Harpprecht, Klaus - Die Gräfin: Marion Dönhoff

  • Hochbetagt starb im Jahr 2002 Marion Gräfin Dönhoff - ein erfülltes und abwechslungsreiches Leben lag hinter ihr.
    Aufgewachsen ist sie im aristokratischen Milieu Ostpreußens, dort führte sie auch als promovierte Volkswirtin jahrelang eines der Güter der Familie. Im zweiten Weltkrieg waren einige ihrer Freunde und Bekannten Mitglieder der Widerstandsgruppe um Graf Stauffenberg: sie verlor nach dem 20. Juli einige ihr sehr nahe stehende Menschen. Nach dem Krieg und der Vertreibung begann ihr "bürgerliches'' zweites Leben bei der ZEIT, der Zeitung deren Gesicht sie jahrelang mitgeprägt hat, als Leiterin des Politikressorts, später auch als Chefredakteurin und schließlich als Herausgeberin.
    Ihr "drittes" Leben im Alter wird in Harrprechts Biographie nur auf wenigen Seiten umrissen, während die Zeit bis zu den 70er Jahren gut 500 Seiten umfasst. Nicht zuviel für eine solch ungewöhnliche Frau wie ''die Gräfin" (wie sie in der ZEIT-Redaktion genannt wurde) - welterfahren, weitgereist, belesen, politisch, moralisch. Harpprecht beschreibt die Menschen, die sie geprägt haben, ihre Umgebung, ihre (sich wandelnde) politische Einstellung, ihren Einsatz, damit ihre im Widerstand hingerichteten Weggefährten nicht in Vergessenheit geraten, für das deutsch-polnische Verhältnis, für Europa. Dabei bleibt der Autor doch stets kritisch, z.B. wenn es um die NS-Vergangenheit ihres Bruders Christoph geht und legt auch mal einen Finger auf einen wunden Punkt. Leider kenne ich die autobiographischen Gespräche, die Alice Schwarzer mit Marion Dönhoff führte nicht, so dass ich hier keinen Vergleich ziehen kann.


    Dreißig Fotos von Weggefährten und natürlich von Marion Dönhoff - vom Kinderbild bis zum sehr gelungenen Altersportrait - geben dem Leser auch einen visuellen Eindruck vom Leben der Gräfin zwischen Aristokratie und Zeitungsredaktion. Harpprecht hatte Zugang nicht nur zum ZEIT-Archiv, sondern auch zum Familienarchiv der Dönhoffs und konnte so viele Quellen erstmals einsehen. Leider enthält das Buch zwar Quellenangaben, aber da diese im Text nicht markiert sind, sondern lediglich nach Kapitel zusammengefasst aufgezählt werden, ist dem Leser die Zuordnung der Aussagen im Text zu den Quellen unnötig erschwert (und wenn man die Wikipedia schon zitieren will, sollte man das doch korrekt machen). Dafür erhält der Leser eine Biographie, die sich nicht nur angenehm flüssig lesen lässt, sondern aus der sich auch über das Leben der Dönhöff hinaus so manches interessante zeitgeschichtliche Detail ergibt. Der Leser, der Marion Dönhoffs autobiographische, politische und essayistische Schriften (schade übrigens, dass keine Bibliographie angefügt ist!) kennt, wird trotzdem in Harrprechts Buch viel Neues erfahren. Auch für Nicht-ZEIT-Leser eine Empfehlung das Leben dieser ganz besonderen Frau kennen zu lernen.


    Katya