Der Ruf des Muschelhorns – Zoe Jenny

  • Frankfurter Verlagsanstalt, 2000, gebunden, 123 Seiten


    Handlung:
    Zoë Jenny erzählt in ihrem Buch die Geschichte des Mädchens Eliza: Von der Mutter verlassen und nach dem Tod der Großmutter Waise, wird sie eines Tages von den Rosenbergs adoptiert und in finden, ist so brüchig wie die Welt, die Eliza umgibt. Eines Morgens verläßt Eliza mit ihrer Mutter die Stadt, in der sie bisher gewohnt hat. Eliza wird zu Großmutter Augusta aufs Land gebracht. Die Spur der Mutter verliert sich - für immer.


    Über die Autorin:
    Zoe Jenny, geboren 1974 in Basel, wuchs ebendort sowie in Carona/Tessin und in Griechenland auf. Für ihre ersten beiden Romane, "Das Blütenstaubzimmer" und "Der Ruf des Muschelhorns" erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen.


    Rezension:


    Dieses Buch wurde nach Zoe Jennys großen Erfolg mit "Das Blütenstaubzimmer" von Leserschaft und vor allem der Kritik geschmäht. Ich mochte das Buch damals, wenn auch mit Einschränkungen. Gelegenheit, dieses schmale Buch mit Abstand noch einmal durchzublättern.


    Auffällig ist die konsequente Einhaltung der Kinderperspektive als Eliza mit ihrer Mutter zu ihrer Großmutter Augusta aufs Land fährt, um bei ihr zu leben. Die Mutter verlässt Eliza dann schnell und sie bleibt zurück. Die Wahrnehmung der Provinz bzw. des Landlebens mit Wald und Flüssen durch ein Kind aus der Stadt prägt den Roman.


    Zoe Jenny erzeugt mit wenigen Sätzen hervorragende Bilder, wie z.B. die Meerschaumpfeife rauchende Großmutter als ein warmer, rauchender Berg oder verwesende Pflaumen, die Eliza nicht wegwerfen mag, da sie von dem wimmelnden Leben darin fasziniert ist. Natürlich können dann Sonnenblumen als kleine vom Himmel zur Erde gestürzte Sonnen für viele Geschmäcker zuviel des Guten sein.
    Doch man muss der Autorin zugute halten, dass sie ihr Ziel, in diesem Abschnitt des Romans die Beschreibungen der Natur voll auszuschöpfen, wirklich erreicht.


    Doch Eliza bleibt in der Schule und im Dorf eine Fremde, letztlich wie auch ihre Großmutter, die als sonderbare Einzelgängerin gilt. Die Kränkungen durch den Spott der Dorfbewohner ist für den Leser deutlich mit fühlbar. Ein umso liebevollerer Blick den Eliza auf sie hat, und so ist sie zunächst glücklich. Es gibt eine Spur von Humor, aber die Bedrohung durch den schon im Klappentext angekündigten Tod Augustas bleibt.


    Titelgebend ist das Motiv des Signals des Muschelhorns, in das Augusta bläst, ein Zeichen für Eliza heimzukehren. Diesen Ruf wird sie später immer wieder suchen.


    Schweigen und Stottern sind die Folgen für Eliza nach dem Tod ihrer Großmutter. Ein weiteres wichtiges Thema der Autorin ist natürlich auch die Sprache oder besser die Sprachlosigkeit.


    Mit dem Wechsel zu der Familie Rosenberg, bei der Eliza nach kurzen Waisenhausaufenthalt später leben wird, erfolgt ein heftiger Bruch in der Erzählperspektive, doch im nächsten Kapitel kehrt der Leser zu Elizas Schicksal zurück,


    Nicht zuletzt wegen ihren liebevollen zukünftigen Adoptivbruder George und Freundin Sue fängt Eliza allmählich an zu genesen, aber die Zerbrechlichkeit der Welt bleibt. Und beim Leser ein unbestimmtes Gefühl der inneren Immigration beim Schluss des Buches.


    Es gibt anrührende Stellen in diesem Buch, in dem die Sprache so prächtig ist.


    Wäre "Der Ruf des Muschelhorns" nicht so anders als "Das Blütenstaubzimmer" oder "Das Blütenstaubzimmer" nicht dermaßen erfolgreich gewesen, hätte dieses Buch vielleicht überleben dürfen, denn es ist wirklich stark unterschätzt.

  • Ich fand das Buch auch sehr gut. Die Beschreibungen sind so zärtlich und anrührend, die Sprache wunderschön. Obwohl das Buch nicht sentimental ist, hat mich das Schicksal von Eliza sehr berührt.