Clarissa, Monika und Ulrich Berg erben das Vermögen ihres unermesslich reichen Onkels Roberto. Bevor das Testament jedoch in Kraft tritt, ist dummerweise eine Bedingung zu erfüllen. Die (Halb)Geschwister müssen ein Heim für euphemistisch betitelte "Finalisten", dh für Selbstmörder, auf dem ehemaligen Landsitz von Onkel Roberto, der Ludwigshöhe in der Nähe des Starnberger Sees, einrichten. Die Lebensmüden sollen nur in ihrem Drängen unterstützt, nicht therapiert werden.
Es werden also Kärtchen gedruckt und unauffällig an den neuralgischen Punkten der Verzweiflung verteilt: In Arztpraxen, auf dem Arbeitsamt usw.usf. Nach und nach stellen sich die Todessehnsüchtigen auch ein und beziehen die Zimmer der heruntergekommenen Villa. Doch damit ist für die Bergs natürlich noch nichts gewonnen, denn bevor sich die Finalisten nicht umgebracht haben, gibt es auch kein Erbe. Ärgerlich nur, dass die Ludwigshöhe eine eigene Dynamik entwickelt. Die potentiellen Selbstmörder erzählen sich gegenseitig ihre Geschichten und haben es gar nicht so wahnsinnig eilig, aus dem Leben zu scheiden.
Was für eine Idee! Und wie unglaublich grandios versemmelt sie Hans Pleschinski. Ich bin ein bisschen fassungslos, wie jemand, auf dessen Konto das außerordentlich lesenswerte "Bildnis eines Unsichtbaren" geht, ein so schwaches Buch wie "Ludwigshöhe" abliefern kann - obwohl die Idee stimmt. Was hätte man aus ihr nicht alles machen können. Alle möglichen Gewissens- und Gesetzeskonflikte liegen auf der Hand. Die Insassen der Ludwigshöhe hätten in zauberbergscher Manier die eigene Existenz ausloten, miteinander in Verbindung treten können. Ein allwissender Erzähler hätte das geheime Geflecht des Schicksals hinter all dem für den Leser aufscheinen lassen können. Nichts dergleichen geschieht. Leider auch sonst nichts oder nichts Erwähnenswertes.
Zu allererst versteht man schon einmal nicht den Ausgangspunkt: Wie lautet das Testament? Wann um alles in der Welt ist es erfüllt? Nach einer bestimmten Zeit? Nach einer bestimmten Anzahl Toter? Wie sind die nachzuweisen, wenn die Finalisten, wegen der praktischen Illegalität ihres Treibens nach ihrem Tod nicht etwa offiziell gemeldet werden können, sondern von den Bergs in Kühltruhen im Schuppen eingelagert werden sollen? Muss der Notar das dann irgendwann begutachten? Wieso wird ein Testament mit offensichtlich illegalen Erfüllungsbedingungen nicht angefochten? Wie kann so ein hanebüchener Unsinn in einem Verlag mit bedeutender Jura-Sparte erscheinen?
Insofern versteht man schon einmal bei den Betreibern nicht, warum sie handeln, wie sie handeln. Die ganze Ausgangssituation ist schief und wird auch bis zum fernen Ende nicht gerade gerückt.
Doch auch der Haufen "Finalisten" ist einzig und allein da, damit uns Pleschinski eine traurige Alltagsgeschichte nach der nächsten in immer derselben Sprache mit immer ähnlichen Pointen auftischen Kann. Und es genügen auch nicht die Geschichten der Todeskandidaten selbst, nein, es muss auch immer mal wieder ein Kapitel vom Wurstwarenvertreter, von der Supermarktkassierin oder der Versicherungsangestellten zwischengeschoben werden, die überhaupt nichts mit der Ludwigshöhe zu tun haben. So wird das Buch auf monströse 580 Seiten aufgebläht, die einzig dazu da sind, die konturlosen Figuren nebeneinander sitzen, stehen, liegen zu lassen und sich immer wieder ausgehend von der eigenen Lebensgeschichte seitenweise über den schlechten Zustand der Welt zu beklagen, gebildete Literatur über den Tod und mannigfaltige Jenseitsvorstellungen zu referieren und undifferenziert über die ganze Mansche zu philosophieren. Haarsträubend.
Das alles geschieht zu allem Überfluss in einer grausigen Sprache. Da reichen nicht die Namen der geschätzt anderthalb Dutzend Einwohner der Ludwigshöhe, nein, sie werden die ganze Zeit mit Gerundformen und anderen unschönen Substantivierungen charakterisiert (die 38järige, die Turbanträgerin, der Sitzende, die Ludwigshafenerin usw.). Da geht der Thesaurus mit Pleschinski durch und walzt dabei offenbar das gesamte Lektorat platt! Wie kann man so etwas durchgehen lassen? Für divenhafte Zurückweisung des Lektorats ist Pleschinski eigentlich nicht bekannt genug.
Summa summarum ist das Buch leider eine vollendete Zeitverschwendung. Es wirkt wie zusammengestückelt, bleibt am Ende fast vollständig pointenlos, bevölkert von nur aufgrund der schrecklichen Substantivierungen unterscheidbaren Figuren, die entweder gar nicht oder in völlig austauschbarer Beziehung zueinander stehen (in diesem Zusammenhang wirken die sich bildenden Freundschaften und Liebesgeschichten bis auf rare Ausnahmen restlos unglaubwürdig und konstruiert). Es tut mir aufrichtig leid, aber das war gar nichts.
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