Der Tag des Opritschniks - Vladimir Sorokin

  • Inhalt:
    Russland im Jahr 2027. Das Land hat sich vom Westen abgeschottet, lebt allein vom Gas- und Ölexport, pflegt Handelskontakte nur noch mit China und wird vom »Gossudar«, einem absoluten Alleinherrscher regiert. Dieser übt seine Macht mit Hilfe der Opritschniki, der »Auserwählten«, aus: einer allmächtigen Leibgarde, die vor keiner Bestialität zurückschreckt. Die Zeit der großen Wirren ist vorbei, die Restauration beendet. Nun hat die Monarchie wieder die Macht ergriffen. Das Land ist von der Großen Russischen Mauer umgeben und - bei allem technologischen Fortschritt - in die dunkle Zeit Iwans des Schrecklichen zurückgefallen. Die Opritschniki, die »Diener des Gossudar«, sind in roten Limousinen unterwegs, mit Hundeköpfen an den Stoßstangen und Besen am Kofferraum - Symbole dafür, dass jeglicher Widerstand ausgemerzt und von der russischen Erde gefegt wird. Zu dieser brutalen und korrupten Elite gehört auch Andrej. Seinen Arbeitstag beginnt er mit der Hinrichtung eines in Ungnade gefallenen Oligarchen, wohnt der Auspeitschung von Intellektuellen bei, ist der liebestollen Gemahlin des Gossudar zu Diensten und beschließt den Tag mit einer dekadenten Orgie.


    Meinung:
    Angesichts der aktuellen politischen Lage ist dieses Buch durchaus interessant und überdenkenswert. Welche Macht hat Russland? Wie wird es sich in der Zukunft gegenüber den Machtansprüchen der westlichen Länder verhalten?


    Das Buch beschreibt eine Fiktion für das Jahr 2027. Bis dahin hat sich Russland vollkommen vom Westen abgeschottet, nur China scheint ein ebenbürdiges Land zu sein, zu dem Russland Handelsbeziehungen unterhält. Aufgezeigt wird die Gesellschaftsordnung und der Alltag über den Tag eines Moskauer Opritschniks, also der Gruppe, die die Macht ihres Alleinherschers Gossudar in dessen Namen ausübt.
    Es mangelt hierbei natürlich nicht an Brutalität - Mord, Vergewaltigung, Bestechung stehen an der Tagesordnung- und diese wird auch über die Sprache anschaulich übertragen. An manchen Stellen sollte man wirklich nicht zu zart besaitet sein. Zum Ausgleich fehlt es jedoch auch nicht an Poetik, z.B. in Form von Gedichten. Meines Erachtens wurden diese gut aus dem Russischen übersetzt. Interessant fand ich auch, dass bei Wörtern, die aus einer anderen Sprache eingebürgert worden, eine andere Schreibweise als die normalübliche verwendet wird. Aus Balance wird Balangse oder aus Underground wird Andergraund. Aber an alle, die das nicht so mögen: Keine Sorge, es hält sich sehr in Grenzen und wird keinesfalls überbetont.
    Das Buch lässt sich insgesamt sehr angenehm und flüssig lesen und man kann sich dank der Gedanken des Opritschniks auch ein gutes Bild von dieser fiktiven Gesellschaft machen - wie stark Aufstieg und Fall hier miteinander verknüpft sind.


    Ob man diese Fiktion für realistisch oder auch nur in Ansätzen für überhaupt möglich hält, ist natürlich jedem selbst überlassen. Aber ohne Zweifel regt es zum Nachdenken an, nicht nur über die Zukunft, sondern auch über das "aktuelle" Russland...

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Titel: Der Tag des Opritschniks
    Autor: Vladimir Sorokin
    Übersetzt aus dem Russischen von: Andreas Tretner
    Verlag: Heyne
    Erschienen als TB: September 2009
    Seitenzahl: 224
    ISBN-10: 3453406893
    ISBN-13: 978-3453406896
    Preis: 8.95 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Russland 2027. Das Land hat sich vom Westen abgeschottet und wird von einem Alleinherrscher regiert, der seine Macht mithilfe der Opritschniki, der "Auserwählten", ausübt: eine allmächtige Leibgarde, die vor nichts zurückschreckt. Zu dieser brutalen und korrupten Elite gehört auch Andrej, der all jene in Schach hält, die dem geliebten Diktator missfallen.


    Der Autor:
    Vladimir Sorokin wurde 1955 geboren und gilt als der bedeutendste zeitgenössische Schriftsteller Russlands. Der politischen Elite des Landes ist er ein Dorn im Auge.
    Meine Meinung:
    Es ist brutal, es ist hart und es ist hochpolitisch – das Buch von Vladimir Sorokin. Der Autor nimmt auf nichts und niemanden Rücksicht, schon gar nicht auf seine Leser. Entweder sie gehen mit ihm oder sie lassen es halt bleiben. Kompromisse haben in der literarischen Welt des Vladimir Sorokin keinen Platz. Sorokin schreibt rücksichtslos und wird wohl auch kaum seine Knie vor der herrschenden Klasse beugen. Wenn man dieses Buch liest dann wird man verstehen warum Sorokin in Putins Russland immer wieder aneckt und warum ihn die dort Herrschenden nicht gerade vergöttern. Man könnte fast meinen, mit diesem Buch hält Sorokin der Putin-Gesellschaft einen Spiegel vors Gesicht. Diktaturen, die sich als scheinheilige „Demokratien“ gebärden, sind gefährlich; gefährlich für ihre dort lebenden Menschen.
    Sorokin schreibt in einer klaren Sprache, er bezeichnete die Dinge so wie sie sind, er verklausuliert nichts – Abweichungen und Unaufrichtigkeiten sucht man bei ihm vergeblich. Klar geht der Autor seinen erzählerischen Weg.
    Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schrieb über dieses Buch: „Das Schockierende des Buches liegt gerade in seiner Realitätsnähe.“ Und damit liegt die FAZ eigentlich völlig richtig. Wenn es einen politischen Schriftsteller gegeben hat, der nebenbei auch noch großartig zu erzählen weiß, dann treffen diese Attribute ohne Frage auf Vladimir Sorokin zu.
    In diesem Zusammenhang ist es vielleicht von Interesse, dass in Nummer 4 (Ausgabe Juli/August 2010) der Literaturzeitschrift LITERATUREN ein Bericht über Vladimir Sorokin zu lesen.
    Ein beeindruckendes Buch, sehr empfehlenswert.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.