Rolf Lappert - Nach Hause schwimmen

  • Inhalt:
    Wilbur, gerade mal 1,50 Meter groß, ist wirklich kein Glückskind: Seine irische Mutter stirbt bei der Geburt, sein schwedischer Vater macht sich aus dem Staub, und sein erstes Zuhause ist der Brutkasten. Erst als seine Großeltern ihn nach Irland holen, erfährt er, was Heimat ist. Doch das Glück währt nicht lang: Sein bester Freund kommt in die Erziehungsanstalt, und seine Großmutter Orla stirbt bei einem Unfall. Auch wenn er gern so stark wäre wie Bruce Willis: Er ist und bleibt ein Verlierer. Erst die charmante Aimee bringt ihm etwas anderes bei: Wilbur muss endlich lernen, zu leben - ob er will oder nicht. Rolf Lappert hat einen großen Roman über das Erwachsenwerden eines kleinen, an der Welt verzweifelnden Jungen geschrieben, der durch seine bezwingende Komik mitreißt.
    Das Buch steht auf der shortlist des Deutschen Buchpreises 2008


    Der Autor:
    Rolf Lappert wurde 1958 in Zürich geboren und machte eine Ausbildung zum Grafiker. Er unterbrach für längere Zeit das Schreiben und gründete mit einem Freund einen Jazzclub. Zwischen 1996 und 2004 arbeitete er als Drehbuchautor, unter anderem für eine Serie des Schweizer Fernsehens. Heute lebt Rolf Lappert als Autor in Listowel, County Kerry, Irland.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch gefällt mir ausnehmend gut, auch wenn es mich anfänglich an Irvings tolles Buch "Gottes Werk und Teufels Beitrag" erinnert:
    -Der Name Wilbur wird nach Liste ausgesucht, er ist anfänglich im Waisenhaus, das außerhalb der Stadt liegt und der Heimleiter kümmert sich um ihn, bis er von seiner Verwandtschaft nach Irland geholt wird.
    Aber das tut dem Buch keinen Abbruch.
    Bei seinen Großeltern in Irland verlebt er glückliche Tage, bis seine Großmutter stirbt.
    Es beginnt eine Odysee durch Pflegefamilien und Jugendbesserungsanstalten. Die Suche nach seinem Vater gerät zum Fiasko.
    Wilbur entwickelt sich zum Neurotiker und begeht einen Selbstmordversuch.


    Mit dem Selbstmordversuch beginnt das Buch. Das Buch wird in zwei Erzählsträngen erzählt.
    Im ersten Strang berichtet ein Erzähler über Wilburs Leben vor dem Suizidversuch und im zweiten Erzählstrang erzählt Wilbur selbst über sein Leben nach dem Suizidversuch.

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Bei mir ist es leider nur ein Leihbuch :cry


    aber es lohnt sich, buzzaldrin :-)


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Rolf Lappert hat heute für diesen Roman den Schweizer Buchpreis mit Preisgeld 50 000 Franken gewonnen.


    Er konnte sich durchsetzen gegen:
    Lukas Bärfuss "Hundert Tage"
    Anja Jardine "Als der Mond vom Himmel fiel"
    Adolf Muschg "Kinderhochzeit"
    Peter Stamm "Wir fliegen"


    Gratulation für diesen Erfolg auch an den Carl Hanser-Verlag!

  • buzzaldrin :
    da bin ich ja mal auf dein abschließende Meinung gespannt! :-)


    :wave



    :lesend Olga Flor - Kollateralschaden

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • „Als er geboren wurde, starb seine Mutter“. Mit diesem tragischen Satz beginnt die Geschichte von Wilbur Sandberg. Sein Vater kann die Nachricht vom Tod seiner Frau nicht ertragen und verschwindet noch am selben Morgen aus dem Spital und damit aus dem Leben des Neugeborenen Wilbur. Von da an lernen wir als Leser die unterschiedlichsten Personen kennen die sich um den heranwachsenden Wilbur kümmern. Da sind die Krankenschwestern Lorraine und Edna die sich dem Waisenkind annehmen und ihn auf den Namen Wilbur taufen um ihn dann wegen einer flüchtigen Bekanntschaft bzw. einer neuen Arbeitsstelle verlassen. Im Waisenhaus kümmert sich die Frau des Heimleiters Alice Krugshank um den jungen Wilbur und möchte ihn am liebsten adoptieren. Von seinen Familienangehörigen wird er von Alice weggenommen und zu seiner Verwandtschaft nach Irland gebracht. Dort trifft er auf seine Grossmutter Orla die zu seiner grossen und wichtigsten Bezugsperson wird. Orla bedeutet für Wilbur die Welt.


    In der Zeit des Zusammenlebens mit Orla lernt der Leser Wilbur als sonderbaren, kleingewachsenen und schmächtigen in sich gekehrten aber auch als feinfühligen, sensiblen und vor allem als hochintelligenten Jungen kennen. Er erfährt weshalb er Wasser nicht mag ja sogar Angst davor hat und wie sich die erste Freundschaft zu einem gleichaltrigen Jungen entwickelt. Das ausgerechnet sein Freund Connor die Tragödie auslöst die Wilburs Leben dramatisch verändert lässt sich da noch nicht erahnen.


    Nach diesem Schicksalsschlag lernen wir als Leser noch viele Personen kennen die in das nun etwas melancholische, orientierungslose Leben von Wilbur treten. Manche vermögen den Lebensweg etwas mehr zu beeinflussen und sind wichtige Personen wie etwa Aimee oder Matthew andere sind blosse Randerscheinungen. Mehr möchte ich zur Geschichte nicht mehr verraten.


    Rolf Lappert hat einen sehr detailverliebten und bildhaften Schreibstil. Alle Protagonisten und Orte, und dies sind in dieser Geschichte nicht wenige, werden sehr umfangreich beschrieben. Es gelingt dem Autor diesen Personen, Orte oder manchmal auch Gegenständen ein Leben einzuhauchen und diese dem Leser vor dem inneren Auge zu bildhaft zu erscheinen zu lassen. Ausserdem verwendet er manchmal skurrile und ungewöhnliche Beschreibungen die mir immer wieder ein Schmunzeln entlockten. Negativ ist, das Rolf Lappert bei einige Figuren die nur kurz auftreten und eher unwichtig für den Werdegang von Wilbur sind, zu viel Zeit und Worte braucht um diese wortgewaltig auszustaffieren.


    Der Plot ist aufgeteilt in zwei Erzählstränge die sich nach jedem Kapital laufend abwechseln. Der eine befasst sich laufend mit dem Leben von Geburt an und der zweite nachdem sich der lebensmüde Neurotiker Wilbur versucht hat sich das Leben durch ertrinken zu nehmen.


    Für mich ein schönes Buch dessen lesen ich mehrheitlich genossen habe. Man muss den etwas melancholischen Grundton richtig einordnen und die schlussendlich lebensbejahende Haltung erkennen. Zwischendurch hat es doch einige Längen und manchmal ist der Autor mit den Beschreibungen etwas übers Ziel hinausgeschossen und hat etwas „zuviel“ erzählt. Insgesamt vergebe ich jedoch starke 8 von 10 Punkten.

  • Mir hat "Nach Hause schwimmen" sehr gut gefallen, auch wenn - wie sapperlot schon schrieb - an einigen Stellen zu ausführlich auf Nebenfiguren eingegangen wurde, was den Lesefluß ein wenig minderte. Überhaupt ist auffällig, welch enorme Menge an Figuren der Autor aufwartet, um Wilburs Leben zu erzählen; nach den 600 Seiten habe ich das Gefühl, eine weitaus größere Anzahl gelesen zu haben. Aufgrund dieses üppigen und durchaus ansprechenden Erzählstils wirkt Wilburs Leben aber auch sehr realistisch, man hat das Gefühl, diesen komischen kleinen Kerl tatsächlich eine lange Zeit begleitet zu haben und nimmt Anteil an seinem Schicksal voller Aufs und Abs.
    Nebenher runterlesen funktioniert bei diesem Buch jedenfalls nicht; man muß schon einiges an Zeit und Konzentration investieren und wird dafür mit einer richtig guten Geschichte belohnt, die stellenweise brillant ist und nicht nur anfangs an den Erzählstil von John Irving erinnert, mitunter aber auch ein wenig langatmig und zu detailverliebt, wofür es einen Punkt Abzug von mir gibt.
    Bleiben also starke 9 Punkte.