Eric Fosnes Hansen - Choral am Ende der Reise

  • Inhaltsangabe:
    OT Salme ved reisens slutt OA 1990 DE 1995Form Roman Epoche Moderne
    Erik Fosnes Hansen hat mit Choral am Ende der Reise einen Roman über die Titanic geschrieben, die 1912 mit etwa 1500 Menschen an Bord sank. In den sorgfältig recherchierten historischen Rahmen bettet er die fiktiven Lebenswege seiner sieben Protagonisten aus verschiedenen Ländern ein. Damit zeichnet er ein sozio-kulturelles Panorama Europas zu Beginn des 20. Jahrhunderts, einer Epoche, die geprägt ist von patriarchalischen Strukturen und Fortschrittsgläubigkeit. Die Havarie der Titanic wird bei Fosnes Hansen zum Symbol für den Untergang dieser Epoche.
    Inhalt: Sieben Musiker aus verschiedenen Ländern finden sich auf der Titanic als Ensemble zusammen, um auf der Jungfernfahrt Ragtime, Märsche und Choräle für die Passagiere zu spielen. Jeden der Musiker führt ein besonderes Schicksal an Bord. Während das Schiff auf die Katastrophe zusteuert, werden ihre Geschichten beleuchtet. Da ist der Kapellmeister Jason Coward aus London, Sohn eines Armenarztes mit einer Begabung für Naturwissenschaften und Musik; der Tod seiner Eltern und der Selbstmord seiner schwangeren Freundin lie-ßen ihn den Glauben an Gott und die Menschen verlieren. Er begann sich gegen seine Umwelt zu stellen und glitt sozial ab. Sein russischer Freund, der Violinist Alexander Bezhnikov, war nach dem Blutsonntag 1905 aus Sankt Petersburg nach London geflüchtet und hatte dabei seinen kleinen Bruder im Stich gelassen. Der kokainsüchtige Pianist, genannt »Spot«, der einst Leo Loewenhaupt hieß, aus Schwaben kam und ein blond gelocktes Wunderkind auf der Geige war, ging seinem Traum nach, Komponist zu werden; er endete arm, erfolglos und von seiner Familie verlassen. Der 18-jährige David Bleiernstern ist ein Jude aus der Wiener Bürgerschicht, dessen einziger Lebensinhalt die Liebe zu einem Mädchen war, das ihn verließ. Eher bizarr ist die Geschichte des alten Petronius Witt aus Rom. Sie handelt von einem seltsamen Vorfahren, der Liebe zum Marionettentheater und einem Geist in seinem Kontrabass. Der irische Bratschist Jim Reel ist gleichermaßen beseelt von dem Gefühl der Angst und der Freiheit auf dem Meer. Er ist befreundet mit dem Cellisten Georges Donner, einem feinsinnigen belesenen Franzosen, der die Kollegen über das Göttergeschlecht der Titanen, den Namensgebern der Titanic, aufklärt und dabei die griechische Mythologie anschaulich und chauvinistisch zugleich auf den Montmartre verlegt. Als auf dem sinkenden Schiff die Panik ausbricht, spielen die Musiker das Largo von Händel, bis auch sie bei dem Versuch sich zu retten getrennt werden.
    Struktur: Die Rahmenhandlung spielt sich chronologisch in jenen historischen fünf Tagen vom 10. bis zum 14. April 1912 ab, die die Jungfernfahrt der Titanic dauerte, bevor sie sank. Als Rahmengeschehen, das die Rückblicke der Musiker motiviert und verknüpft, werden das Schiff, sein Kapitän, die Mannschaft, die Bordküche, die Stimmung sowie die Passagiere beschrieben. Historische Details der Überfahrt werden mit dokumentarischer Genauigkeit wiedergegeben. Die Schicksale der Musiker, die jeweils eigene Kapitel bilden, sind hingegen frei erfunden; in inneren Monologen, im Gespräch oder in Form eines Briefs blicken sie auf ihr Leben zurück. Die historische und fiktive Ebene verbindet das parallele Motiv des Scheiterns; so sicher wie die Unsinkbarkeit der Titanic schien, so sicher schien auch der Weg der sieben Musiker in ein erfolgreiches Leben vorgezeichnet zu sein, doch ihre Träume und Hoffnungen erfüllten sich nicht.
    Wirkung: Choral am Ende der Reise wurde in etwa 30 Sprachen übersetzt und stand in Europa auf den Bestsellerlisten. Für den Roman erhielt Fosnes Hansen den norwegischen Literaturpreis »Riksmålsprisen« (1990). C. B.
    (amazon)


    Autor:
    Eric Fosnes Hansen wurde 1965 in New York geboren. Er wuchs in Oslo auf, wo er auch heute lebt. Zwei Jahre lang lebte und studierte er in Stuttgart -er spricht sehr gut deutsch.
    Er arbeitet als Rezensent und Literaturkritiker für die Zeitschrift "Afterposten" und schreibt Romane:
    1.Falkenturm
    2.Choral am Ende der Reise (Literaturpreis "Riksmalsprisen", 1990)
    3. Das Löwenmädchen


    Meine Meinung:
    "Choral am Ende der Reise" hat mir noch besser gefallen als "Das Löwenmädchen".
    Geschickt bindet der Autor die Lebensgeschichten der Musiker in die Rahmenhandlung ein.
    Der Autor schafft Bilder, die mich sehr gefesselt haben - wie soll ich es beschreiben? - ich konnte mit manchen Musikern mitfühlen.
    ein richtiger pageturner, intensiv -flott zu lesen.
    Der Untergang der Titanic wird -wie schon oben in der Inhaltsangabe zu lesen - zum Symbol einer untergehenden Ära.

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zitat

    Zitat Nicole:für eine ordentliche Rezi ist es bei mir zu lange her



    aber ich hoffe, meine Rezi ist ordentlich genug :gruebel


    :wave



    :biene

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • @ Conor


    Zitat

    Original von Conor
    aber ich hoffe, meine Rezi ist ordentlich genug :gruebel


    huch...
    natürlich, keine Frage! :wave
    Ich hab erst durch Deinen post gerafft, dass Du meinen Beitrag als Kritik verstehen könntest :wow
    So war das aber nicht gemeint; das bezog sich ganz alleine auf mich, weil ich nach der langen Zeit nicht mehr allzu viel über das Buch aus dem Gedächtnis zusammenkriege (Asche auf mein Haupt, eigentlich... :schaem).
    Sorry für das Mißverständnis! :knuddel1

  • Ist schon ok :knuddel1


    habe nur überlegt, ob du es auf dich beziehst oder meine Rezi meinst. :-)



    :flowers

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • nenee, das war rein auf mich gemünzt! :lache
    Aber gut, dass du's angesprochen hast, so konnte ich das Mißverständnis ausräumen, das ich da aus Versehen angerichtet hatte


    Freu mich schon auf Deine nächsten Rezis :wave

  • Ein ganz wunderbares Buch!! 1998 hab ichs gelesen und es würde sich absolut lohnen, es ein zweites Mal zu lesen, nach all den Jahren...

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Ich kann mich den positiven Stimmen nur anschließen!


    Meine Rezension:


    "Choral am Ende der Reise" ist eine fiktive Geschichte über die Musiker des Schiffsorchesters auf der Titanic, deren Untergang sich in diesem Jahr (2012) zum 100. Mal jährt. Dass sich Erik Fosnes Hansen für seinen Roman fiktive Charaktere ausgedacht hat und nicht über die tatsächlichen Titanic-Musiker berichtet, mag manchen Leser stören, doch wer es vorher weiß und somit keine falschen Erwartungen hegt, wird darüber auf jeden Fall hinwegsehen. Hansens Stärke liegt in seiner unheimlichen Erzählkraft, von der ein so starker Sog ausgeht, dass man sich ihr nicht entziehen kann und mitten im jeweiligen Geschehen wähnt. Von den sieben im Roman erwähnten Musikern wird (leider nur) auf fünf näher eingegangen, indem ihre ganz persönliche Geschichte erzählt wird, die mit dem Betreten der Titanic endet. Dazwischen werden die Ereignisse an Bord geschildert, vom Ablegen in Southampten, dem Alltag auf dem Luxusliner bis hin zu der Katastrophe in jener Nacht zum 15. April 1912. So unterschiedlich die fünf Musiker sind, so unverwechselbar sind ihre Geschichten, so prägend ihre Vergangenheit, ihre Motive und Hoffnungen und so differenziert die Sprache, in der sie erzählen. Hansen erweckt mit ihnen eine längst vergangene Epoche zum Leben, die mit dem Untergang der Titanic endete und beschreibt ihr Schicksal symbolisch für alle Menschen, die ihr Leben bei dem Untergang der Titanic ließen.


    9 Punkte von mir!