"Eine Insel" ("Nation") - Terry Pratchett (ab 14)

  • Originaltitel: "Nation"


    Meine Rezension bezieht sich auf die englischsprachige Ausgabe. Die deutsche Ausgabe erscheint im April 2009.


    "Nation" ist ein Buch, das in einem parallelen Universum spielt, in einer Welt, die unserem viktorianischen Zeitalter sehr ähnlich ist. In Groß-Britannien hat Charles Darwin gerade seine Evolutionstheorie veröffentlicht und sämtliche Mitglieder des Königshauses sind auf einen Schlag gestorben, bis auf Nr. 137 der Thronfolge, der sich gerade als Gouverneur einer britischen Kolonie im pelagischen (= pazifischen) Ozean befindet und nicht weiss, dass er soeben König geworden ist.


    Mau ist ein Junge der gerade an der Grenze zum Mann steht. Zu diesem Zweck hat er einige Tage auf "Boy's Island" verbracht. Auf dieser Insel lassen Jungen ihre Jungen-Seele zurück und sie erhalten ihre Männerseele, wenn sie es schaffen, innerhalb von 30 Tagen ein Kanu zu bauen und zur Insel "The Nation" zurückzupaddeln und einige Rituale durchlaufen. Mau ist gerade auf dem Weg zurück als ein Riesen-Tsunami "Nation" überflutet und alle Einwohner tötet. Mau schafft es zurück auf die Insel, mehr tot als lebendig und in einem seelenlosen Stadium zwischen Junge noch als Mann gefangen.


    In den nächsten Tagen strandet Ermintrude als einzige Überlebende des Schiffes "Sweet Judy". Sie ist die Tochter des zukünftigen Königs von England (wovon sie aber nichts weiss) und war auf dem Weg in die britische Kolonie war, um bei ihren Vater zu wohnen. Ermintrude (oder auf Daphne, wie sie sich später nennt) ist ein wissbegieriges Mädchen, das heimlich den Vorlesungen der "Royal Society" lauscht und mit den Einschränkungen kämpft, die die feine englische Gesellschaft ihren Frauen auferlegt.


    Daphne und Mau finden nach einigen Missverständnissen zusammen und langsam bevölkert sich auch "The Nation" wieder. Zunächst mit einer Frau, die nicht spricht und ihrem Baby, sowie einem einheimischen Priester, der krampfhaft versucht, die alten Rituale aufrecht zu erhalten, obwohl er mehr an den Glauben glaubt als an die Götter.


    Im Buch geht es darum, wie Religionen entstehen und was sie aufrecht erhält, aber auch darum, das zu tun was wichtig ist, um Werte, Freundschaft, Loyalität und den Abbau von Vorurteilen. Es geht darum, Dinge kritisch zu hinterfragen und es ist eine Einführung in wissenschaftliches Denken und Arbeiten. Der Autor hinterfragt Kolonialismus, die Überheblichkeit der Industriestaaten gegenüber den sogenannten "Entwicklungsländern" und unser Weltbild (das im Roman buchstäblich auf den Kopf gestellt wird). Quantenphysik und multiple Universen spielen auch eine Rolle.


    Der Humor ist eher leiser als in den Scheibenwelt-Romanen. Es gibt schon humorvolle Stellen, aber das Buch ist eher philosophisch und teilweise auch sehr traurig und tragisch und es beschönigt nichts. Am Anfang kommt Mau nicht etwa auf eine leergespülte Insel, sondern da liegen Leichen seiner Angehörigen, die er erstmal bestatten muss.


    Ich liebe Terry Pratchetts Metaphern. Zum Beispiel: "Die Stille fiel wie ein Hammer, der aus Federn gemacht war." Und einige Zitate sind so schön, dass ich gerade bedauere, dass ich sie nicht gleich markiert habe. Die Kapitelüberschriften sind eine Geschichte für sich: "It takes a lifetime to learn how to die" oder "Believing is seeing." Teilweise war mir die Botschaft ein bisschen zu dick aufgetragen, ich mag es lieber ein bisschen subtiler. Aber trotzdem war es ein schönes Buch, das zum kritischen Denken anregt.


    Scheibenwelt-Romane sind auf Englisch ja nicht immer einfach zu lesen (und auf Deutsch sind sie nicht lustig), aber "Nation" kann meiner Meinung nach jede Eule lesen, die Bücher wie Harry Potter auf Englisch lesen kann. Obwohl ich bei einigen Wortspielen trotzdem froh bin, dass ich sie nicht übersetzen muss.


    Über den Autor


    Terry Pratchett, geboren 1948, fand im zarten Alter von 13 Jahren den ersten Käufer für eine seiner Geschichten. Heute zählt der kleine Mann mit dem großen schwarzen Schlapphut zu den erfolgreichsten Autoren Großbritanniens und ist einer der populärsten Fantasy-Autoren der Welt. Seit 1983 schreibt er Scheibenwelt-Romane. Inzwischen widmet er sich ganz seiner Schöpfung, und seine Gemeinde wird täglich größer. Dabei ist er zweifellos der Autor mit dem skurrilsten ehemaligen Beruf: Er war jahrelang Pressesprecher für fünf Atomkraftwerke beim Central Electricity Generating Board. Nach eigener Auskunft hat er nur deshalb noch kein Buch darüber geschrieben, weil es ihm ja doch keiner glauben würde. Seinen Sinn für Realsatire hat der schrille Job jedenfalls geschärft. Ansonsten wohnt der Große Terry, wie ihn seine Fans zu nennen pflegen, mit seiner Frau Lyn in der englischen Grafschaft Wiltshire. Dort schreibt er an seinem nächsten Scheibenwelt-Roman oder diskutiert mit seinen Fans im Internet.
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  • Ich habe diese Ausgabe hier gelesen. Sie enthält zwei Weltkarten (der alternativen Welt, die aber fast so aussieht wie unsere), eine Karte von "The Nation", die Vorsatzblätter sind Fotos des Sternenhimmels der nördlichen und südlichen Hemisphäre und die einzelnen Kapitel sind jeweils illustriert.
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  • Vielen Dank für die Rezi, da habe ich gleich wieder ein Buch mehr, auf das ich warten kann ;-). Nur die Frage wie die Übersetzung bei der deutschen Ausgabe sein wird, Bernhard Kempen soll es ja angeblich nicht so gut übertragen können wie Andreas Brandhorst :gruebel ...

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • saz : Ich denke, Kempen muss sich insbesondere in das Scheibenwelt-Multiversum noch einarbeiten. Bei seiner ersten Übersetzungsarbeit ("Schöne Scheine") hat er deutlich gezeigt, dass ihm einerseits das Gefühl für Pratchetts Sprachwitz und andererseits einige Kenntnisse bezüglich der Scheibenwelt-Eigenarten noch fehlen. "Nation" aber ist kein Scheibenwelt-Roman. Kempen ist an und für sich kein schlechter Übersetzer - ganz im Gegenteil.

  • Bei diesem Buch gibt es keine scheibenwelttypischen Wortspiele zu übersetzen. Da würde ich mir nicht allzuviele Sorgen machen. Wobei...einige Wortspiele gibt es schon. Aber nicht in der Fülle der Scheibenwelt-Romane.

  • Der Klappentext der deutschen Ausgabe (Mir viel zu reißerisch):


    Eine kleine Insel, ein vernichtender Sturm, und für zwei außergewöhnliche Helden beginnt das größte Abenteuer ihres Lebens


    Einen Monat hatte Mau allein auf einem winzigen Atoll im großen Pelagischen Ozean verbracht. Als Junge hatte er seine Familie verlassen, als Mann kehrt er nun heim zur Insel des Lichts. Doch am Tag seiner Rückkehr zieht ein vernichtender Sturm auf, und eine gigantische Welle tötet alle Bewohner seiner Heimat. Doch Mau ist nicht allein auf seiner Insel:
    Eines Tages steht ein fremdes weißes Mädchen vor ihm - Daphne, die einzige Überlebende des gestrandeten Segelschiffs "Sweet Judy" und eine entfernte Verwandte der königlichen Familie. Zusammen mit ihr, einem fluchenden Schiffspapagei und weiteren Gestrandeten wagt Mau einen neuen Anfang. Gemeinsam bieten sie dem Schicksal die Stirn und stellen sich dem größten Abenteuer ihres Lebens


    Meine Meinung:


    Das deutsche Buch ("Eine Insel") ist erschienen und war meine vor-Ostern Lektüre. Das Buch schlägt durchaus leisere Töne an als die Scheibenweltromane aber ist nicht weniger beeindruckend! Die Begegnung zwischen Mau, der nach seinem Glauben seelenlos irgendwo zwischen Mann und Junge ist, und dem "Geistermädchen", der hellhäutigen Daphne, das über sich hinauswachsen muss ist sehr schön gestaltet. Es geht um Vorurteile auf beiden Seiten und wie man sie überwindet, aber auch darum, dass man mit Traditionen und Religionen brechen muss um miteinander zu leben und weiterzukommen.



    Ich bin im antiken Ägypten und in entfernten Galaxien.
    Ich bin ein starker Held, ein ängstliches Kind und eine verführerische Frau.
    Ich habe gekämpft, geforscht, gehasst und geliebt.
    Danke Buch!
    Mein Blog

  • Der Tsunami und die Theodizee



    Nachdem der gewaltige Tsunami im Jahr 2004 mehr als zweihunderttausend Menschen getötet hatte, gab es viele Gottesdienste. Es gab aber außerdem sehr viele Gläubige, die sich (wieder einmal) fragten, wie ein allmächtiger und allgütiger Gott etwas wie diese Katastrophe zulassen konnte. Mit dieser – bis heute unbeantworteten - Frage befassen sich Philosophen und Theologen seit Jahrhunderten; sie ist so berühmt, dass sie einen eigenen Namen bekommen hat: Man bezeichnet dieses Problem als die „Theodizee“.


    Der junge Mau muss einen Monat auf einer einsamen Insel verbringen, sich in dieser Zeit selbst ernähren und schließlich ein Kanu bauen, um zu seiner Heimatinsel, der „Nation“, zurückkehren zu können. Das ist der Initiationsritus. Erst danach wird er eine Seele besitzen – und ein Mann sein.


    Als er gerade auf dem Heimweg ist, kommt die Welle. Sie vernichtet alles, auch fast den jungen Mau, aber er schafft es doch noch, die Insel zu erreichen. Nur ist von seinem Zuhause nicht mehr viel übrig – vor allem aber kein anderer Mensch mehr. Seine ehemalige „Nation“ besteht nur noch aus ihm selbst und vielen, vielen Leichen. Mau bestattet seine ehemaligen Mitmenschen wie in Trance, und während er das Ritual stundenlang wiederholt, merkt er nicht einmal, dass er doch nicht ganz alleine ist: Die Welle hat außerdem ein Schiff angespült, und einzige Überlebende der Besatzung ist ein junges britisches Mädchen. Die schließlich stattfindende Begegnung ist zunächst von Erschrecken und Erstaunen geprägt, aber schließlich nähern sich die beiden an, bilden eine Zweckgemeinschaft, lernen voneinander. Als nach und nach andere Opfer, schwer verletzt und unterernährt, von den Nachbarinseln auf der „Nation“ eintreffen, übernehmen Mau und das „Geistermädchen“ Daphne die Verantwortung. Mau hört zwar die Stimmen im Kopf, die ihn ermahnen, die „Gottesanker“ wieder aufzustellen, jene weißen Steine am Ufer, die ins Meer gespült worden sind, und all die anderen religiösen Regeln zu beachten, die seine Gemeinschaft zuvor geprägt haben, aber andere Dinge sind wichtiger, nicht zuletzt das Überleben selbst. Und davon abgesehen hat der Junge ja keine Seele.


    Der Fantasyautor Terry Pratchett hat mit dieser Parabel seinen Beitrag zur „Theodizee“ vorgelegt. Der Moment der Vernichtung ist eine gute Gelegenheit, um all die Regeln, Mythen und Rituale zu hinterfragen. Mau und Daphne entscheiden sich, pragmatisch vorzugehen, und, siehe da: Es funktioniert. Sogar besser als vorher. Schließlich entdecken sie auch noch das große Geheimnis der Insel, finden heraus, dass die „Gottesanker“ ganz andere Ursprünge haben, als jahrhundertelang vermutet wurde. Die vergleichsweise simple, aber kunstvoll vorgetragene Botschaft lautet: Wenn man sich traut, die Dinge zu hinterfragen, muss man sich nicht mehr den Kopf zerbrechen, um Mythen aufrechtzuerhalten.


    Am Ende trägt Pratchett etwas zu dick auf, und es wäre sicher nicht nötig gewesen, Richard Dawkins noch zu erwähnen, um die Intention hervorzuheben. Davon abgesehen aber bietet „Die Insel“ spannende, spektakuläre, lustige, traurige, fesselnde und erhellende Lektüre. Eine schöne Parabel über den Glauben, die Theodizee, Selbstbewusstsein und die wirklich wichtigen Dinge im Leben.

  • :bonk Ich grantle gerade ein wenig mit mir selbst.
    "Pratchett nur im Original!" lautet eine meiner heiligen (*g*) Regeln, die ich bei diesem Buch erstmals gebrochen habe. Ich hätte es bleiben lassen sollen.


    Meine Meinung:
    Mir fehlt der leisere Humor zwischen den Zeilen, den ich sonst von Terry Pratchett gewohnt bin. Ich hoffe, der ist nur bei der Übersetzung flöten gegangen. Weiß ich aber nicht, daher mein vorsichtiges Urteil: nicht der beste Roman von Terry Pratchett, aber damit immer noch um Längen besser als so mancher andere!

  • Terry Pratchett: Eine Insel


    Anders als die lange Liste der sogenannten Scheibenwelt-Romane steht das neueste Werk des britischen Fantasy-Autors Terry Pratchett gänzlich auf eigenen Füßen und in sich völlig abgeschlossen dar. „Eine Insel“ (englischer Originaltitel „The Nation“) setzt dabei auch deutlich weniger den Fokus auf Humor, denn auf Denkanstöße: Allem voran zum Atheismus und zur Globalisierung.


    Im Zentrum des Buches steht der Teenager Mau, der auf einer überschaubaren Insel – der sogenannten Nation – im Pelargischen Ozean aufgewachsen ist. Just als er sein einsames Initiationsritu al auf einer Nachbarinsel beenden, zu seiner Familie zurück kehren und als geachteter Mann weiterleben will, wird die Inselwelt von einer zerstörerischen Welle erfasst.


    Mau steht der Zerstörung und den Todesopfern fassungslos gegenüber, bis er erkennt, dass nur er die Nation im Sinne seiner Vorväter weiterführen kann. Zeitgleich entdeckt er das auf der Insel gestrandete englische Forschungsschiff und dessen einzige Überlebende: das annähernd gleichaltrige Mädchen Daphne.


    Durch das Zusammenleben von Daphne und Mau werden zum einen die kulturellen Unterschiede, aber vor allem auch die ur-menschlichen Gemeinsamkeiten deutlich. Ab diesen Kapiteln scheint Pratchett den jungen Lesern dieses Jugendromans etwas mit auf den Weg geben zu wollen. Die Botschaften sind subtil in den weiteren Verlauf der Geschichte eingewoben und möglicherweise erst zum letzten Drittel des Buches überhaupt als solche zu erkennen.


    Mir persönlich hat zwischenzeitlic h ein Spannungsbogen gefehlt oder zumindest eine schwach schimmernde Linie, wohin mich diese Erlebnisse um Mau und Daphne wohl nun führen werden? Insgesamt ist es ein eher ruhiges Buch, gewürzt mit feinem Wortwitz und einer wie ich finde grandiosen Covergestaltung !

  • Zu diesem Buch gibt es ja bereits einige sehr aussagekräftige Rezensionen, die ich durchaus unterschreiben kann. "Eine Insel" ist ein recht philosophisches, von der Perspektive her interessantes und mit allerlei Gedanken angefülltes Buch, das mich sehr positiv überrascht hat und das ich sehr gerne gelesen habe, auch wenn die eigentliche Botschaft schon fast mit dem Holzhammer vermittelt wurde.
    Besonders gut gefallen hat mir die Mischung aus Ernsthaftigkeit und leisem Humor; ich empfinde Pratchett generell als begnadeten Erzähler, auch wenn er mit manchen Büchern auch schon einmal grob danebengehauen hat. Das Ende ist mir dann fast ein wenig zu viel Wohlgefallen und Gutmenschentum, aber es handelt sich ja auch um ein Jugendbuch, so ist das durchaus verzeihlich.
    Jedenfalls ist "Eine Insel" in meinen Augen zusammen mit "Ein gutes Omen" Pratchetts bislang bestes Buch abseits der von mir geliebten Scheibenwelt. Ich hoffe, er ist trotz seiner Alzheimer-Erkrankung noch lange in der Lage, solch kluge Bücher zu schreiben.

  • Durch eine riesige Welle werden sämtliche Bewohner von Maus Heimatinsel getötet, Mau selbst überlebt nur, weil er sich auf einer anderen Insel aufhielt. Durch die selbe Welle wird das Schiff „Sweet Judy“ auf der Insel angespült, auch auf ihr gibt es nur eine Überlebende: Ermintrude Fanshaw, eine junge englische Adelige. Nach und nach landen Überlebende auf der Insel, alle müssen versuchen, mit der Katastrophe fertig zu werden und ihr Leben weiter zu leben.


    Ein ungewohnt ernster Roman Terry Pratchetts, dem selbst eine persönliche Katastrophe wiederfuhr, als bei ihm 2007 Alzheimer diagnostiziert wurde. „Eine Insel“ wurde im Original 2008 veröffentlicht, ich habe mich beim Lesen mehrmals gefragt, ob der Autor hier auch seine eigene Trauer verarbeitet.


    Vor allem Mau, der alles verloren hat, muss neben dem Überleben auch viel Trauerarbeit leisten. Der Roman nimmt das sehr ernst, bietet aber auch Hoffnung und macht Mut. Mau meistert sein Leben mit Einfallsreichtum, Nichtaufgeben, Mut, Verantwortungsbewusstsein (auch für andere), gleichzeitig stellt er auch manche überkommene Traditionen in Frage. Hier hat mich der Roman auch immer wieder an die Tiffany-Weh-Romane erinnert, die immer ernster wurden und vor allem auch zunehmend schwierigere Themen anpackten.


    Trotz all der ernsten Töne gibt es auch humorvolle Passagen, vor allem rund um Ermintrude, die sich nun Daphne nennt, denn dieser Name hat ihr schon immer besser gefallen und auf der Insel kennt niemand ihren richtigen Namen. Sie, die viktorianisch erzogen wurde, muss auf der Insel ihre ganze Erziehung in Frage stellen. Allerdings war sie schon immer sehr wissensdurstig, was in ihrer Kindheit von ihrem Vater unterstützt wurde, so dass es ihr letztlich nicht wirklich schwer fällt. Trotzdem gibt es zwischen ihr und Mau einige kulturelle Missverständnisse, die einen schmunzeln lassen.


    Viktorianische Erziehung? Spielt der Roman etwa in der realen Welt? Ein kurzer Blick auf die abgedruckte Weltkarte lässt das zunächst vermuten, ein zweiter dann nicht mehr: „Wiedervereinigte Staaten“? „Großer Südlicher Peleagischer Ozean“? „Hinter- und Vorderaustralien“? Ganz offensichtlich befinden wir uns in einem Paralleluniversum, das aber dem unseren sehr ähnlich ist, Vieles kommt einem sehr bekannt vor.


    Pratchett findet sich ausgesprochen gut in die Gefühlswelt seiner jungen Protagonisten ein, aus deren Perspektive der Roman fast durchgehend erzählt wird. Besonders gut gelungen sind ihm Maus Gefühle, als er nach Hause kommt und das Ausmaß der Katastrophe erkennt, sich aber (noch) nicht seiner Trauer hingeben kann, da er sich erst noch um die Toten kümmern muss.


    Das Buch ist äußerst liebevoll gestaltet, neben der schon erwähnten Weltkarte (die übrigens hinten auf dem Kopf steht, was erst durch die Lektüre des Romans verständlich wird …), und einer Karte der Insel, gibt es zu jedem Kapitel eine passende Illustration, und auch das Cover passt sehr gut zum Roman. Terry Pratchett liefert ein Nachwort und natürlich gibt es auch (wenn auch nicht ganz im üblichen Maß) seine typischen Fußnoten. Das letzte Kapitel blickt, von der Erzählung aus gesehen, in die Zukunft und beantwortet letzte offene Fragen.


    Ein sehr gelungener Roman für Jugendliche und Erwachsene, der zum Nachdenken anregt und Mut macht. Ich wünsche dem Roman viele Leser und empfehle ihn uneingeschränkt. Für Terry-Pratchett-Fans, die vorwiegend seine Scheibenwelt-Romane lesen, dürfte der Roman zunächst etwas ungewohnt sein, doch, wer dranbleibt, wird auch hier den Autor wiederfinden.