Lebenserfahrung bei einigen Büchern nötig?

  • Ich denke so pauschal kann man die Frage gar nicht beantworten.


    Es gibt Bücher, die Jugendliche oder junge Erwachsene vielleicht nicht so ganz erreicht. Dann gibt es wieder Bücher die Erwachsene nicht erreichen.


    Generell kann man nicht sagen, dass dieses oder jenes Buch nicht für jemanden mit wenige Lebenserfahrung geschrieben worden ist.


    Aber es kann durchaus sein, dass jemand mit 18 ein Buch nicht so gut findet. Es allerdings mit 30 doch dann gut findet. Der Lesegeschmack und die Gewohnheiten ändern sich im Laufe des Lebens.


    Vielleicht liegt es dann eher an einer gewissen Leseerfahrung. :-]

  • Ich denke auch, dass es eher an den altersbedingten Interessen liegt, wenn man als Schüler eben manche Bücher nicht ganz so interessant findet. Ich kann mich auch an einen Deutschkurs erinnern, in dem wir Schiller gelesen haben und ich mir eigentlich mehr etwas zeitgenössisches gewünscht habe. 20 Jahre später im Deutschen Literaturarchiv war ich regelrecht begeistert. Offenbar hatte sich zwischenzeitlich die Wertschätzung für deutsche Dichtung erhöht.


    Andersherum habe ich allerdings auch schon festgestellt, dass ich in jungen Jahren Bücher toll fand, die ich jetzt nur noch belächel.

  • Also ich denke auch, dass man nicht unbedingt alles erlebt haben muss, um sich in eine Situation rein zu versetzen.


    Zu diesem Thema sagte unser Lateinlehrer immer, ich muss nicht erst Drogen ausprobieren, um zu wissen, dass sie mir schaden :grin.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • @ Nomadenseelchen:


    Zitat

    Wie ist das bei euch? Braucht man für einige Bücher Lebenserfahrung, um sie *wirklich* zu verstehen?


    Im Vorwort zum untenstehenden Buch, das ich vor langer Zeit gelesen habe, gab es nach meiner Erinnerung die Altersempfehlung ab 30 Jahre. Sollte der Leser jünger sein, dann raten die Autoren zur Zweitlesung ab dem entsprechenden Alter, wobei erwähnt werden sollte, dass die Lektüre auf persönliche Umstände und Lebenserfahrungen abstellt.

  • nötig würde ich nicht sagen. Da meine Teenagertochter sich mittlerweile regelmäßig aus meinem Bücherregal bedient, habe ich in vielen Fällen den direkten Vergleich und muss feststellen, dass wir Bücher schon sehr unterschiedlich lesen.


    Zum Beispiel "Die Frau mit den Regenhänden":
    für sie stand eindeutig die Liebesgeschichte im Vordergrund, die sie sehr mitgenommen hat. Für mich, wahrscheinlich in Liebesdingen nicht (mehr) ganz so romantisch, waren aufgrund meiner persönlichen Interessen, die natürlich viel mit meinem bisherigen Leben zu tun haben, ganz andere Aspekte des Buches faszinierend.
    Keine von uns beiden hat das Buch "richtig" gelesen, Lebenserfahrung hin oder her, sondern es liegt einfach in der Natur der Dinge, das verschiedene Menschen eine unterschiedliche Sicht der Dinge haben.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Das war ein sehr gutes Beispiel DraperDoyle, wie verschiedene Aspekte des Buches für Dich bzw. Deine Tochter im Vordergrund stehen.


    Die sozialen oder politischen Themen interessieren wieder zu anderen Zeiten im Leben.
    Ich war z. B. in Australien, müßte aber nicht unbedingt dort gewesen sein, um die Aborigines zu bewundern, die in diesem - in manchen Gebieten - sehr lebensfeindlichen Land jahrtausende ohne technische Hilfsmittel überleben konnten.


    Andererseits habe ich die Pyramiden noch nie besucht und bin von der Hochkultur des Alten Ägypten dennoch begeistert.

  • Bei manchen Büchern hatte ich aber auch das Gefühl, dass meine Lehrer aber auch was reininterpretiert haben, nur um da zwanghaft was reinzuinterpretieren. :rolleyes


    Ich hab immer viel gelesen, aber in Deutsch war ich grottenschlecht. Ich hab irgendwie nie das getroffen, was der Lehrer hören wollte. Heute könnte ich wahrscheinlich besser was zusammenbullshitten.

  • Ich les grad Die Nebel von Avalon in der LR
    vor 20 jahren war ich von dem buch restlos begeistert; ich hab's zwei jahre lang mit mir rumgeschleppt und mindestens dreissig mal gelesen...
    und jetzt les ich es wieder, erkenne es nicht wieder und frag ich mich was daran so toll war :help


    :gruebelich kanns nicht einmal etwas nachvollziehen...

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Manchmal hat's schlicht auch mit der Lebensphase oder Lebenssituation zu tun, ob man mit einer bestimmten Thematik was anfangen kann, sich dafür interessiert oder nicht.


    Ich hab mich auch als Kind durch die Bücherregale der Erwachsenen und der Dorfbibliothek gelesen und alles gegrabscht, was mir interessant erschien. Und da saß ich dann machmal da mit Geschichten, die Themen behandelten, die mit fremd und unverständlich waren. Ich hab mich durch die Buddenbrooks gekämpft und hatte nur recht eingeschränkt einen Schimmer davon, wer von denen welches Problem hat.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Ich würde auch nicht generell sagen, dass es etwas mit der Lebenserfahrung zu tun hat, ob man ein Buch versteht oder nicht.
    Klar, wenn man eine bestimmte Situation schon erlebt hat, kann man sie auch besser nachvollziehen, aber man muss auch versuchen sich in die Geschichte hineinzuversetzen. Man muss versuchen zu abstrahieren, aber das lernt man normalerweise in der Schule bzw. die Lehrer versuchen es einem beizubringen, vor allem in Deutsch.
    Ich fand den "Bahnwärter Thiel" überhaupt nicht schwierig zu verstehen z. B. Somit liegt es wohl auch an der eignen Person. Die Leseerfahrung sollte man aber auch nicht außer Acht lassen...
    Es hängt wohl auch vom eigenen Lesegeschmack ab, würde ich sagen.
    Auch nicht unerheblich ist die jeweilige Situation, in der man gerade lebt, wie Vandam schon erwähnt hat. Wenn man gerade eine Beziehung beendet hat, wird mal wohl nicht so gerne Liebesromane oder auch Tragödien wie Romeo und Julia lesen wollen.

  • Bei den meisten Büchern würde ich auch sagen das die Lebenserfahrung keine Rolle spielt, denn aus jedem Buch das ich lese nehme ich etwas mit.
    Mir ging es bei einem Buch so das ich keinen Schimmer hatte was es mir eigentlich sagen/mitgeben will. Das war als Teenager,als ich(gezwungenermassen ) erstmals Hesses "Steppenwolf" gelesen habe. Mag daran liegen das ich damals andere Dinge als Hesse im Kopf hatte und genug mit mir selbst beschäftigt war :grin Als ich es einige Jahre später erneut las ( freiwillig ) konnte ich auf einmal sehr viel mit diesem Buch anfangen. Und heute gehört es mittlerweile zu meinen Lieblingsbüchern. :-)
    Wie Hasal schon sagte, wenn man bestimmte Situationen schon erlebt hat kann man das Gelesene vielleicht eher verstehen/nachvollziehen.

  • Ich hab mal irgendwo gelesen, ein Buch holt einen immer da ab, wo man gerade steht. Weiß nicht mehr, in welchem Zusammenhang das war, aber das fand ich sehr treffend.
    Ich verstehe das so, dass man Bücher im Leben öfter lesen kann. Liest man sie mit 16, kann man genau das am Buch nachvollziehen und verstehen, was der eigenen Lebenserfahrung in diesem Moment - also seinem derzeitigen Entwicklungsstand - entspricht. Das kann auch vollkommen okay sein. Liest man es mit 30 noch mal, kommen plötzlich Aspekte dazu, die beim ersten Lesen völlig an einem vorbeigegangen sind. Mit 40 liest man es noch mal und versteht es noch besser - einfach weil man im Leben immer wieder dazulernt, seine Erfahrungen bereichert. So gesehen ist meiner Meinung nach schon was dran, dass ein Teenager manches Buch noch nicht so versteht wie jemand, der ein paar Jahrzehnte mehr auf dem Buckel hat. Was auch nicht schlimm ist, denn so spart man 'ne Menge Geld, indem man seine Bücher mehrfach liest. :grin

    Worte sind Waffen. Wenn Ihnen etwas ganz stark am Herzen liegt, legen Sie Ihre Waffe an und feuern. (James N. Frey)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Britt ()

  • ... ich will mal behaupten: vieles, was ich weiß (längst nicht alles!) hab ich aus Büchern. Und anno zwieback, als wir noch ohne fließend Wasser und Strom lebten, hab ich im Bücherregal meiner Eltern "heimlich" Bücher stibitzt... manches hab ich nicht verstanden, manches erst später - und dann gilt für mich immer noch eins, Lebenserfahrung hin oder her: ALLES kann und muss man auch nicht verstehen, was es heutzutage zwischen zwei Buchdeckeln zu kaufen gibt.

  • Zitat

    Original von Britt
    Ich hab mal irgendwo gelesen, ein Buch holt einen immer da ab, wo man gerade steht.


    Wunderschöne Aussage :anbet, die ich auch schon...dann aus eigener Lebenserfahrung ;-) verifiziert habe. In doppelter Hinsicht: wenn ich ein Buch in meinen früheren Jahren gelesen hab und heute lese, ist da ein Unterschied im ERleben, es bringt halt manchmal andere Saiten in mir zum Schwingen als früher und altvertraute Gefühle werden gleichermaßen willkommen geheißen.


    Und zu dem, was Keinkomma schrieb: wie schlicht und einfach wahr das ist! :anbet


    Oder denkt an Reiseberichte. Um alle Länder selbst bereist haben zu können, fehlt uns doch allen das nötige Geld in der Portokasse. ;-)


    Mit Büchern hole ich mir einen Teil der Welt nach Hause und entscheide auch, welchen Teil der Welt ich draußen lasse. :-)


    :wave

  • bei einigen büchern ist lebenserfahrung (in gewissem maße) bestimmt hilfreich. muss aber sagen, dass ich mit meinen knapp 20 jahren eigentlich mit allen büchern, die ich so lese (wozu auch viele klassiker gehören) gut oder sogar sehr gut zurecht komme... und ich würde nicht sagen, dass ich für mein alter besonders erfahren wäre :-)

  • @n8eulchen...wie Keinkomma schon sagte: manche Erfahrungen braucht auch kein Mensch...als da wären: von einer Brücke springen, um festzustellen, dass man tatsächlich tot ist oder fast alles gebrochen hat, wenn man unten ankommt u.ä....;-)


    :wave

  • Es geht doch hier nicht darum, dass man generell fuer Buecher Lebenserfahrung braucht, um sie richtig verstehen zu koennen. Jeder nimmt sich eh etwas anderes von einem Buch. Und oft ist es dann so, dass ein gelesenes Buch durchaus die eigene Lebenserfahrung bereichern kann!


    Doch dann gibt es da schon so einige Titel in der Literatur, die einfach dem Leser sehr viel mehr geben, wenn man schon etwas Lebenserfahrung in den Leseprozess mit einbringen kann. Bei einem Titel wie "Anna Karenina" ist es einfach nicht zu leugnen, dass man die Vielschichtigkeit des Romans besser verstehen kann, wenn man in seinen Lebensjahren auch schon vieles erlebt hat. Ein Teenager kann das Buch sicherlich auch mit Gewinn lesen, wird aber hoechstwahrscheinlich nur einen Bruchteil dieser Schichten erkennen. Und ich wag ja selber zu bezweifeln, dass ich trotz meiner 40+ Jahre alle Schichten erkannt habe ...

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich