Klappentext:
(dem Buch entnommen)
"Ja, jeden Tag kam ein neuer Tanz auf, und ich beherrschte sie alle. Ich verbrachte Stunden vor dem Spiegel, um an einer Schrittfolge zu feilen, schob lächelnd den Brustkorb vor und nahm die Schultern weit zurück. Die Jungs in den Clubs, die Offiziere der Messe fressen mir aus der weiß behandschuhten Hand. Ich bin Zelda Sayre. Die Tochter des Richters. Die zukünftige Verlobte des zukünftigen großen Schriftstellers."
Montgomery, Alabama, im Juni 1918: Inmitten der Scharen von lärmenden Soldaten verliebt sich die selbstbewusste Zelda, Tochter des Richters Anthony Sayre, in einen gutaussehenden Leutnant aus dem Norden: F. Scott Fitzgerald. Dieser kennt nur ein Ziel: er will der berühmteste Schriftsteller Amerikas werden. Kein Jahr später sind die beiden verheiratet und beginnen ein rastloses, exzessives Leben. Sie sind das Glamourpaar der Roaring Twenties. In New York, Paris, an der Cote d'Azur begegnen sie den großen Künstlern ihrer Zeit, geben sich dem kollektiven Lebensrausch einer ganzen Epoche hin. Doch während Scott hier den Stoff für seine berühmten Romane findet, muss Zelda sich ein Leben lang verstecken, um schreiben zu können.
Zelda Sayre galt lange als die hysterische Verrückte an der Seite des Schriftstellergenies. In seinem preisgekrönten Roman zeichnet Gilles Leroy das faszinierende Bild einer über die Maßen begabten, willensstarken Frau - Schriftstellerin, Tänzerin, Malerin -, der ihr Lebenshunger zum Verhängnis wurde.
Über den Autor:
(dito)
Gilles Leroy wurde 1958 bei Paris geboren und studierte Geisteswissenschaften mit besonderem Schwerpunkt auf der amerikanischen und der japanischen Literatur. Seine oft autobiographisch geprägten Romane erscheinen seit 1990 bei Mercure de France.
Der Prix Goncourt für "Alabama Song" machte ihn über Nacht zu einem Star der französischen Literaturszene.
Zum Hintergrund:
Wikipedia-Artikel zu
Zelda Sayre Fitzgerald
F.Scott Fitzgerald
Meine Meinung:
Dass dieses Buch in meinen Besitz kam, ist unter anderem das Ergebnis stetiger, konsequenter Werbung: nachdem mir wochenlang auf der Startseite von buchreport.de die entsprechende Anzeige des Verlages entgegenblickte, ging ich ihr neugierig nach - und einen Roman über Zelda Fitzgerald MUSSTE ich einfach lesen.
Irgendwie hatte ich ein umfangreicheres Werk erwartet als dieses kleinformatige, schmale Büchlein. Doch nachdem das französische Original im vergangenen Jahr mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet wurde und sich auch die deutschen Rezensenten über die im Juli erschienene Übersetzung überschlugen, waren meine Erwartungen trotzdem sehr hoch.
Ich habe mit dieser Rezi ein paar Tage gewartet, in der Hoffnung, doch noch eine klare, eindeutige Meinung dazu zu bekommen. Fehlanzeige. Ich stehe diesem Buch nach wie vor zwiespältig gegenüber.
Es ist großartig geschrieben, keine Frage, in einer kraftvollen, poetischen Sprache, die stellenweise nahezu atemberaubend ist.
In Ich-Form lässt Leroy Zelda selbst erzählen, in Rückblenden, die in der Chronologie hin- und herspringen (praktischerweise durch Zeitangaben am Seitenrand gekennzeichnet). Mal als Erinnerung oder Selbstgespräch, mal als Brief, mal als Sitzung mit einem ihrer zahlreichen Psychiater. Gesprächspartner und Adressaten verschwimmen ebenso wie Vergangenheit und Gegenwart.
Zelda erzählt von ihrer wilden Kindheit und Jugend, ihren Verehrern, von F. Scott Fitzgerald, den sie heiratete und mit dem zusammen sie zum Symbol der lebenshungrigen, turbulenten Zwanzigern wurde. Von Affairen der beiden, von Fitzgeralds Alkoholismus, ihrer eigenen Sehnsucht nach Unabhängigkeit und künstlerischer Anerkennung. Von ihren Aufenthalten in psychiatrischen Institutionen und der zerstörerischen Kraft ihrer Ehe. Es ist ein Buch wie ein Rausch, ein Wirbel, und dadurch eine wunderbare Metapher für die Fitzgeralds.
Jedoch ist mir Leroys Erzählweise oft zu drastisch, zu pathetisch, zu exaltiert - obwohl ich mir vorstellen kann, dass er damit Zeldas Charakter und Lebensweise abbilden wollte. Der Autor betont im Nachwort den fiktionalen Charakter des Buches - dennoch stießen mir zwei erfundene Episoden im Buch, Namensverfälschungen und die Darstellung F. Scott Fitzgeralds als alkoholkrankes, seine Ehefrau unterdrückendes und überhaupt Ekel erregendes Monster sauer auf.
Aber auch hier gilt: hätte Zelda dieses Buch tatsächlich geschrieben - wäre ihre subjektive Wahrnehmung nicht vielleicht auch so ausgefallen?
Falls dies Leroys Absicht war - so frage ich mich, ob er nicht mit diesem Buch das Bild Zelda Fitzgeralds als hysterisch und labil noch weiter zementiert, indem er sie als Märtyrerin darstellt.
Es gab Momente im Buch, an denen ich genervt vor mich hinmurmelte "herrje, dann verlass ihn doch endlich, Mädel, und mach endlich dein eigenes Ding, wenn dir soviel daran liegt!", aber auch welche, an denen ich feuchte Augen hatten, weil mich Passagen berührten.
Was mich jedoch nicht zu berühren vermochte, war die Person Zelda Sayre Fitzgeralds; sie blieb für mich blass und platt, so sehr sich Leroy auch um möglichst drastisch-plastische Schilderungen bemühte - sie geriet mir manchmal fast zu einer schrillen Karikatur. Und auch hier wieder: haben Zeldas Zeitgenossen sie so empfunden? Sie sich selbst womöglich auch?
Empfinde ich die Zelda im Roman als befremdlich, weil sie sich selbst entfremdet hatte und Leroy es gelungen ist, mir dieses Gefühl spürbar zu machen?
Ich weiß es nicht; ich pendle immer noch zwischen Abneigung und Bewunderung, was diesen Roman betrifft.
Aber dass mich dieses Buch so nachdrücklich noch beschäftigt, es mir all diese Fragen hinterlassen hat - das zeichnet es für mich in jedem Fall aus, macht es meiner Meinung nach zu einem ganz besonderen Buch.