Ich lese ja immer wieder ´mal Jugendbücher, einfach des Interesses an der Lebenswelt Jugendlicher halber. Da ich mehrere Jahre im Ausland gelebt habe und nur schwer an deutschsprachige Bücher kam, bin ich jedoch nicht ganz auf dem neuesten Stand.
Letzte Woche habe ich in der Bücherei "Rote Linien" von Brigitte Blobel entdeckt.
Da mir der Name der Autorin noch aus meiner eigenen Jugendzeit her bekannt vorkam und innen geschrieben stand, daß sie bereits mehrfach für ihre Werke ausgezeichnet worden wäre, habe ich mir das Buch ´mal mitgenommen.
Klappentext meiner Ausgabe:
Eigentlich war Kitty immer eine gute Schülerin. Der Schulstoff fiel ihr nur so zu. Alle haben sie bewundert und Kitty war der Liebling der Klasse.
Aber seit ein paar Monaten ist das anders. Plötzlich kommt sie nicht mehr mit. Die Schule, die Lehrer, all das macht ihr auf einmal schreckliche Angst.
Sven ist der einzige, der merkt, daß Kitty wirklich Hilfe braucht. Professionelle Hile.
Aber da ist es schon fast zu spät.
Eigene Meinung:
Selten bin ich von einem Buch so enttäuscht worden...
Zum besseren Verständnis: Kitty ist ein 14-jähriges Mädchen, das sich selbst verletzt und nach einem Selbstmordversuch in die Kinder- und Jugendpsychiatrie kommt.
Über die fachlichen Aspekte kann man sicherlich streiten und da sich das Buch an junge Leser richtet, will ich meine Messlatte da gar nicht so hoch anlegen.
Allerdings ist schon der Klappentext teilweise ziemlich weit hergeholt, denn mit keinem Wort wird im Buch erwähnt, daß Kitty der Schulstoff "zuflog", sie "bewundert" wurde und der "Liebling der Klasse" war.
Aber gut, das wurde bei den neueren Ausgaben geändert.
Gut beschrieben war Kittys Gefühlswelt, ihre Gedanken und die für Außenstehende nicht nachvollziehbar erscheinenden Ängste.
Was ich aber - gerade bei einem Buch für Jugendliche - einfach nur gravierend fand, waren die sprachlichen Mängel sowie Grammatik- und Logikfehler !
Ob die in den neueren Ausgaben ausgebessert wurden, weiß ich nicht, aber auch 1999 hatten die Leser ein Anrecht auf gutes, fehlerfreies Deutsch.
Ein paar Beispiele:
- " <<Du hast da gesessen, als wenn du irgendwie total weg gewesen bist>>, hat er ihr später erzählt."
- "Das nächste Mal hat er sie vor der Schule gesehen, vor der ersten Stunde (Seite 26). (...kurze Begrüßung, 10 kurze Sätze...) Sven hat sich neben Kitty auf die Mauer gesetzt. (... kurze Beschreibung von Kittys Äußerem) Es hat zur Stunde geklingelt, zur zweiten. (Seite 27)"
Es wird weder erwähnt, daß in der Zwischenzeit etwas passiert noch plausibel erklärt, warum es auf Seite 26 vor der ersten Stunde ist und auf Seite 27 plötzlich schon die zweite.
- "(...) weil es gerade zum zweiten Mal klingelte. Wenn sie jetzt nicht gingen, würden sie zu spät kommen. (Seite 27)"
Normalerweise klingelt es nur vor der ersten Stunde bzw. vor Pausenende zwei Mal ... auf nur zwei Seiten hat die Autorin ein heilloses Durcheinander zwischen den Uhrzeiten/Stunden geschaffen .
- "Seit diesem Tag hat er immer auf sie gewartet. Vor der Schule. In den Pausen hat er sie gesucht. Hat nach ihrem Namen geforscht, der Klasse, ihren Wahlfächern und so weiter. Damit war er eine ganze Weile beschäftigt. Als er sie das nächste Mal traf, war es genau vor dem Lehrerzimmer."
Es ist einfach unlogisch, daß er sie erst zufällig vor dem Lehrerzimmer wiedertrifft, wenn er doch jeden Tag auf sie gewartet hat. Sooo groß kann keine Realschule sein...
- An einer Stelle heißt es, Kitty werde später gemeinsam mit Alex und Ulla in die Klinik-Klasse gehen. Als es dann soweit ist, wird aus Alex plötzlich Andreas.
Die Liste könnte ich noch weiter fortführen...
Das Buch hat gerade ´mal 202 sehr großzügig beschriebene Seiten.
Wurde überhaupt lektoriert?
Bzw. warum ist die "mehrfach ausgezeichnete" Autorin nicht selbst auf ihre Fehler und Ungereimtheiten aufmerksam geworden? Die Handlung ist wirklich nicht so kompliziert, als daß man derart den Überblick verlieren könnte...
Das sind einige Fragen, die ich mir nach dem Lesen gestellt habe.
Hätte das Buch mehr Seiten gehabt, hätte ich es ganz sicher nicht zu Ende gelesen, denn der Sprachstil zusammen mit den Fehlern war grausam .
Die neueste Ausgabe heißt "Rote Linien. Ritzen bis aufs Blut" und hat bereits auf dem Cover eine Rasierklinge. Da drängt sich mir der starke Verdacht auf, daß es sich ohne das reißerische Cover wohl überhaupt nicht mehr verkaufen läßt...
Wobei "Ritzen bis aufs Blut" ja schon wieder ein Widerspruch an sich ist, denn es dürfte wohl kaum Selbstverletzer geben, die sich "ritzen", OHNE daß Blut kommt.
Jedenfalls hätte ich mir von einer "mehrfach ausgezeichneten" Autorin sehr viel mehr erwartet .