Hier könnt ihr Alexandra (Mariechen bei uns im Forum) Fragen stellen, die nicht das Buch der aktuellen Leserunde "Die Bücherdiebin" betreffen.
Fragen an Alexandra Ernst (Übersetzerin)
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Hallo Mariechen!
Ich weiß nicht, ob meine Frage hier richtig ist, denn sie betrifft eben doch die Bücherdiebin, nur eben allgemein:
Ich empfinde den Schreiber beim Lesen als sehr feinfühlig, sensibel geradezu sinnlich. Er malt richtig schöne Bilder in meinen Phantasiehimmel. Jemand, der solche Bilder malt, muss ein guter Mensch sein, oder um es mit seinen eigenen Worten zu sagen:
Einen Mann, der die Farben nicht nur sieht, sondern auch noch darüber spricht, muss man einfach mögen (sinngemäß).
Und jetzt kommt meine Frage, dabei. Wie weit sind es nach Deiner Übersetzung seine Worte. Für mich fühlt sich "Der Schreiber" immer wie eine Frau an. Dadurch, daß "Der Übersetzer" eine Frau ist, frage ich mich zum ersten Mal, wieviel Eigenes bringt so eine Übersetzung in ein Buch. Ich habe den Thread verfolgt, in dem Du erzählt hast, wie viel Mühe Du Dir bei den Recherchen gegeben hast, damit nachher kein Unsinn gedruckt wird, eine Arbeit, die ich eigentlich beim Autor vermutet hätte.
Da mein Englisch zu schlecht ist, um das Original überhaupt zu lesen, geschweige denn, die Feinheiten zu spüren, frage ich Dich, die Du das Original vermutlich am Besten kennst:
Ist es so feinfühlich und schön gemalt geschrieben, wie Deine Übersetzung vermuten lässt?
Egal, wie Deine Antwort auf diese Frage sein wird, das Buch liest sich wunderbar und das ist mit Sicherheit auch Dein Verdienst.Vielen Dank,
Tabasco -
Hallo Mariechen,
ich hab auch Fragen
Hat Herr Zusak dich ausgesucht oder hast Du gesagt Du möchtest dieses Buch übersetzen und wielange hat das gedauert?War es schwer das Buch zu übersetzen?
Ist man dann im engen Kontakt mit dem Autor? Oder übersetzt man frei nach Schnauze?
Hat der Autor Einfluss auf die Übersetzung?Vielen Dank für die Antworten
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Hallo Mariechen,
da schließe ich mich den Fragen mal an.
Mich würde interessieren, ob der Autor von dieser Leserunde weiß? Und wenn ja, berichtest du ihn, wie die Leser sein Buch empfinden?
Danke schön fürs Mitmachen.
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Hallo ihr Lieben,
war den ganzen Nachmittag mit meiner Kleinen unterwegs und muss sie jetzt noch bis etwa halb sieben betreuen - danach bin ich ganz für euch da und antworte gerne auf eure Fragen. Bis nachher!
Mariechen -
Also, da bin ich ...
Ich denke, ich fange mal mit Markus an: Ich weiß nicht, ob er von dieser Leserunde weiß, glaube es aber eher nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich ihm kurzfristig darüber berichten werde, weil ich denke, dass "Die Bücherdiebin" für ihn schon Vergangenheit ist. Er arbeitet bereits seit etwa einem halben Jahr an einem neuen Roman, und so, wie ich ihn verstanden habe, ist es dieses neue Projekt, das derzeit seine ganze Aufmerksamkeit beansprucht. Aber ich werde ihm unter Garantie von den vielfältigen Reaktionen erzählen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe - was noch eine Weile dauern kann. (Schnief!)
ZitatIch empfinde den Schreiber beim Lesen als sehr feinfühlig, sensibel geradezu sinnlich. Er malt richtig schöne Bilder in meinen Phantasiehimmel. Jemand, der solche Bilder malt, muss ein guter Mensch sein, oder um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: Einen Mann, der die Farben nicht nur sieht, sondern auch noch darüber spricht, muss man einfach mögen
Ja, so isses. Der Kerl ist wirklich einfach klasse. Ich mag ihn sehr. Und er ist tatsächlich all das, was du geschrieben hast: feinfühlig, sensibel, sinnlich. Außerdem noch unendlich freundlich, geduldig und warmherzig. - Definitiv der Mensch, mit dem ich am liebsten zusammenarbeite.Zu der Frage, wie viel von mir in dem Text drinsteckt: Emotional eine ganze Menge. Stilistisch ist es wohl eine Mischung aus Markus und mir, in dem Sinne, dass er mir Wort und Inhalt vorgibt und ich etwas gutes Deutsches draus machen muss. Grundsätzlich entferne ich mich nicht gern vom Text, versuche, mich selbst weitestgehend im Hintergrund zu halten und dem Text unterzuordnen, aber das geht nicht immer. Es gibt unübersetzbare Wortspiele, Zusammenhänge, die im Deutschen erklärt werden müssen - auch Fehler, die den Autoren manchmal unterlaufen, und die Übersetzer und Lektoren korrigieren müssen. In diesem Fall glaube ich, dass tatsächlich viel von uns beiden - von Markus und mir - drinsteckt. Wobei man sich das echt so vorstellen muss, dass ich mir immer überlegt habe: Was meint er damit - nicht nur vordergründig, sondern: warum hat er dieses Wort gewählt und nicht ein anderes? Und wie kriege ich das, was er meinte (Stimmung, Zwischenton, was auch immer) ins Deutsche?
Da wir schon öfter zusammengearbeitet haben (mittlerweile habe ich vier Bücher von ihm übersetzt), ging diese Arbeit Hand in Hand. Die zusätzlichen Recherchen ergaben sich aus dem Umstand, dass Markus nie im Leben damit gerechnet hat, dass sein Buch auch in Deutschland veröffentlicht werden würde. Er selbst hatte schon ausgiebig recherchiert, war auch in Deutschland deswegen. Aber wenn ein solches Buch hierzulande erscheint, will man halt alles hundertprozentig richtig machen.Noch kurz zu schnatterinchen: Wenn du mit "frei nach Schnauze" eigenständig und unabhängig meinst, dann ja, so übersetze ich. Kontakt mit dem Autor ergibt sich meistens nur dann, wenn man Fragen hat oder Unklarheiten auftauchen. Mit Markus war dieser Kontakt so intensiv, weil sich eben auch inhaltliche Probleme ergaben: Namen mussten geändert werden, es stellte sich die Frage, ob man die Seiten aus "Mein Kampf" tatsächlich verwenden darf, und da gingen die Mails schon hin und her. Und letztlich habe ich ihn ja im März in Leipzig auch persönlich kennengelernt.
Grüße!
Mariechen -
Ich werde wohl ein bisschen später in die Leserunde einsteigen, aber eine Frage brennt mir unter den Nägeln. Ich weiß nicht, ob sie in den Freds gestellt wurde. Spricht Markus Zusak eigentlich deutsch? Muttersprache wird wohl englisch sein, denn seine Bücher sind ja auch in englisch geschrieben. Mich interessiert halt, ob er über seine Eltern auch Deutsch gelernt hat.
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Zitat
Original von Mariechen
Wobei man sich das echt so vorstellen muss, dass ich mir immer überlegt habe: Was meint er damit - nicht nur vordergründig, sondern: warum hat er dieses Wort gewählt und nicht ein anderes? Und wie kriege ich das, was er meinte (Stimmung, Zwischenton, was auch immer) ins Deutsche?Grüße!
MariechenZu diesem Absatz habe ich noch eine Frage. Ist es einfacher ein Buch von einem Autor zu übersetzen den man auch kennt? Ich könnte es mir schon vorstellen. Ich könnte mir denken, dass man einige Sätze anders einordnen kann weil man die Ausdrucksweise des Autors besser kennt.
Oder macht das keinen Unterschied? -
Hallo!
Markus spricht deutsch, allerdings nur gebrochen. Er hat so das eine oder andere Wort von seinen Eltern aufgeschnappt, "Saumensch" zum Beispiel.
Zu der Frage, ob das Übersetzen leichter ist, wenn man den Autor kennt: Nein, eigentlich nicht. Man übersetzt ja nicht den Autor, sondern den Text, und das sind schon zwei verschiedene Paar Schuhe. Es ist der Text, der zu einem "sprechen" muss. Als ich "Die Bücherdiebin" übersetzte, kannte ich Markus ja auch noch nicht; ich kannte nur seine Bücher.
Wenn ich sagte, dass ich versuche herauszufinden, was der Autor mit dies oder jenem meint, war das vermutlich missverständlich. Ich denke, es ist eher das, was die Figur oder der Erzähler in diesem Moment meint. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mich immer bemüht habe, mich in den Tod hineinzuversetzen (wie das klingt!!!), und überlegt habe: wie fühlt der sich gerade? Was will er mir sagen mit dem, was er sagt? Das war unheimlich spannend!Bis bald!
Mariechen -
Hallo mariechen,
hat dir das Buch gleich beim ersten Mal auch so gut gefallen, wie uns? (Ich bin bei den Eulen, wegen der Bücherdiebin gelandet und es war bereits im März mein Highlight des Jahres? )
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Oh ja, ich fand das Buch von Anfang an grandios. Ganz besonders, weil ich die Entwicklung, die Markus als Schriftsteller genommen hat, mitverfolgen konnte. Ich war schon von seinen ersten Büchern ziemlich angetan, hätte aber nicht gedacht, dass er einmal dort ankommt, wo er jetzt steht.
Mariechen -
Hallo,
ich lese die englische Ausgabe und bin gerade ueber einen Absatz gestolpert, der mich doch etwas irritierte. S. 63 HC Ausgabe:
In 1933, 90% of Germans showed unflinching support for Adolf Hitler.
Zum einen frag ich mich woher die Zahl kommt (bei den letzten freien Wahlen bekam die NSDAP 43,9%), zum anderen find ich gerade das Wort "unflinching" in diesem Zusammenhang ueberzogen.
Wie ist es denn in der deutschen Ausgabe uebersetzt worden?
An anderer Stelle hattest du auch schon geschrieben, dass fuer die deutsche Ueberstzung bei den Facten auch noch etwas genauer nachgeprueft wurde (z.B. BDM nur fuer aeltere Maedels), hier auch?
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Hallo Beatrix,
ja, über diese Aussage bin ich seinerzeit auch gestolpert, aus genau dem gleichen Grund wie du. Übersetzt habe ich die Passage folgendermaßen:
1933 war die Mehrheit der Deutschen für Adolf Hitler. Eine Minderheit war gegen ihn.
Obwohl das mit den 43,9 % immer noch nicht genau hinkommt, denke ich, dass man das so vertreten kann, zumal wegen der Aussage, die dahintersteht, nämlich dass Hans Hubermann auch im Folgenden den Mut hat, sich bewusst gegen die NSDAP zu stellen.
Gruß!
Mariechen -
Mariechen,
Ich versteh wie du das uebersetzt hast und das war sicherlich eine gute Loesung ohne gleich das Buch umzuschreiben ....
Ich mochte diese Darstellung nur gar nicht, weil sie wieder ein Bild gibt von einem Deutschland, das in sehr viel boese (die Nazis und alle ihre vielen Anhaenger) und einigen wenigen guten (z.B. Hans Hubermann) unterteilt wird. Aber m.M. war die Mehrheit weder gut noch boese sondern Mitlaeufer oder im englischen "bystander". Und genau das machte die Katastrophe des Jahrhunderts moeglich, nicht das boese an sich.
Meine Tochter hatte in der 4. Klasse "Number the Stars" von Lois Lowry gelesen als die Schule als Jahresthema "Heros and Villains" hatte. Ich hab mit ihr darauf noch "Damals war es Friedrich gelesen" und ihr auch erklaert, was es bedeutet Mitlaeufer zu sein, was in dem Titel ja noch deutlicher hervortritt. Der Lehrerin hab ich das Buch dann auf englisch gegeben und sie war ebenfall begeistert von der Art der Erklaerung.
Man erklaert hier den Kindern ja schon ab der ersten Klasse auch beim Mobben die Rollen von "The Bully, the Bullied and the Bystander" - das ist ja nichts anderes als Nazis im kleinen.
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Hallo Beatrix,
völlig richtig, was du sagst.
Mir persönlich wäre es auch am liebsten gewesen, man hätte die tatsächliche Prozentzahl der Wahl im Buch abgedruckt; die Formulierung, die jetzt dort steht, ist ein Kompromiss, den ich mit der Lektorin eingegangen bin.Ich glaube, 1933 war vielen Menschen noch gar nicht klar, was mit Hitler auf sie zukam, aber als die Katze aus dem Sack war, regierte schon die Angst, die eben die Mehrheit der Bevölkerung zu Mitläufern machte. Was der Autor wohl mit diesem Satz ausdrücken wollte, wird, glaube ich, erst später im Buch deutlich, nämlich das Hans ein Mensch ist, der nicht nur stillschweigend gegen Hitler ist und sich arrangiert, sondern auch den Mut besitzt, etwas zu tun - im Rahmen seiner Möglichkeiten.
Was mich persönlich an der Person von Hans Hubermann ungeheuer beeindruckt hat, war die Deutlichkeit, mit der anhand dieser Figur der Konflikt zutage tritt, der in dieser Zeit wohl viele Menschen schier zerrissen hat: Man weiß genau, dass das, was geschieht, falsch ist, kann aber kaum etwas dagegen unternehmen, ohne die Menschen, die man liebt, in tödliche Gefahr zu bringen. Wir als Mütter können uns wohl vorstellen, wie grausam dieses Dilemma sein muss.Viele Grüße!
Mariechen -
Beatrix, mir geht es ähnlich wie Dir. Auf die Deutschen bezogen, ist das Buch etwas negativ klischeehaft. Immerhin enthält es durch die Beschreibung der Motive von Hans, wie es zu der Katrastrophe kommen konnte, obwohl so viele Deutsche überhaupt nicht von Hitler überzeugt waren. Aber wenn man das nicht weiß, und ich gehe mal ganz stark davon aus, daß man genau das im Ausland nicht weiß, dann muss tatsächlich der Eindruck entstehen, daß eine überwältigende Mehrheit der Deutschen überzeugte Nazis waren.
Zugegebenermaßen macht es die Sache nicht besser, wenn sie "nur" schwach und nicht wirklich böse waren. Möglicherweise ist das sogar schlimmer. Aber ich schweife ab. Eigentlich wollte ich nur bestätigen, daß es mir auch so geht wie Dir.
Vielleicht haben Markus Eltern damals in Deutschland unter den Nazis gelitten. Immerhin leben sie ja nicht mehr hier. Dann wäre diese Vorstellung mehr als verständlich.
Mariechen, weißt Du etwas darüber?Letzten Endes habe ich aber nicht das Gefühl, daß die "Bücherdiebin" mit den Nazis abrechnen will. Sie spielt nur in dieser Zeit. Und schließlich stimmt es ja, daß es eine kalte brutale Zeit war.
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Über die Zeit von Markus' Eltern unter den Nazis - seine Mutter stammt aus der Nähe von Dachau, sein Vater aus Österreich - weiß ich nichts; ich weiß nur, dass sie oft von dieser Zeit erzählten. Über die Gründe ihrer Auswanderung kann auch ich nur spekulieren.
Aber noch mal: Ich denke, Markus hat diesen Satz hauptsächlich deswegen geschrieben, um deutlich zu machen, dass es enorm viel Zivilcourage bedurfte, um sich beispielsweise öffentlich einer Mitgliedschaft in der NSDAP zu widersetzen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es vielleicht seinen Eltern so vorkam - dass die Mehrheit hinter Hitler stand und nur ganz wenige Menschen eben nicht. Möglicherweise haben sie diesen Eindruck ihrem Sohn weitervermittelt.
Aber an diesem Beispiel sieht man, wie wichtig es ist, bei einem solchen Buch präzise zu arbeiten. Ich hätte mich wohl mit meinem Wunsch, die akkurate Prozentzahl zu schreiben, durchsetzen sollen ... -
Hallo Mariechen, Du schreibst in dem anderen Thread den DaDaniel zusammengefügt zu den Unterschieden in den Büchern, dass die Namen in der Originalausgabe authentische Namen sind.
Es lesen doch auch viele Deutsche die Originalausgabe (wir sind doch viele!). Hat der Autor das nicht berücksichtigt? -
Hallo Lesebiene,
nicht ALLE Namen sind authentische Namen. Einige Namen hat Markus aus den Erzählungen seiner Eltern entnommen.
Und ganz offensichtlich hat er nicht bedacht, dass dies zu einem Problem werden könnte, ansonsten wäre es wohl nicht dazu gekommen. Aber in dieser Beziehung kann ich ebenfalls nur spekulieren. Ich bin ja nicht der Autor, sondern nur die Übersetzerin. -
Zitat
Original von Mariechen
Ich denke, ich fange mal mit Markus an: Ich weiß nicht, ob er von dieser Leserunde weiß, glaube es aber eher nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich ihm kurzfristig darüber berichten werde, weil ich denke, dass "Die Bücherdiebin" für ihn schon Vergangenheit ist. Er arbeitet bereits seit etwa einem halben Jahr an einem neuen Roman, und so, wie ich ihn verstanden habe, ist es dieses neue Projekt, das derzeit seine ganze Aufmerksamkeit beansprucht. Aber ich werde ihm unter Garantie von den vielfältigen Reaktionen erzählen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe - was noch eine Weile dauern kann. (Schnief!)
Hallo Mariechen,
erzähle Markus ruhig bald von dieser Leserunde. Vielleicht hat er ja auch seinerseits Fragen an seine Leser in Deutschland