Milan Kundera: Die Unwissenheit

  • aus der Amazon Redaktion:


    Erzählt wird die schicksalhafte Geschichte der tschechischen Emigranten Irena und Josef, die nach "dem Verschwinden des Kommunismus" und persönlichen Odysseen aufgrund ihrer zufälligen Wiederbegegnung in Paris in den neunziger Jahren versuchen, an ihre während des Prager Frühlings und dessen Niederschlagung untergegangene Beziehung anzuknüpfen. Dabei müssen beide erkennen, dass ihr Leben bisher ohne jegliche Gewissheit vonstatten ging -- und ohne Gewissheit, ohne alte oder neue Heimat weitergehen muss.


    Hinterlegt wird das erzählerische Gesellschafts- und Beziehungspanorama in der für Kundera typischen Art mit allerlei essayistischen Einschüben, die -- nicht ohne autobiografischen Hintergrund -- von der Schwierigkeit des Lebens in der (Pariser) Fremde und einer -- vielleicht doch noch möglichen -- "großen Rückkehr" in die (Prager) Heimat handeln. Ein bezaubernder Roman über Heimweh und Sehnsucht, Emigration und Neuanfang, Sprachverlust und -neufindung, Vergessenwerden und Wiedererinnern, aber auch über die Unwägbarkeiten der Liebe und die (immer auch erotisch-flüchtige) Leichtigkeit des Seins


    Der Autor:


    Milan Kundera wurde 1929 in Brünn/Tschechoslowakei geboren. Nach dem Krieg schlug er sich als Arbeiter und Jazzmusiker durch, bevor er sich der Literatur zuwandte. Einige Jahre unterrichtete er an der Filmhochschule Prag und veröffentlichte zwei Bücher, "Der Scherz" und "Lächerliche Lieben". Nach dem sowjetischen Einmarsch 1968 verlor er seine Dozentur, die Bücher wurden aus allen öffentlichen Bibliotheken des Landes entfernt. 1975 folgte Kundera einem Lehrauftrag der Universität Rennes/Frankreich, 1979 entzog ihm die tschechische Regierung als Reaktion auf "Das Buch vom Lachen und Vergessen" die Staatsbürgerschaft. Die folgenden Romane durften in der CSSR nicht mehr veröffentlicht werden. Kundera lebt heute als französischer Staatsbürger in Paris. Er schreibt tschechisch und französisch.


    Meine Meinung:


    Ich hab es in der englischen Uebersetzung gelesen "Ignorance", das Original ist ja franzoesisch.


    Es geht darin um Exilanten, die nach 20 Jahren zum ersten Mal wieder zu Besuch in die Tschechei fahren. Eine Mischung aus Roman mit fiktiven Charakteren und Essays mit Kunderas Gedanken zum Thema, unterlegt mit Homers Odyssee.


    In einigen Szenen und Gedanken konnte ich mich selber gut wiederfinden, auch wenn es nicht direkt meine Situation waere. Ich denke viele der Gefuehle lassen sich auch auf "Umzuege" von Land zu Land oder innerhalb eines Landes uebertragen. Selbst Kunderas Ausfluege in Homers Odyssey machen da Sinn.


    Er beschreibt sehr gut die innere Zerissenheit der Charaktere, die selber nicht definieren koennen wo oder was 'Heimat' bzw. 'Heimweh' ist. Die Enttaeuschung ueber die Entfremdung von Familie und Freunden. Die Unfaehigkeit sowohl der Exilanten wie der Zurueckgebliebenen, die Veraenderungen der Zeit auf der anderen Seite zu erkennen.


    Es ist nicht einfach zu lesen, da aergere ich mich oefter ueber Kundera, dass er keine einfacheren Worte finden kann. Es lohnt sich aber dennoch sich durchzuarbeiten. Und nicht nur weil ich Kundera immer noch eine Chance geben will, wo wir doch beide an der gleichen Uni in Frankreich gearbeitet haben (Universite de Haute Bretagne, Rennes 2) :-)


    Fuer mich persoenlich ist es eines der Buecher, die in die Kategorie "lebensveraendernd" fallen, mir vieles ueber mich selber deutlich machen - tausend mal besser als jedes "self-help" Buch.


    Eine sehr interessante Rezension ist auch in der der New York Times, die diesen Titel als den bisher besten von Kundera sieht seit er auf franzoesisch schreibt:
    http://query.nytimes.com/gst/f…E38F937A35753C1A9649C8B63

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

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  • Ich fand's nicht so übermäßig prickelnd (Rezension von vor drei Jahren):


    Irena und Josef sind Exiltschechen, er lebt in Dänemark, sie in Paris, beide seit über zwanzig Jahren. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus sind es andere, die sie drängen, zurückzukehren, die "Heimat" wieder zu besuchen, das Exil zu beenden - ein Umstand, der nur von den Betrachtenden, von Dritten so empfunden wird, von den beiden Protagonisten jedoch mitnichten; sie fühlen sich heimisch dort, wo sie leben. Beide geben dem Drängen schließlich nach, begegnen sich auf dem Flughafen, eine flüchtige Jugendliebe erinnernd, sie mehr, er weniger. Angstvoll und situationskritisch erleben sie das Wiedereintauchen in eine Welt, die erinnert und geträumt anders aussah während der vergangenen Jahre.


    Kunderas bevorzugter Mix aus spröden Erzählkapiteln und manchmal etwas aufgesetzt und oberlehrerhaft wirkenden essayistischen Einstreuungen kann auf Dauer ermüdend wirken; in "Die Unwissenheit" fehlt dem analytischen und betrachtenden Anteil auch noch der Witz und die überraschende Kategorisierung, wie das in "Die unerträgliche Leichtigkeit" etwa zum Thema "Kitsch" noch der Fall war. Was bleibt, ist ein kurzes, leichtsprachliches Büchlein, das seine sachliche Botschaft über die Handlung quasi beispielhaft transportiert, wobei sich der Lern- oder Überraschungseffekt durchaus in Grenzen hält. Den Gedanken über Erinnerung, Nostalgie, Gedächtnis und Bindung, die den roten Faden darstellen, mangelt es an Exotik und Eigenständigkeit, Kundera formuliert Selbstverständliches, und das ist nie besonders unterhaltsam.

  • Habe fast alle Bücher von Milan Kundera gelesen und fand diese wahnsinnig toll.


    Milan Kundera hat einen Schreibstil der mir sehr sehr gut gefällt.


    Mein persönliches Lieblingsbuch von Milan Kundera ist allerdings "Das Leben ist anderswo".