Die Hochzeitsgabe - Geraldine Brooks

  • OT: People of the Book


    Kurzbeschreibung:
    Die Leidenschaft der jungen begabten Wissenschaftlerin Hanna gilt alten Büchern, auf menschliche Beziehungen legt sie dagegen keinen großen Wert. Als sie eines Tages nach Sarajevo gerufen wird, wo sie eine kostbare Haggadah, ein jüdisches religiöses Buch aus dem 15. Jahrhundert untersuchen soll, ahnt sie nicht, dass dieser Auftrag ihr Leben verändern wird. Denn kaum kommt sie mit dieser kostbaren Schrift in Berührung, wird sie hineingezogen in die Geheimnisse, die sie birgt: Jeder Fleck auf dem Einband, jeder Pinselstrich, jedes Haar, das darin liegt, gehört zu der Geschichte eines Menschen, letztlich zu der bewegten Geschichte Europas um Liebe, Glaubenskriege und politische Intrigen: Das Buch wurde, kurz nachdem es als Hochzeitsgeschenk gefertigt war, vor der spanischen Inquisition versteckt und befand sich seitdem auf einer abenteuerlichen Odyssee durch Europa. Hannah findet im Zuge der Arbeit an dem historischen Dokument mehr und mehr zu sich selbst und erkennt eines Tages, dass auch sie bereits längst ein Teil dieser Geschichte geworden ist ...


    Bei amazon gibt es eine kleine Leseprobe.


    Über die Autorin:
    Geraldine Brooks wurde 1955 in Sydney geboren und bereiste elf Jahre lang als Auslandskorrespondentin des "Wall Street Journal" verschiedene islamische Länder, darunter Bosnien, Somalia und den Mittleren Osten. Heute lebt sie in Virginia. Für ihre Reportagen über die palästinensische Intifada, den Iran-Irak-Konflikt und den Golfkrieg wurde sie mehrfach ausgezeichnet.


    Meine Rezension:
    Geraldine Brooks kann erzählen, das hat sie schon mit "Das Pesttuch" bewiesen, das mir sehr gut gefallen hat. Und das stellt sie in "Die Hochzeitsgabe" erneut unter Beweis. Im Mittelpunkt steht die (tatsächlich existierende!) Haggadah von Sarajevo, eine wertvolle und reich illustrierte Schrift aus dem 15. Jahrhundert. Gemeinsam mit der Buchkonservatorin Hanna begeben wir uns auf Spurensuche und versuchen anhand von Indizien zu ergründen, welche Stationen das Buch in den letzten 500 Jahren bereist hat. Dabei verfolgt Hanna klitzekleine Details (wie z.B. ein weißes Haar oder einen Weinfleck), die ihr als Kennerin sofort in und an dem Buch auffallen. Soweit nichts Ungewöhnliches - bis dahin, wo die Autorin direkt in die entsprechende Zeit springt und quasi wie in einem Film die "tatsächliche" Episode über den Fund erzählt. Bemerkenswert dabei ist, dass es sich hierbei um komplexe und vollständige Geschichten in der Geschichte handelt, die so authentisch und lebendig sind, dass man zwischendurch vergisst, dass die Rahmenhandlung ja in den 90er Jahren spielt und nicht z.B. in Sarajevo im 2. Weltkrieg oder in Venedig im Jahr 1609. Damit schafft Brooks eine wunderbar spannende und glaubwürdige Geschichte, denn ausnahmslos alle ihre Figuren und beschriebenen Epochen sind sehr gut gelungen. Ein toller und spannender Mix aus Gegenwart und Vergangenheit, der für mich ein echtes Lesevergnügen war, das ich ohne Bedenken mit 9 Punkten bewerte!


    Übrigens: Im sehr informativen Nachwort erklärt die Autorin, welche Aspekte ihres Romans auf Tatsachen beruhen und welche ihrer Fantasie entspringen.

  • kurz vor der Ankunft in Hannover war erkennbar, dass mir spätestens auf der Rückfahrt der Lesestoff ausgehen würde :wow
    Zum Glück gibt es am Hannoverschen Bahnhof Bücher in reicher Auswahl , und gleich das erste, das mir in die Finger kam, versprach mir spannende Lesestunden bis Konstanz.


    Tatsächlich hielt es viel mehr als das.
    Ich hatte dieses Jahr bislang ein nahezu unverschämtes Glück in der Auswahl meiner Bücher - feine Sachen waren darunter, nur ein einziger Flop, aber kaum eines hat es geschafft, mich von der ersten Seite derart in seinen Bann zu ziehen wie dieses.


    Hanna Heath ist gebürtige Australierin und Spezialistin für wertvolle alte Bücher. Im Jahre 1996 erhält sie den Auftrag, in Sarajevo (eine Stadt, in der der erst jüngst zu Ende gegangene Krieg sicht- und spürbare Spuren hinterlassen hat) ein besonderes Buch buchstäblich genauer unter die Lupe zu nehmen: eine Haggadah, ein jüdisches Gebetsbuch. Während sie sich Stück umd Stück mit dem Buch vertraut macht, entdeckt sie Hinweise auf seine Geschichte: ein Stück eines Insektenflügels, fehlende Silberspangen, ein Weinfleck, Salzkristalle, ein eigentümliches weißes Haar. Um herauszufinden, wobei es sich genau handelt und aus welcher Zeit diese Hinterlassenschaften stammen, sucht sie verschiedene Experten auf.


    Das sind die Momente, in denen das Buch die Zeitebene wechselt. Eine Episode dieser Haggadah nach der anderen wird erzählt - UNS erzählt, nicht Hanna. Sie weiß nichts von diesen Ereignissen, wir als Leser aber schon, was ich eine besonders schöne Idee finde. Sarajevo im Zweiten Weltkrieg, Wien kurz vor der Jahrhundertwende, Venedig 1609, Tarragona während der Reconquista, schließlich Sevilla unter maurischer Herrschaft - auf diese Stationen in der GEschichte und Reise des Gebetbuches entführt uns der Roman.


    Parallel dazu ereignet sich auch in Hannas Leben einiges, das sowohl sie als auch ihre Sicht der Dinge massiv verändern wird.


    Ich habe ohnehin sehr dicht am Wasser gebaut, und Bücher berühren mich oft sehr stark - aber SO sehr ging mir schon einige Zeit keines mehr unter die Haut, nicht in dieser Intensität, nicht auf diese Weise. Dass ich meine Tränen tapfer weggeblinzelt habe, ist alleine der Tatsache geschuldet, dass ich 2/3 des Buches in einem übervollen ICE und einem noch volleren Regionalexpress gelesen habe und ich nicht vor einem solch großen Publikum losheulen wollte :schaem


    Es ist ein Buch über das, was Menschen einander antun - aber auch, zu welch guten Taten Menschen fähig sind. Was Menschen einander bedeuten und welche Grenzen Freundschaft und Liebe überwinden können - und manchmal eben auch nicht. Der Roman beschäftigt sich mit Vergänglichkeit und dem Überdauern, mit der Koexistenz der großen Religionen Christentum-Judentum-Islam, aber auch mit ihrer Feindschaft und dem Bemühen, den jeweils anderen Glauben auszulöschen. Ein ganz, ganz starkes Buch!


    Ich war wirklich bis kurz vor Schluß überzeugt, mein Jahres-Highlight in den Händen zu halten - wäre nicht diese (für mich) plötzliche Wendung hin zu dem kleinen Kriminalfall gewesen. Das war mir zu abrupt, vor allem aber zu künstlich und zu aufgepfropft - das Buch ist auch so spannend genug, das hätte es nicht gebraucht (und rechtfertigt auf keinen Fall die vergleichende Erwähnung von Dan Browns "Da Vinci Code" im englischen Klappentext :rolleyes ).


    Sollte ich das restliche Jahr allerdings nichts mehr in die Finger bekommen, was dieses Buch zu toppen vermag (und ich habe noch so allerhandlei Feines auf dem brandneuen SUBchen :chen ) - dann bleibt es doch dabei: mein Jahres-Highlight :anbet
    ...weil es bei mir so ziemlich alle Saiten angeschlagen hat, die es bei mir gibt



    P.S.: Das war übrigens meine Ausgabe:

  • Das Pesttuch fand ich auch sehr interessant. Da war ich jetzt ganz aufgeregt, als ich die Vorankündigung für die Hochzeitsgabe gesehen habe. Und nach euren Beschreibungen lohnt es sich ja tatsächlich, es sich möglichst bald anzuschaffen. Vielen Dank. :wave

  • Leider entsprach mir das Buch gar nicht.


    Die Kriegserzählungen, die problematische Mutter-Tochter-Beziehung etc. pp fand ich störend, platt, vorhersehbar.


    Ich habe deshalb im Buch ab einem bestimmten Punkt nur noch die historischen "Geschichten" gelesen.


    Diese waren wie schon im Buch "Das Pesttuch" hervorragend.


    Ich gebe 4 Punkte.

  • es stört, nicht, ist einfach nur inspirierend,


    die Rahmenhandlung fand ich auch etwas konstruiert, deshalb nur 4 Punkte.


    Die Spannung und das Springen zwischen den erzählten Perioden.. die Entwicklung der Geschichte in zurück in die Vergangenheit,
    das Verbindenden: wenn Menschen in den verschiedenen Epochen den Wert dieses Kunstwerkes erkennen und für seine Rettung viel riskieren.