Schöffling & Co Verlag, gebundene Ausgabe, 2008, 411 Seiten
Originalverlag: Chatto & Windus, Random House, London
OT: The Outcast
Übersetzt von Brigitte Walitzek
Kurzbeschreibung (Klappentext):
1945 kehrt Gilbert Aldridge aus dem Zweiten Weltkrieg zurück zu seiner Familie. Während er die beschauliche Routine des Kleinstadtlebens genießt, durchstreift sein Sohn Lewis mit seiner schönen, rastlosen Mutter die Wälder - bis an einem Sommertag unten am Fluss ein schreckliches Unglück geschieht. Lewis bleibt allein und verstört zurück. Wenige Monate später wird ihm die junge Alice als neue Stiefmutter vorgestellt.
Lewis lebt fortan als Fremder im eigenen Haus; er sucht Zuflucht im Alkohol und in heimlichen Exzessen in einem Londoner Nachtclub. Seine Trauer und Wut entladen sich schließlich in einer weiteren Katastrophe.
1957 kehrt der 19jährige Lewis nach zweijähriger Haft aus dem Gefängnis zurück. Ehemalige Freunde und Nachbarn begegnen ihm mit Misstrauen: Wer nicht ist wie die anderen, muss zum Außenseiter werden. Immer wieder versucht Lewis einen neuen Anfang zu finden; immer tiefer gerät er in einen Strudel aus Gewalt, Verzweiflung und enttäuschter Hoffnung.
Sadie Jones' Roman über den "Außenseiter" Lewis ist von überwältigender Schönheit, eine leidenschaftliche und immens spannende Geschichte darüber, was mit denen geschieht, die die Regeln brechen, aber auch darüber, welches Schicksal jene ereilt, die die Regeln aufgestellt haben.
Über den Autor:
Sadie Jones lebt mit ihrer Familie in London. Der Außenseiter ist ihr erster Roman.
Meine Meinung:
1945 kehrt Gilbert Aldrigde nach vierjähriger Abwesenheit aus dem Krieg in die englische Kleinstadt Waterford zurück. Er bricht damit in die enge Beziehung zwischen seinem siebenjährigen Sohn Lewis und seiner Frau Elizabeth ein.
Als Lewis 10 Jahre ist, ertrinkt seine Mutter auf tragische Weise. Bereits 5 Monate später wird ihm seine Stiefmutter Alice präsentiert.
Der Junge verstummt, zieht sich zurück. Lewis bekämpft seine Einsamkeit und innere Leere mit Selbstverletzungen und Alkohol.
Der innere Druck steigert sich dermaßen, ein kalter, abweisender Vater, eine junge, hilflose Stiefmutter und die Enge der Kleinstadt, dass es 1955 zur nächsten großen Katastrophe kommt.
Lewis muss für zwei Jahre ins Gefängnis.
Danach kehrt Lewis in seine Heimatstadt zurück. Von da an nimmt das Leben von Lewis einen wirklich dramatischen Verlauf.
Die Kälte der eigenen Familie und die Scheinheiligkeit der Bewohner von Waterford führen immer wieder zu explosionsartigen Ausbrüchen von Gefühlen, die in Gewalt münden.
Wie ein reinigendes Gewitter kehrt kurz sowas wie Normalität ein, bis sich die Wut und die Schuldgefühle in dieser verlogenen, sprachlosen, von Vorurteilen und Langeweile geprägten Welt, wieder aufschaukeln zur nächsten Eskalation.
Sadie Jones gelingt es die Gedankengänge und die psychische Entwicklung von Lewis genau darzulegen. Durch Perspektivwechsel gelingt es ihr, das ganze Ausmaß des Dramas erst richtig greifbar zu machen.
Der Roman spielt zwar zwischen 1945 und 1957, aber er könnte auch heute spielen. Gewalt gegen andere und sich selbst, emotionale Vernachlässigung, Alkohol und Ritzen prägen auch heute den Alltag vieler Heranwachsender. Auch das Bedürfnis, nach außen hin unbedingt den Schein zu wahren, schiebt jeden, der die Normen nicht einhält, ins Abseits, ohne der Möglichkeit aus der Rolle wieder herauszufinden.
Fazit:
Sadie Jones beschreibt atmosphärisch dicht das Heranwachsen eines Jungen, wie es auch heute sein könnte, die scheinheilige Welt der Normalität, die unbedingt erhalten werden muss und wie schnell man als Außenseiter abgestempelt werden kann.
Für mich ist das Buch auf jeden Fall ein Highlight des Jahres!
10 von 10 Punkten.