, deren Kälte und Einsamkeit man beim Lesen spüren kann. Ebenso spürt man die Lust am Abenteuer und die Freuden, die der Winter bringt, mit Rutschen und Eisschliddern und Schneemann bauen.
Die Kontraste sind hart wie das Winterlicht, Kälte und Wärme, Schwarz und Weiß, Freundschaft und Versagen, Leben und Tod. Es gibt kaum Zwischentöne. Die Handlung ist sehr spannend, die kurzen Sätze und das Tempus, Präsens, verstärken die Spannung noch. Aber auch die poetischen Momente des Winters finden Eingang in die Sprache. Eben der abrupte Wechsel vom Schrecken zur Schönheit machen den besonderen Reiz aus.
Die holzschnittartigen Illustrationen von Werner Klemke, in ihrem strengen Schwarz-Weiß mit ein wenig Rot, unterstützen diesen Eindruck. Das Ganze ist ein überaus gelungenes Zusammenspiel von Text und Bildern.