Picknick auf dem Eis - Andrej Kurkow

  • Kurzbeschreibung
    Viktor ist einsam. Seine letzte Muse hat ihn verlassen, nun lebt er allein, in trauter Zweisamkeit mit einem Pinguin namens Mischa, den der Kiewer Zoo nicht mehr ernähren konnte. Und Viktor ist ratlos. Irgendwie muss er seine Brötchen - und den Fisch für Mischa - verdienen, doch ein Tagträumer wie er, ein arbeitsloser Kurzgeschichtenschreiber, der nicht viel mehr vorzuweisen hat als seine Phantasie und eine Schublade voller unvollendeter Romanmanuskripte, hat es schwer im Kiew der Neureichen und der Mafia, wo allein Geld und Geschäftssinn zählen. So geht Viktor bei allen möglichen Zeitschriften mit seinen Kurzgeschichten hausieren, leider ohne Erfolg.
    Doch eines Tages bietet der Chefredakteur einer großen Zeitung Viktor eine gutbezahlte Stelle als freier Mitarbeiter an: Viktor soll Nekrologe über berühmte Leute verfassen - die allerdings noch gar nicht gestorben sind. Viktor fragt nicht lange und macht sich an die Arbeit...
    Presse:
    "Kurkow treibt nicht nur ein witziges Spiel mit den Klischees des Mafia-Thrillers. Er liefert zudem eine gut gebaute und absurde Komödie über das Verhältnis von Geld und Geist in Zeiten, da auch die Wahrheit käuflich ist." (tz)


    "Kurkow beweist, daß man auch in Rußland wieder frische Geschichten erzählen darf: intelligent, witzig, weder die Realität verkleisternd noch sie ausblendend, nicht angestrengt antirealistisch, aber auch nicht wirklich traditionell." (Neue Zürcher Zeitung)




    Autorenportrait
    Andrej Kurkow, geb. 1961 in St. Petersburg, lebt seit seiner Kindheit in Kiew. Er studierte Fremdsprachen (er spricht insgesamt elf Sprachen), arbeitete als Redakteur, Gefängniswärter, Kameramann und schrieb zahlreiche Drehbücher. Seit 1996 lebt er als freier Schriftsteller in Kiew und London


    Eigene Meinung:


    Ich habe dieses Buch vor einem Jahr ungefähr gelesen und fand es absolut lesenswert. Dieses Buch baut die Atmosphäre und Spannung innerhalb von der korruptionsgeplagten Ukraine auf und ist eine Mischung aus Krimi, Thriller und Familiengeschichte. Eine Mischung aus Komik und Melancholie und die 280 Seiten lesen sich weg wie nix.


    Edit: habe Kiew nach Russland verlegen wollen - dabei ist es die Ukraine...tztztztztz und den Schreibfehler musste ich auch ausmerzen - danke Wolke!!

  • Ah, das hab ich auch mal gelesen. Sehr skurril, das Buch. Schon allein die Geschichten um den Pinguin :grin


    Die Story an sich fand ich auch gut. Nachrufe auf Leute zu schreiben, die noch nicht tot sind, und dann, schwups, sterben die alle weg wie die Fliegen (nein, kein Spoiler, das steht auch auf dem Buchrücken!!).
    Ich hab mir dann auf jeden Fall noch ein weiteres von Kurkow zugelegt und gelesen. Mir hat sein Stil also gefallen.

  • literarische Weltreise: Ukraine


    Ohne ebenfalls die Ukraine nach Russland verlegen zu wollen: ich fand das Buch doch sehr russisch, sowohl was den ziemlich derben Humor, als auch die seltsamen Ideen und Motive der Protagonisten angeht. Ich schrieb es bereits an anderer Stelle: immer sah ich die Hand des Autors vor mir, der seine Figuren führt. Ob das Absicht war? Schließlich werden eigentlich alle Beteilgten des Romans ebenfalls manipuliert. Während des Lesens jedenfalls kam mir das eher unbeholfen vor.
    Gut gelungen dagegen ist das Bild dieser kalten Gesellschaft, wo es einige wenige im postsowjetischen Chaos geschafft haben, zu Geld und Macht zu kommen, viele auf der Strecke blieben und die meisten sich irgendwie durchwursteln. Inwieweit dieses düstere Bild dem tatsächlichen Leben in der Ukraine entspricht, sei einmal dahingestellt, aber ich fand diese finstere Atmosphäre ziemlich überzeugend, wie es ist, wenn Wohl und Wehe eines Menschen alleine vom Geld abhängt und es kein funktionierendes, weil zu teures öffentliches Leben mehr gibt.


    Die Sprache war mir fast schon zu schlicht, kurze Sätze, kurze Absätze, oft wirkten sie ziemlich holprig aneinander gereiht. Das ist mir in russischen Büchern allerdings schon öfter aufgefallen und kommt womöglich von der Originalsprache. Da ich kein russisch kann, wird mir das wohl für immer verborgen bleiben.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Titel: Picknick auf dem Eis
    OT: Smert' postoronnego
    Autor: Andrej Kurkow
    Übersetzt aus dem Russischen von: Christa Vogel
    Verlag: Diogenes
    Erschienen: Oktober 2000
    Seitenzahl: 288
    ISBN-10: 3257232551
    ISBN-13: 978-3257232554
    Preis: 10.90 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Als Tagträumer hat es Viktor schwer in Kiew der Neureichen und der Mafia: ohne Geld und ohne Freundin lebt er mit dem Pinguin Mischa und schreibt unvollendete Romane für die Schublade. Zum Überleben verfaßt er für eine große Tageszeitung Nekrologe über Berühmtheiten, die allerdings noch gar nicht gestorben sind. Wie jeder Autor möchte Viktor seine Texte auch veröffentlicht sehen. Ein Wunsch, der beängstigend schnell in Erfüllung geht.


    Der Autor:
    Andrej Kurkow, geb. 1961 in St. Petersburg, lebt seit seiner Kindheit in Kiew. Er studierte Fremdsprachen (er spricht insgesamt elf Sprachen), arbeitete als Redakteur, Gefängniswärter, Kameramann und schrieb zahlreiche Drehbücher. Seit 1996 lebt er als freier Schriftsteller in Kiew und London.


    Meine Meinung:
    Satire? Skurril? Eine Tragikkomödie? Eine realistische Beschreibung der nachsowjetischen Ukraine in den Neunzigern des vorigen Jahrhunderts?
    Wohl eine Mischung als allem.
    Kurkow beschreibt eine Welt in dem das Verbrechen zur Alltäglichkeit geworden ist, auch wenn es versucht sich geschickt hinter der Normalität und der Lauterkeit zu verstecken. Es ist schon interessant zu beobachten, wie Kurkow verklausuliert – aber trotzdem alles mit sehr klaren Worten schildert. In diesem Buch geht es augenscheinlich um Nekrologe, Wodkatrinken, Schnee und eben auch um mafiaähnliche Gesellschaften. Und natürlich sind da auch noch der etwas depressive Pinguin und die vierjährige Sonja, die irgendwie immer weitergereicht wird. Der Pinguin wurde von Viktor aufgenommen, da der Zoo kein Geld mehr für Futter hatte. Und die kleine Sonja wurde ihm vom Vater übergeben „Pass auf sie auf. Du haftest mit deinem Kopf für sie.“ - weil er (der Vater) untertauchen musste und dann nicht mehr gesehen ward.
    Die handelnden Personen stehen in persona für die Mentalität der gesamten Bevölkerung, ohne das dabei aber auf die Individualität des Einzelnen verzichtet wird. Diesen Spagat bekommt Andrej sehr gut gemeistert. Seine skurrilen Einfälle sind schon bewundernswert. Denn wo legen die Verbrechersyndikate wert auf die Teilnahme eines Pinguins bei Beerdigungen.
    Ja – und sehr oft wird in diesem Buch auch tiefgefrorener Fisch gekauft – der Pinguin muss ja auch irgendwie ernährt werden; diese Bemerkung jetzt aber einfach nur mal so am Rande.
    Ein lesenswertes Buch über einen Tagträumer und Einzelgänger, der erst dann ein wenig aufblüht als er eine Aufgabe bekommt, sich aber darüber nur wenig Gedanken macht – Hauptsache „der Rubel resp. Dollar rollt“. 7 Eulenpunkte

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Voltaire ()

  • Das Buch hat mir insgesamt gut gefallen. Die Geschichte mit den Nachrufen fand ich klasse. Diese überspitzte Beschreibung der Geschehnisse in der post-sowjetischen Zeit fand ich drastisch, direkt, jedoch sehr gut herüber gebracht - in der u.a. die medzinische Behandlung von einem "Beerdigungs-Pinguin" mehr zählt als ein Menschleben.
    Ich kann das natürlich nicht beurteilen, wie es damals wirklich zuging, kann mich jedoch an ein reales Gespräch meines Vaters (der hatte früher ein Küchengeschäft) mit dem für den Export zuständigen Verkaufsleiter eines renommierten deutschen Küchenherstellers erinnern (ging um Sattelzüge mit Küchen die u.a. in die Ukraine geliefert wurden). Mein Vater: "Wie bekommen Sie die Küchen eigentlich sicher zu den Kunden?" Der Verkaufsleiter: "Glauben Sie, die klauen ihre eigenen Küchen?"
    Ich schweife ab, nun wieder zum Buch...
    Die Melancholie in dem Buch und den besonderen, trockenen Humor fand ich klasse. Kann man diesen als speziell russischen, ukrainischen Humor bezeichen? Ist mein erstes Buch eines osteuropäischen Autors.
    Gestört hat mich anfangs die sehr kurzen Kapitel (teils nur 1 Seite) in Kombination mit der sehr nüchternen Schreibweise. Immer wenn ich gerade im Lesefluß war, war das Kapitel zu Ende.


    Von Kurkow werde ich wohl demnächst noch ein Buch lesen. Hier im Forum ist ja sonst nur "Ein Freund des Verblichenen" als Rezension aufgeführt. Hat jemand evtl. mehr von Kurkow gelesen und kann mir eins seiner Bücher empfehlen?

    Nur wo du zu Fuß warst,
    bist du auch wirklich gewesen.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Eggi ()

  • Inhalt: Victor, als Nekrolog-Schreiber in die Fänge der Mafia geraten, hat ein besonderes Haustier: einen herzkranken Pinguin.

    Meine Meinung:
    Skurile Handlung, Portrait des heutigen "Russland", melancholisch, nachdenklich, hoffnungsvoll und sehr poetisch. Darüber hinaus ist dieser Roman sehr spannend, so dass man das Buch bereits nach wenigen Seiten nicht mehr aus der Hand legen will. Eindrucksvoll gestaltet der Autor die Handlung - er zeigt auf, wie Victor sich von der Mafia ködern lässt und immer mehr vereinnahmt wird, seine unmittelbaren Bezugspersonen sich noch mehr verstricken und sich schließlich einer nach dem anderen gegen ihn wendet. Auch seinen wirklich guten Freund, der nicht von der Mafia gekauft ist, scheint er zu verlieren. Das Buch endet dann sehr überraschend und pointiert mit einem, soviel kann man sagen, happy end, wenn auch einem melancholischen.
    Also: viel russische Seele, nachdenklich-melancholisch, mit happy end

    Mein Fazit: Ein wunderbares Buch, allerdings eher keine leichte Sommerlektüre und deshalb vielleicht besser geeignet für lange Novemberabende…;)

    Meine Bewertung: 10/10 Punkte