‚Schwere Reiter’, das sind Carla und Ille, beide Mitte fünfzig, aus einer Kleinstadt im Bergischen Land. Carla ist Witwe, ihr Mann ist vor kurzem erst gestorben. Sein Motorrad mit dem Beiwagen steht noch in der Garage. Die Kinder sind erwachsen, sie wohnen weit weg. Carla teilt das Haus mit ihrem kränkelnden Schwager.
Ille ist mit dem Tierarzt Otto verheiratet, aber Liebe und Familiengefühle haben sich längst verflüchtigt. Als Carla vorschlägt, daß Ille und sie eine gemeinsame Motorradtour von mindestens zwei Wochen unternehmen, ist Ille dabei.
Der Roman beginnt mit dem Tag der Führerscheinprüfung Carlas. Sie besteht, dem Kauf der passenden Montur für beide Frauen - Ille wird im Beiwagen mitfahren -, steht nichts mehr im Weg. Und danach: der Aufbruch.
Der Widerstand von Ehemann Otto und Schwager Gottfried ist groß, das halbe Dorf macht sich bald lustig über die beiden Frauen. ‚Schwere Reiter’ werden sie getauft. Man singt: ‚Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad’, wo immer die zwei auftauchen. Die Freundinnen lassen sich nicht beirren. Sie setzen sich kräftig zur Wehr. Und fahren tatsächlich los.
Unterwegs müssen sie sich mit den unterschiedlichsten Reaktionen auf ihr Abenteuer auseinandersetzen, auch mit ihren eigenen. Haben sie bislang gedacht, daß sie die jeweils andere gut kennen - sie sind seit fast dreißig Jahren eng befreundet - , so entdecken sie jetzt, daß manches an der Freundin ganz anders ist, als es aussah. Ille, die Ruhige, Angepaßte, geradezu Schlaffe, verbirgt eine wilde Lebenslust, Carla, die immer Energische, Sichere, Zielbewußte, Unsicherheit, Wut und einen daraus resultierenden unangenehmen Hang zu Gewalttätigkeit. Die Momente der Selbsterkenntnis speisen sich immer wieder aus Erinnerungen an den Krieg und die Hitlerzeit. Diese Erfahrungen waren es, die beide Frauen geprägt haben.
Dieser kurze Roman erschien erstmals 1982, und das merkt man ihm auch an. Er ist so typisch ‚Ende Siebziger, Anfang Achtziger’. Das ausgeprägte emanzipatorische Element entspricht deutlich den Forderungen und Ansichten der zweiten deutschen Frauenbewegung. Mit den Männern ist nicht viel los. Sie wirken mutlos, trotz ihres forschen Auftretens. Brüllen können sie, sonst wenig. Alte Schachteln haben keine Chance, wenn sie sich nicht selber zur Wehr setzen, und dabei ist alles erlaubt.
Neben solchen Aktionen, die heute plakativ anmuten, gibt es aber einiges an treffenden Einsichten über das Älterwerden, über die Ehe, und vor allem die Traumata, die der Krieg und die erste Zeit nach Kriegsende gebracht haben. Die Autorin, selbst Jahrgang 1939, weiß genau, wovon sie erzählt. Die Ängste, Unsicherheiten, die Suche nach dem Glück, die ergebnislos endet, weil man sich zu schnell etwas ergeben hat, das Konvention heißt. Weil man sich selbst nichts zugestanden hat. Die Schalheit dieses Alltags tritt ganz deutlich zutage.
Die Begegnungen mit Türken, die in einer Baracke hausen, mit Männern der eigenen Generation, mit jungen Menschen und gegen Ende auch noch einer Bar, die sich als eine Art Bordell entpuppt, sind dabei die Stationen der Entdeckung einer neuen Welt wie auch der Selbsterfahrung.
Der Schluß, die beiden Frauen sind inzwischen in München gelandet, gerät recht sentimental. Ille läßt sich kurzzeitig mit einem jüngeren Mann ein und erweist sich in einer Klemme in besagter Bar als die einzig Schlagkräftige. Auch Carlas Tochter lernt, sich zu befreien. Mutter und Tochter kommen sich endlich näher. Man wird eine Buchhandlung eröffnen. Bunte Kultur gegen Schlaffheit und den grauen Alltag. Die Chance und die Hoffnung liegen eben bei der nächsten Generation. Doch die Mütter wachen treulich über sie.
Was für eine freundliche Überzeugung aus einer Zeit, als die ‚Moderne’ noch nicht von sich behauptete, ‚post’ zu sein, als noch nichts beliebig war. Als man sicher glaubte, daß es eine Rettung gibt, und Power, vor allem in Verbindung mit dem Wort ‚Frauen’, die Parole war, ohne daß es peinlich schien.
Sprachlich ist es schön zu lesen, aber eben die Glätte führt nicht selten in Richtung Kitsch. Wie auch die Behandlung des Themas zu häufig in den Wohlfühlbereich (fast hätte ich Wellness geschrieben) abgleitet. Es bleibt ein Unterhaltungsroman.
Lesenswert aber dennoch wegen der Einblicke in den Alltag von Kindern und Frauen im Dritten Reich und vor allem wegen der Linien, die in die Nachkriegszeit gezogen werden. Traurige Männer, traurige Frauen, die dann im inneren Grau der braven Fünfziger und Sechziger langsam, aber sicher erstickten. Lesenswert nicht zuletzt eben wegen der Gebundenheit des Romans an die frühen Achtziger Jahre. Vielleicht ergibt sich aus der Lektüre auch ein gewisses Verständnis dafür, was die Frauen damals getrieben hat, zu der heute längst wieder verschrienen ‚Emanzipiererei’.