Lieutenant Gustl - Arthur Schnitzler

  • Kurzbeschreibung:(von amazon.de)


    "Schon das Gestern verschwimmt, und alles, was ein paar Tage zurückliegt, bekommt den Charakter eines unklaren Traumes." Arthur Schnitzler erzählt vom Fehlverhalten der Menschen, die, aus solchen Lebensgemeinschaften heraus, nicht davor zurückscheuen, die anderen, die gewissenhaften, zu opfern, wenn sie selbst sich allzusehr verstrickt haben.Arthur Schnitzler wurde am 15.5.1862 in Wien geboren. Bereits als Neunzehnjähriger versuchte er, seine erste Dramen zu schreiben. Nach dem Studium der Medizin war er Assistenzarzt an der Allgemeinen Poliklinik und dann praktischer Arzt in Wien, bis er sich mehr und mehr seinen literarischen Arbeiten widmete. Das dramatische und das erzählerische Werk entstanden parallel. Er starb am 21.10.1931 als einer der bedeutendsten österreichischen Erzähler und Dramatiker der Gegenwart in Wien.


    Über den Autor: (von amazon.de)


    Arthur Schnitzler wurde am 15.5.1862 in Wien geboren. Bereits als Neunzehnjähriger versuchte er, seine erste Dramen zu schreiben. Nach dem Studium der Medizin war er Assistenzarzt an der Allgemeinen Poliklinik und dann praktischer Arzt in Wien, bis er sich mehr und mehr seinen literarischen Arbeiten widmete. Das dramatische und das erzählerische Werk entstanden parallel. Er starb am 21.10.1931 als einer der bedeutendsten österreichischen Erzähler und Dramatiker der Gegenwart in Wien.



    Eigene Meinung:


    Arthur Schnitzler stand schon lang auf meiner Leseliste, jetzt ist es endlich einmal geglückt. Leutnant Gustl ist ein junger Offizier der k.u.k. Armee. Als er im Gedrängel nach einem Oratorium im Wiener Musikverein von einem Bäckermeister, einem Zivilisten, als dummer Bub beleidigt wird und dieser sich auch noch erdreistet ihm zu drohen, seinen Säbel zu zerbrechen, steht die Welt für den jungen Offizier Kopf, der sich im Geiste schon auf sein Duell am kommenden Tage vorbereitet hatte. Seine Ehre ist verletzt und er sieht keine Möglichkeit mehr mit dieser Schande weiterzuleben. So taumelt er durch das nächtliche Wien um die Jahrhundertwende und der Leser mitten im seinen Kopf.


    Das war der erste wirkliche innere Monolog den ich gelesen habe. Beginnenden bei den Gedanken Gustls zum Oratorium, über die Auseinandersetzung mit dem Bäckermeister und seiner inneren Zerrissenheit weiter Leben zu wollen, aber zu glauben, aufgrund der erlittenen Schmähung nicht mehr Weiterleben zu können. Als Leser wird man in dieser Gedankenwelt gefangen, die sprachlich sehr ansprechend umgesetzt ist, und ist dann am Ende gar sehr enttäuscht, dass das Werk nur 50 Reclamseiten zu füllen vermag.


    Obwohl das Buch aufgrund seines überkommenen Ehrbegriffs eigentlich antiquiert wirken müsste, wirkt es sprachlich sehr modern. Vor allem gelingt es Schnitzler durch verschiedene Tempi die Gefühlswelt und die inneren Konflikte Gustls gut zu transportieren.
    Mich hat dieser kurze Text unheimlich beeindruckt und ich werde sicher bald wieder was von Schnitzler lesen.


    Ausgabenüberlick:


    Anm.: „Lieutenant Gustl“ ist die Schreibweise der Erstausgabe. Vielfach wurde es auf „Leutnant Gustl“ angepasst.
    Reclam, Hrsg. v. Konstanze Fliedl. Mit Anm. u. Literaturhinw. v. Evelyne Polt-Heinzl, € 2,20 (ISBN 3150181569)
    Anaconda, Doppelband mit „Fräulein Else“, gebundene Ausgabe, € 2,95 (ISBN 3866471882)
    Suhrkamp BasisBibliothek, Hrsg. u. komment. v. Ursula Renner, broschiert, € 5,00 (ISBN 351818833X)
    Fischer, TB, € 8,90 (ISBN 359614941X) – vermutlich auch andere Erzählungen enthalten
    Fischer, Erzählungen, gebundene Ausgabe, € 22,0 (ISBN 3100735528)


    Ich habe die Reclamausgabe gelesen, aber nach dem Überblick find ich die Suhrkampausgabe am sympathischsten, weswegen ich diese verlinke.



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  • Leutnant Gustl ist hinreißend.


    Schon allein der Einstieg, den ich hier genüsslich zitiere (kopiert vom Projekt Gutenberg):


    Wie lang' wird denn das noch dauern? Ich muß auf die Uhr schauen... schickt sich wahrscheinlich nicht in einem so ernsten Konzert. Aber wer sieht's denn? Wenn's einer sieht, so paßt er gerade so wenig auf, wie ich, und vor dem brauch' ich mich nicht zu genieren... Erst viertel auf zehn?... Mir kommt vor, ich sitz' schon drei Stunden in dem Konzert. Ich bin's halt nicht gewohnt... Was ist es denn eigentlich? Ich muß das Programm anschauen... Ja, richtig: Oratorium! Ich hab' gemeint: Messe. Solche Sachen gehören doch nur in die Kirche! Die Kirche hat auch das Gute, daß man jeden Augenblick fortgehen kann. – Wenn ich wenigstens einen Ecksitz hätt'! – Also Geduld, Geduld! Auch Oratorien nehmen ein End'! Vielleicht ist es sehr schön, und ich bin nur nicht in der Laune. Woher sollt' mir auch die Laune kommen? Wenn ich denke, daß ich hergekommen bin, um mich zu zerstreuen... Hätt' ich die Karte lieber dem Benedek geschenkt, dem machen solche Sachen Spaß; er spielt ja selber Violine. Aber da wär' der Kopetzky beleidigt gewesen. Es war ja sehr lieb von ihm, wenigstens gut gemeint. Ein braver Kerl, der Kopetzky! Der einzige, auf den man sich verlassen kann... Seine Schwester singt ja mit unter denen da oben. Mindestens hundert Jungfrauen, alle schwarz gekleidet; wie soll ich sie da herausfinden? Weil sie mitsingt, hat er auch das Billett gehabt, der Kopetzky... Warum ist er denn nicht selber gegangen? – Sie singen übrigens sehr schön. Es ist sehr erhebend – sicher! Bravo! Bravo!... Ja, applaudieren wir mit. Der neben mir klatscht wie verrückt. Ob's ihm wirklich so gut gefällt? – Das Mädel drüben in der Loge ist sehr hübsch. Sieht sie mich an oder den Herrn dort mit dem blonden Vollbart?... Ah, ein Solo! Wer ist das? Alt: Fräulein Walker, Sopran: Fräulein Michalek... das ist wahrscheinlich Sopran... Lang' war ich schon nicht in der Oper. In der Oper unterhalt' ich mich immer, auch wenn's langweilig ist. Übermorgen könnt' ich eigentlich wieder hineingeh'n, zur ›Traviata‹. Ja, übermorgen bin ich vielleicht schon eine tote Leiche! Ah, Unsinn, das glaub' ich selber nicht! Warten S' nur, Herr Doktor, Ihnen wird's vergeh'n, solche Bemerkungen zu machen! Das Nasenspitzel hau' ich Ihnen herunter...


    *


    Wer sich nur ein einziges Mal zeit seines Lebens in einem Konzert gelangweilt hat, hat meine Bewunderung. Bei mir kommt das öfters vor. Aber je nun. Also:


    Wer sich nur ein einziges Mal zeit seines Lebens in einem Konzert gelangweilt hat, kann sich sofort in Leutnant Gustl wiederfinden. Dieser hervorragende Einstieg in den Text sorgt natürlich für mein freundliches Begleiten des jungen Schnösels durch die nächtliche Stadt.


    Und was das für ein Schnösel ist! Antisemitisch, voller Standesdünkel, einer, der nichts anbrennen lässt bei den Damen, aber anscheinend doch mehr Erfolg hat ein paar Gesellschaftsschichten drunter. Aber fesch samma halt. Und lieb isser auch. A bisserl.


    Geschieht im ganz recht, die Angst. Und ich habe dadurch ein wunderbares Lesevergnügen.

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Wow... also so viel dazu zu sagen wie ihr hab ich jetzt vermutlich nicht, aber eins weiß ich - ich habe Lieutnant Gustl sehr gerne gelesen. ^^ Zwar war es Pflichtlektüre für ein Proseminar an der Uni, aber das hat dem Werk meiner Meinung nach keinen Abbruch getan - im Gegenteil. Nachdem ich in der Oberstufe schon "Fräulein Else" und ein Jahr später "Lieutnant Gustl" gelesen habe, bin ich immer wieder gerne mal bereit, zu einem Buch von Arthur Schnitzler zu greifen. Ich mag seinen Schreibstil wirklich sehr gerne und seine Geschichten faszinieren mich.

  • Ich kann mich dem Lob meiner Vorredner uneingeschränkt anschließen und bin jetzt schon sicher, mein Monatshighlight und eines der Jahres-Top-Ten gefunden zu haben.
    Schnitzler muss ein hervorragender Beobachter gewesen sein und hat es ausgezeichnet verstanden, die damaligen Zustände zu spiegeln :anbet
    :wave


    EDIT merkt an, dass ich gerade die ersten 10 Eulenpunkte hier vergeben habe
    :gruebel ?(

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von maikaefer ()

  • Danke Maikaefer, dass Du den Thread wieder hochgeholt hast. Ich habe "Lieutnant Gustl" dieses Jahr im Frühling wieder hervorgeholt und auch ein Gratis-Hörbuch im Internet gefunden, das mir auch sehr gut gefallen hat. Ich denke, dass diese kurze Erzählung Schnitzlers wirklich ein Klassiker-für-Jedermann ist. Wie die genaue Wegroute Gustls verlaufen ist, weiss ich nicht mehr so genau. Ich habe damals nur einen Kommentar gelesen, wo drinnenstand, dass es halt schon sehr lustig sei, dass Gustl sich in der Opfer das Werk eines jüdischen Komponisten anhört, und gleichzeitig so viel antisemtischen Schmonsens vor sich hinsinniert... :fetch