S. King's "Leben und Schreiben"

  • Hat jemand Stephen King's "Das Leben und das Schreiben" gelesen?
    King behauptet, ohne Stufendiagramm oder eine Vorstellung seiner Figuren mit einem Roman zu beginnen. Angeblich entwickelt er das während des Schreibens.
    Das erscheint mir fast unmöglich, ich könnt's nicht.
    Ob das ein gezielter Werbegag ist, um seinen Nimbus als Genie zu wahren? Oder ist der wirklich so genial?
    Es erscheint mir unvorstellbar, einen Roman wie "Es" ohne die geringste Planung zu schreiben.
    Was meint Ihr dazu?

  • Das erscheint mir durchaus möglich.
    Ich arbeite zwar nur an Kurzgeschichten, aber eine Planung habe ich auch meist nicht vor Augen. Das kommt beim Schreiben und ich denke auch nicht, daß ich diese Vorgehensweise bei längeren Texten ändern würde. Höchstens mal kurze Notizen, damit ich gewisse Dinge nicht vergesse.... aber der Rest entsteht im Kopf.
    Zu Planmäßig angelegtes Schreiben erfreut mich nicht...

  • Warum sollte das denn nicht möglich sein?
    Bei mir ist auch zuerst mal die Idee da, ich weiß dann auch, wen ich dafür an Figuren brauche (also Clanchief, Pirat, Zauberer, etc.), aber die Charaktere entwickeln sich so nach und nach.


    Was ist denn ein Stufendiagramm? Ich meine, ich weiß, was ein Stufendiagramm ist, aber wie wird das beim Schreiben eingesetzt?

  • Hallo Dean,


    schau mal hier.


    Dort findest Du einen Thread zu dem Buch.


    Zu deiner Frage, ob King ein Buch einfach so schreiben kann: Im Vorwort zu "The Green Mile" schreibt King, er denkt vor dem Einschlafen oft an seine Geschichten (oder Ideen zu einer Geschichte). Nach einiger Zeit habe er dann die Geschichte (in seinem Kopf!) zusammen gereimt. Daher glaube ich, King hat sicher so etwas wie einen Plot in seinem Kopf, bevor er mit dem Schreiben anfängt. Vielleicht eher abstrakt, etwa in der Art: "Jugendliche bekämpfen etwas Böses, das seit Jahrhunderten einen Ort regelmäßig heimsucht.", plus einiger Eckpfeiler. Doch anschließend wird er sich sehr genau darüber Gedanken machen, WIE er die Story anlegt: Wer sind die Bösen, wer die Guten? Rahmenhandlung, Erzählperspektive, usw., usf.


    Das macht er vielleicht nicht in Form eines Plots oder Stufendiagramms oder sonst wie systematisch. Aber er wird sich dazu vorher Gedanken machen. Ganz sicher. Andererseits glaube ich auch, die Charakterisierung "der Bösen" und "der Guten" und des ganzen Rests dazwischen, also die vielen Details, die er zum Ausschmücken der Grundidee braucht, die denkt er sich erst beim Schreiben dazu.


    Ich bin der festen Überzeugung, auch ein Stephen King muss von irgendetwas (einer Art Fundament?) ausgehen, bevor er mit dem eigentlichen Schreibprozess beginnt. Obwohl er Englisch studiert hat. Obwohl er bereits so viel geschrieben hat. Und obwohl er so viel liest.


    Liebe Grüße,


    Dieter.

  • Hallo Leserättin


    ein Stufendiagramm ist nichts weiter als eine Zusammenfassung des Romans in Kurzform, in der steht, was in den einzelnen Kapiteln so passiert. Wie detailliert ein Autor das ausführt, ist unterschiedlich. Ich habe mir bei den letzen beiden Romanen angewöhnt, die Kapitel möglichst genau zu beschreiben. Ohne ein Stufendiagramm könnte ich nicht arbeiten. Es macht folgendes möglich: Wenn ich dann endlich mit Kapitel 1 anfange, brauche ich nicht dem Cursor beim Blinken zuzusehen. Ich weiß dann, was und worüber ich schreiben will. Die Denkarbeit habe ich dann größtenteils hinter mir und ich kann mich aufs Schreiben konzentrieren. Das berühmte Starren auf das leere Blatt taucht bei mir so gut wie nie auf. Außerdem habe ich meine Figuren bereits gut kennengelernt - was natürlich nicht heißt, dass hinterher alles anders kommt, das passiert sogar sehr oft. Aber das zeigt dann, dass die Figuren anfangen zu leben.

  • Hallo dean.


    was Du als Stufendiagramm kennst, nenne ich Kapitelplanung. ;-)
    Und die benutze ich selbstverständlich. Allerdings wundere ich mich, wieso das Stufendiagramm genannt wird.

  • Hallo Leserättin


    Interessant. Da sieht man wieder, wie das mit den Wörtern so ist. Wir meinen beide dasselbe. Ich kenne den Begriff aus mehreren Büchern; u.a. von James Frey "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt."
    Bei King hört sich das so an, als ob er wirklich gar nichts vorher plant - aber es funnktioniert, wie man sieht.

  • Hallo, dean.


    Zitat

    Bei King hört sich das so an, als ob er wirklich gar nichts vorher plant


    Das wird oft so kolportiert, stimmt aber meiner Meinung nach nicht (ganz). Auch bei King steht eine Idee am Anfang, und die Idee lässt er "reifen", bis sie ein Stadium erreicht, ab dem sie umgesetzt werden kann - ja, mit ungewissem Ausgang. Dass er vorher nichts aufschreibt oder tabellarisch konzipiert, ist eher eine technische Besonderheit. Viele Autoren arbeiten so. Auch ich denke lange über Ideen, Plots und Figuren nach (oft auch vor dem Einschlafen), bevor ich die ersten Notizen mache, und häufig sind diese ersten Notizen dann auch die ersten Seiten des nächsten Romans. Es ist der Eigendynamik dieser Vorgehensweise geschuldet, dass es dann manchmal ganz anders endet, als man sich das vorher gedacht hatte. Wenn man vorher überhaupt über das Ende nachgedacht hatte.


    Jeder Autor muss seinen eigenen Weg finden. Vielleicht muss man auf dem Weg dorthin alle möglichen Varianten ausprobieren. Vielleicht aber auch nicht. Manch einer schreibt einfach seinen ersten Roman runter, ohne vorher auch nur einen Bierdeckel vollzukritzeln, und manch anderer schafft es nur, indem er sich an meterlangen schematischen Zeichnungen entlanghangelt. Das hängt aber auch davon ab, was man schreibt. Einige Genres verlangen wesentlich mehr Konsistenz und Stringenz als andere. Historische Romane kann man schwerlich aus dem Bauch heraus runterhacken.


    Es ist gut, sich anzusehen, wie es die anderen machen. Es ist besser, auszuprobieren, wie man selbst zu den besten Ergebnissen kommt.

  • Zitat

    Original von TomManch einer schreibt einfach seinen ersten Roman runter, ohne vorher auch nur einen Bierdeckel vollzukritzeln,


    Da gehöre ich auch dazu. Gut, manchmal schreibe ich mir zwei Sätze auf, um die Thematik nicht zu vergessen. Aber bevor ich loslege weiß ich weniger als das was mal auf den Buchrücken kommt. Aber ich schreibe auch einfache Kinder- und Jugendbücher. Bei meinem letzten (ein Mädchenroman im Stil der "Freche Mädchen"-Bücher) musste ich dann aber nachträglich einiges anpassen, da z.B. der Stundenplan in der einen Woche von dem der anderen abwich etc. :rolleyes


    Grüßle,
    Judith

    Toni und Schnuffel / Tricks von Tante Trix / Papino und der Taschendieb / Das Dreierpack und der böse Wolf
    Tanz mit Spannung / ... und jetzt sehen mich alle! / Voll drauf / Die Kellerschnüffler u.a.

  • Wenn King ohne Stufendiagramm arbeitet, muss er ein wahnsinnig gutes Gedächtnis haben. Ich stelle es mir extrem schwierig vor, Spannungsliteratur zu schreiben, ohne sich vorher einen Entwurf auszuarbeiten.
    Ich hab von Michael Ende gelesen, dass er ohne Plan arbeitet, einfach drauflos schreibt, ohne sich über den Ausgang der Geschichte Gedanken zu machen. Aber er schreibt ja auch eine andere Art von Literatur.


    Bei Kurzgeschichten brauch ich so was auch nicht, die kann ich gut im Kopf wälzen. Aber einen Roman ohne Stufendiagramm zu schreiben (man kann es auch Kapitelplanung oder Plotentwurf oder sonstwie nennen) würde ich mir nicht zutrauen.
    Ich muss am Anfang auch ein ungefähres Ende kennen, ein Ziel, auf das ich hinarbeite - sonst würde ich gar keine Spannungsbögen hinkriegen.

    Worte sind Waffen. Wenn Ihnen etwas ganz stark am Herzen liegt, legen Sie Ihre Waffe an und feuern. (James N. Frey)

  • Hallo Tom,
    ich kann Dir nur zustimmen. Schreiben ist natürlich in erster Linie immer ein kreativer Prozess, und der läuft bei jedem individuell ab.
    Ich habe bei der Arbeit an meinem neuen Roman festgestellt, dass es mir gewaltig die Arbeit erleichtert, wenn ich in mein Stufendiagramm schauen kann und weiss, wo's weitergeht. Das beruhigt mich irgendwie.
    Aber die grobe Handlung habe ich auch aus dem Bauch heraus in sehr kurzer Zeit rausgehauen. Und dann wird das Ganze immer weiter verfeinert. Wobei ich bis zum vorletzten Kapitel vom Ende auch nur eine vage Vorstellung hatte. Viele Dinge entwickeln sich tatsächlich erst beim Schreiben.

  • Hallo Judith
    Das ist genau der Punkt. Meinen ersten Roman vor vielen Jahren habe ich auch ohne Planung aus dem Bauch herausgeschrieben. Aber dann muss man hinterher oft eine Menge ändern und anpassen, weil die Handlung das nötig macht. Und mit entsprechender Planung kann ich das frühzeitig erkennen.

  • Hallo Dean,


    soo viel war es nicht. In vier Wochen hatte ich den Mädchenroman geschrieben, dann einige Tage korrigiert (auch Tippfehler etc.) zwei Wochen liegen gelassen, dann noch ein paar Tage daran gemodelt. Aber ein Mädchenroman um die erste Liebe ist eben keine allzu komplizierte Sache, da gibt es nicht so viele verschiedene Stränge, die geplant werden müssen.


    Grüßle,
    Judith

    Toni und Schnuffel / Tricks von Tante Trix / Papino und der Taschendieb / Das Dreierpack und der böse Wolf
    Tanz mit Spannung / ... und jetzt sehen mich alle! / Voll drauf / Die Kellerschnüffler u.a.

  • ich habe das Buch gelesen, bin ein King Fan. Sind ganz nützliche Tipps darin, eine Anleitung wie er schreibt, doch jeder macht und lernt es anders.
    Jeder hat einen anderen Schreibstil, man muss eben auch viel und alles lesen um zu lernen.

    Zitat

    Bücher haben Ehrgefühl, wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück. T.Fontane


    :lesend :fruehstueck
    Ich lese Thomas Mann; Der Zauberberg;